Insulinresistenz
Bei Vorliegen einer Insulinresistenz ist oft der Blutzuckerspiegel auch unter Belastung mit Kohlenhydraten normal, da die zum Ausgleich erhöhten Insulinspiegel im Blut noch in der Lage sind, den Blutzucker in einem normalen Rahmen zu halten. Eine Insulinresistenz ist wegen dieser kompensatorischen Hyperinsulinämie mit einem normalen Glucosetaleranztest (oGTT) nicht auszuschließen. Zur Diagnose des Insulinresistenz-Syndroms sollte demnach ein herkömmlicher oGTT um die zeitlich parallele Insulinbestimmung erweitert werden.
Durchführung des oralen Glucose-Toleranztests
Bei einem oGTT erhält die Patientin morgens nüchtern nach der ersten Blutentnahme 75 g Glucose in Wasser gelöst. Diese Lösung muss sie innerhalb von 10 Minuten langsam trinken. 60 und 120 Minuten nachdem die Patientin mit dem Trinken begonnen hat, folgen weitere Blutentnahmen. Ein Diabetes mellitus (Zuckererkrankung) liegt vor, wenn die Werte für den Nüchternblutzucker über 120 mg/dl und den 2-Stunden-Blutzucker über 200 mg/dl im kapillaren Vollblut (Blut aus der Fingerkuppe) betragen. Von einer so genannten Glukosetoleranz mit Krankheitswert (=pathologische Glukosetoleranz) wird gesprochen, wenn der Nüchternblutzucker unter 120 mg/dl und der 2-Stunden-Blutzucker zwischen 140 und 200 mg/dl liegen. Sind dagegen der Nüchternblutzuckerwert unter 120 mg/dl und der 2-Stunden-Blutzuckerwert unter 140 mg/dl, besteht kein Nachweis für eine Glukoseverwertungsstörung.
Zur Bestimmung der Insulinresistenz werden zusätzlich zeitlich parallel die Insulinspiegel im Blut bestimmt. Zu hohe Ausgangswerte im nüchternen Zustand oder weiterhin deutlich erhöhte Insulinspiegel nach 2 Stunden sprechen (auch bei normalen Blutzuckerspiegeln) für eine Insulinresistenz.
Der HOMA-Index
HOMA-Index: Hierbei wird der Nüchternblutzucker (NBZ) nach 12 Stunden und das Nüchterninsulin (NI) bestimmt. Berechnet man dann den HOMA-Index nach der Formel NIxNBZ (in mmol/l):22,5, dann sind Werte von 1 normal, Werte >2 grenzwertig und können bereits für das Vorliegen einer Insulinresistenz sprechen und Werte >2,5 sind nahezu beweisend für eine Störung des Insulinhaushaltes.
Bei Angabe der Glucose in mg/dl errechnet sich der HOMA-Index = Insulin (nüchtern, µU/ml) x Blutzucker (nüchtern, mg/dl):405.
Warum ist es wichtig, die Insulinresistenz zu erkennen?
Der Zusammenhang mit dem Hormonhaushalt und seine Auswirkungen auf den Kinderwunsch wurden bereits in einem anderen Kapitel erläutert. Dies ist jedoch nicht der einzige Grund, weshalb einem solchen Verdacht nachgegangen werden sollte. Es ist auch für den Fall eines Schwangerschaftseintritts wichtig, denn Patientinnen mit einem PCO-Syndrom neigen auch zu Fehlgeburten, wobei hier ein Zusammenhang mit der diabetischen Stoffwechsellage besteht. Außerdem besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung zum Gestationsdiabetes (Entwicklung einer echten Zuckererkrankung, also Diabetes mit erhöhten Blutzuckerspiegeln im Verlauf einer Schwangerschaft), wobei „PCOS“-Patientinnen, die einen Gestationsdiabetes zum Ende der Schwangerschaft entwickeln, bereits vor der Schwangerschaft eine erhöhte Insulin- und Glucose-Antwort im OGTT zeigten. Das erhöhte Risiko von „PCOS“-Patientinnen für den GD ist vergesellschaftet mit Schwangerschafts-induzierter Hypertonie (SIH, erhöhter Blutdruck im Verlauf der Schwangerschaft).
Diese schwangerschaftsbedigten Erkrankungen können sehr schwerwiegende Verläufe haben, insbesondere beim SIH kommt es zu Situationen, in denen der Blutdruck der Schwangeren nicht mehr medikamentös beherrschbar ist und nur eine vorzeitige Entbindung das Leben der Mutter retten kann. Die damit einhergehende Frühgeburtlichkeit des Kindes führt leider auch zu möglichen Schädigungen.
Des weiteren ist bekannt, dass Fettstoffwechselstörungen (erhöhte freie Fettsäuren) mit der Insulinresistenz vergesellschaftet sein können, was langfristig zu Gefäßschäden führen kann.
Sind nur übergewichtige Frauen von der Insulinresistenz betroffen?
Das scheint nicht der Fall zu sein: In einer Studie aus den USA1 wurden 4 Gruppen von Frauen auf ihren Insulinhaushalt hin untersucht: Normalgewichtige Frauen mit und ohne sonographisch erkennbares PCO-Syndrom und Zyklusstörungen sowie übergewichtige Frauen (Bodymassindex >25) mit und ohne Hinweise auf ein PCOS.
Ohne PCO hatten Übergewichtige häufiger eine erhöhte Insulinresistenz als Normalgewichtige, was so sicher auch zu erwarten war. Aber Normalgewichtige mit PCO waren stärker insulinresistent als Übergewichtige ohne PCO. Die stärkste Insulinresistenz hatten Übergewichtige mit PCO. Am insulinempfindlichsten waren erwartungsgemäß Normalgewichtige ohne PCO. Der metabolisch entscheidende Faktor scheint somit das polyzystische Ovar und nicht das Übergewicht zu sein.
Daraus folgt:
1. Bei Zyklusstörungen und Übergewicht ist zwar weiterhin eine Reduzierung des Körpergewichtes zu empfehlen, aber dies sollte nicht die einzige ärztliche Maßnahme sein, die Bestimmung der Insulinresistenz gehört sicherlich ebenfalls dazu.
2. Auch bei normalgewichtigen Frauen mit einem PCO-Syndrom sollte eine Kontrolle des Insulinhaushalts erfolgen.
[1] Gynecol-Tribune, Ausgabe 7 / 2003 S.10, vgl – Janet Cresswell et al., Acta Obstet Gynecol Scand 2003; 82: 61 – 64
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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.