IVF: Vorgehen, Risiken und Erfolgsraten bei künstlicher Befruchtung

Die In-vitro-Fertilisation (IVF) oder Reagenzglasbefruchtung ist die aufwendigste Methode in der Reproduktionsmedizin. Bei der In-vitro-Fertilisation werden der Frau reife Eizellen entnommen und mit den Samenzellen des Mannes zusammengebracht. Die Befruchtung findet außerhalb des Körpers statt
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Die IVF in Kürze
Nach einer hormonellen Stimulation der Eierstöcke werden die Eizellen aus dem Körper der Frau entnommen und in einem Gefäß („Reagenzglas“ – eigentlich eine Petrischale) mit den Spermien des Partners zusammen gebracht. Die Spermien befruchten die Eizellen und die so entstandenen Embryonen werden in die Gebärmutter zurückgegeben. Dort wachsen sie im Idealfall an und es resultiert eine Schwangerschaft.
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Grundprinzip der IVF
Die Reagenzglasbefruchtung, auch kurz als IVF oder künstliche Befruchtung bezeichnet, wird seit mehr als 40 Jahren in der Behandlung des unerfüllten Kinderwunsches eingesetzt. Seitdem sind weltweit 6,5 Millionen Kinder mit Hilfe der künstlichen Befruchtung entstanden (Stand 2016*).
Dieser Beschreibung ist zu entnehmen, dass man die Eileiter dazu nicht benötigt Die Eizellen werden ja über den Umweg des Reagenzglases direkt in die Gebärmutter gebracht. So wurde diese Methode zunächst auch für Frauen mit verschlossenen oder aus anderen Gründen ihrer Funktion gestörten Eileitern entwickelt.
1978 wurde die In Vitro Fertilisation erstmals erfolgreich eingesetzt1. Seitdem fand die Methode eine große Verbreitung und wird nunmehr auch für andere Gründe der Kinderlosigkeit eingesetzt. Mittlerweile werden jedoch nur noch die Hälfte aller IVF-Behandlungen wegen defekter Eileiter durchgeführt.
Die Künstliche Befruchtung ist gar nicht so „künstlich“
Oft wird diese Methode als „Künstliche Befruchtung“ bezeichnet. Dieser Ausdruck ist letztlich unrichtig, denn die Befruchtung zwischen Spermien und Eizelle läuft genauso ab, wie sonst im Eileiter. Es ist also nicht die Befruchtung selbst, sondern nur ihr Ort „künstlich“. Dies mag nach Haarspalterei klingen, jedoch ergeben sich aus diesem Begriff Ängste hinsichtlich der Gesundheit der Kinder, die unbegründet sind.
Wie läuft die IVF-Behandlung ab?
Als Erstes erfolgen die Untersuchungen und die Indikationsstellung zur IVF (Näheres dazu im Kapitel “ Diagnostik „). Üblicherweise wird in einem ausführlichen Gespräch die Vorgehensweise, die Risiken und die Erfolgschancen der geplanten Behandlung mit dem Paar erörtert. Es werden dabei auch die Voraussetzungen für die Durchführung der Therapie kontrolliert. Fehlende Ergebnisse werden, wenn nötig, durch entsprechende Untersuchungen ergänzt.
Unterdrücken des Eisprungs
Wird eine hormonelle Stimulation der Eierstöcke durchgeführt, sollte der Eisprung sicher unterdrückt werden. Denn nur dann können die Eizellen später ohne Probleme gewonnen werden und nicht vorher einfach „davonhüpfen“.
Die IVF beginnt zunächst mit der hormonellen Stimulation (über die Art der verwendeten Medikamente und ihre Wirkungsweise und Nebenwirkungen finden Sie weitere Informationen hier). Immer noch mit am häufigsten verwendet ist das „langen Protokoll“ (Informationen über weitere Protokolle). Dabei wird meist im Vorzyklus in GnRH-Medikament zur „Downregulation“ der Eierstöcke verabreicht. Üblicherweise wird an diesem Tag auch ein Ultraschall bei der Frau durchgeführt, um Zysten an den Eierstöcken auszuschließen. Die GnRH-Spritze braucht ca. 2 Wochen, um die Funktion der Hirnanhangsdrüse sicher „auszuschalten“.
Bei dem sogenannten „Antagonisten-Protokoll“ wird der Eisprung erst während der Hormongaben, die zur Stimulation der Eierstöcke gegeben werden, unterdrückt. Dieses Vorgehen hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen.
Welche Methode auch immer zur Vermeidung eines vorzeitigen Eisprungs zur Anwendung kommt, meist dann irgendwann auch mit der eigentlichen hormonellen Stimulation der Ovarien begonnen werden.
Hormongaben zur Stimulation der Eierstöcke
Oft wird vor Beginn der Hormongaben ein Ultraschall durchgeführt, wenn es nicht bereits vorher geschehen ist. Zur Stimulation wird meist hMG oder FSH verwendet, welches dem Körper in täglichen Spritzen zugeführt wird. Die Dosis wird dabei so gewählt, dass eine ausreichende Menge an Eibläschen an den Eierstöcken entsteht. Von Zentrum zu Zentrum kann die angestrebte Zahl unterschiedlich sein, meist jedoch liegt die gewünschte Zahl an Eibläschen zwischen fünf und fünfzehn.
Ganz exakt lässt sich die Zahl der Eizellen ohnehin nicht festlegen. Man entscheidet sich daher meist eher dafür, ein wenig mehr Hormone zu geben, um am Ende der Behandlung ausreichend Eizellen zur Verfügung zu haben. Andererseits muss man sich über die gesundheitlichen Risiken durch eine Überstimulation2 immer im Klaren sein und wird versuchen, diese zu vermeiden.
Die Stimulationsspritzen werden zunächst eine Woche lang täglich verabreicht. Dann erfolgt ein sogenanntes Zyklusmonitoring, wobei in bestimmten Abständen Ultraschall- und Hormonkontrollen durchgeführt werden. Anhand der Ergebnisse der Untersuchungen wird die Dosis der Hormone angepasst. Diese Untersuchungen werden solange fortgeführt, bis die Voraussetzungen optimal sind (Follikelgröße und -zahl sowie die Hormonwerte).
Auslösen des Eisprungs
Wenn die Voraussetzungen optimal sind, verabreicht man ein weiteres Hormon. Mit hCG werden die Eizellen auf ihre Entnahme vorbereitet. Dieses Hormon löst, wie an anderer Stelle schon erwähnt, den Eisprung ca. 36 Stunden nach der Gabe aus. Wenn man die Spritze um Mitternacht gibt und dann die Eizellen am Morgen des übernächsten Tages entnimmt, sind die Eizellen hormonell auf den Eisprung vorbereitet (und dadurch befruchtungsfähig), jedoch noch nicht gesprungen.
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Hormontherapie bei IVF in Kürze
- Oft wird eine Vorbehandlung mit einer Pille oder Ähnlichem durchgeführt
- Der Eisprung wird unterdrückt (Vor Beginn oder während der Stimulation)
- Es werden Hormone zur Stimulation der Eierstöcke gegeben
- Die Hormondosis wird individuell angepasst, um eine Überreaktion zu vermeiden
- Der Eisprung wird vor der Eizellentnahme ausgelöst
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Punktion (Entnahme der Eizellen) unter Ultraschallsicht

