AGS Adrenogenitales Syndrom

Adrenogenitales Syndrom

Die Nebeniere sitzt der Niere direkt auf und produziert Hormone
Die Nebeniere sitzt der Niere direkt auf und produziert Hormone
Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine der häufigsten Erbkrankheiten. Sie beruht auf einem Enzymdefekt im Bereich der Nebennieren, welche sich direkt oberhalb der Nieren befinden und wichtige Hormone bilden. Im Kern der Nebennieren wird das Stresshormon Adrenalin gebildet und von den in der Rinde dieses Organs (Nebennierenrinde=NNR) sind die wichtigsten das Cortisol und das Aldosteron.
Eine der häufigsten Erbkrankheiten (1:1500) ist der 21-Hydroxylasemangel. Dabei handelt es sich um einen Defekt des 21-Hydroxylase-Enzyms, welches dafür verantwortlich ist, einen wichtigen Schritt (von vielen) bei der Umwandlung von Cholesterin zu Cortisol und Aldosteron durchzuführen.

Was bewirkt der 21-Hydroxylase-Mangel?

Es kommt dadurch zu einem Aufstau der Hormonproduktion vor dem Arbeitsschritt, den die 21-Hydroxylase eigentlich durchführen müsste. Man muss sich das so vorstellen, als würde bei der Fließbandherstellung von Autos, der Arbeiter, welcher die Fensterscheiben einsetzt, ausfallen und die Produktion müsste bei diesem Schritt beendet werden. Es kämen also nur Autos ohne Scheiben aus der Fabrik. Liegt die Abteilung, welche die Rücksitze einbaut , am Fließband hinter dem Fenstereinbau, dann fehlen den Autos auch die Rücksitze und auch alles andere, was später eingebaut würde. Nun kommt aber der biologische Unterschied: Im Hormonsystem wird dieser Produktionsstau nicht behoben, weil es aufgrund eines Enzymdefekts nicht möglich ist. Es werden vielmehr die Autos als Grundlage genommen, einen anderen Produktionsweg, der noch funktioniert, fortzuführen. Es würden also z. B. Cabrios gebaut, also ein Seitenweg verstärkt genutzt. Genauso, wie der Autohersteller aber nicht beliebig viele Cabrios los wird, so ist auch im Körper der Bedarf an dieser Ersatzproduktion nicht so groß und es kommt zu einem Überangebot an Hormonen, welche der Körper in dieser Menge nicht benötigt.

Das Auto ohne Rücksitze und Fensterscheiben entspricht dem Hormon 17-Hydroxy-Progesteron, welches normalerweise von der 21-Hydroxylase (wie der Name schon sagt) zu 21-Hydroxy-Progesteron umgewandelt wird. Das bei der Produktion „angestaute“ 17-Hydroxyprogesteron wird dann in andere Produktionswege eingeschleust. Es werden aus dieser Vorstufe vermehrt androgene gebildet. Dadurch fallen vermehrt männliche Hormone an.

Klassisches AGS und „Late-onset-AGS“

Es gibt noch andere Enzymdefekte in den Stoffwechselwegen der NNR, die jedoch wesentlich seltener sind und deswegen hier auch nicht weiter besprochen werden. Von dem 21-Hydroxylase-Defekt gibt es verschiedene Ausprägungen. Die häufigste ist das sogenannte „late-onset-AGS“, welches lediglich zu Störungen in der Produktion von Cortisol führt, bei der „klassischen“ und schwerwiegenderen Form ist auch der Aldosteron-Stoffwechsel gestört.

Klinische Folgen des AGS

Beim klassischen AGS fehlt also das Cortisol, was zu ausgeprägten Störungen des Energiehaushaltes und des Immunsystems führen kann. Der Aldosteronmangel führt zum sogenannten „Salzverlustsyndrom“, es wird also mehr Salz (Natriumchlorid) über die Nieren ausgeschieden, was zu einem bedrohlichen Abfall des Blutdrucks führen kann. Durch den extrem erhöhten Blutspiegel männlicher Hormone kommt es bereits in der Gebärmutter zur Vermännlichung des Genitals bei weiblichen Feten.

Das „late-onset-AGS“ (die weitaus häufigste Variante) weist nur eine Störung der Cortisolproduktion auf, welches jedoch noch in ausreichendem Maße vorhanden ist. Jedoch fallen auch die Vorstufen vermehrt an und werden in Androgene umgewandelt. „Late-onset“ heißdiese häufigste Störung des NNR-Hormonhaushaltes, weil sich Symptome erst nach der Pubertät oder gar noch später bemerkbar machen. Meist durch Blutungsstörungen bis hin zum Ausbleiben der Regelblutung sowie durch männliche Behaarungsmuster (zu viele Haare an den falschen und zu wenige an den richtigen Stellen) und Akne. Es handelt sich neben dem PCO-Syndrom um die häufigste Ursache für einen ausbleibenden Eisprung.

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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.