Die Entnahme der Eizellen wird auch als Punktion bezeichnet. Während früher immer durch die Bauchdecke punktiert wurde (Bauchspiegelung), erfolgt dieser Eingriff heute fast ausschließlich durch die Scheide unter Ultraschallsicht3. Dazu setzt man eine besondere Zielvorrichtung auf einen normalen Ultraschallkopf. Mit Hilfe einer Nadel sticht der Arzt durch die Scheidenwand direkt in die Eibläschen. Dies geschieht örtlicher Betäubung oder Vollnarkose.
Die Dauer der Eizellentnahme beträgt lediglich 5-10 Minuten und wird ambulant durchgeführt.
Die Eizelle
Die so gewonnenen Eizellen werden unter dem Mikroskop aus der Flüssigkeit herausgesucht und in einem speziellen Kulturmedium aufbewahrt. An dem Tag der Punktion muss der Mann erneut Spermien abgeben. Nach einer entsprechender Aufbereitung werden die Spermien zu den Eizellen gegeben.
So stellt sich die Eizelle unmittelbar nach der Entnahme unter dem Mikroskop dar. In der Mitte erkennt man gut das kreisrunde Innere der Eizelle (Zytoplasma), umgeben von einem zarten Ring – der Eizellhülle (zona pellucida). Bei den Reifeteilungen schleust die Eizelle überschüssige Chromosomen in Polkörperchen aus. Diese finden sich gut erkennbar bei 6 Uhr zwischen der Eizellhülle und dem Zytoplasma.
In diesem Video sieht man die Spermien, die zur Eizelle hinzu gegeben wurden und in der Wolke der sie umgebenden Ernährungszellen (Cumuluszellen) die Eizelle.
Vorkernstadium (befruchtete Eizelle)
Ungefähr 18 Stunden nach der Eizellgewinnung (Punktion) kontrolliert man die Befruchtung der Eizellen. Eine befruchtete Eizelle lässt sich gut an den zwei Vorkernen erkennen, die das Erbgut von Samen- und Eizelle enthalten. Man spricht dann von dem sogenannten „Vorkernstadium“.
Zu diesem Zeitpunkt wählt man oft die Eizellen aus, die später zurückgegeben werden sollen. Die anderen Eizellen werden entweder verworfen oder eingefroren. Nach dem Embryonenschutzgesetz ist es nicht erlaubt, mehr als die Zahl an Eizellen weiterzukultivieren, die man benötigt, um die gewünschte Anzahl an Embryonen zurückzugeben zu können.
Vierzeller (Embryo – Tag 2)

Frühestens 48 Stunden nach der Punktion werden die Embryonen in die Gebärmutter zurückgegeben (Transfer). Zu diesem Zeitpunkt haben sie sich bereits geteilt und liegen im 4-Zellstadium vor.
Auf dem Bild erkennt man, dass der Embryo noch in der Eizellhülle steckt und nun 4 Zellen aufweist. Zu diesem Zeitpunkt beträgt der Durchmesser des Embryos 0,2 Millimeter.
Embryotransfer bei der IVF

Der Vorgang ist der gleiche, wie bei der Insemination in die Gebärmutterhöhle (IUI). Auf dem Untersuchungsstuhl schiebt der Arzt einen flexiblen Schlauch in die Gebärmutter. Darin befinden sich die Embryonen. Möglichst schonend spritzt man dann die Embryonen in die Gebärmutterhöhle. Eine Betäubung ist für diesen Eingriff normalerweise nicht notwendig.
Man kann den Transfer der Embryonen auch zu einem späteren Zeitpunkt durchführen, z. B. am 5. Tag nach Entnahme der Eizelle. Dies wird als „Blastozystentransfer“ bezeichnet.
Zur Unterstützung der Gelbkörperphase verabreicht man nach dem Transfer Gelbkörperhormon in Form von Tabletten oder Scheidenzäpfchen. Oft werden auch hCG-Spritzen gegeben, um die eigene Gelbkörperhormonproduktion anzuregen. Gut 2 Wochen nach dem Transfer kann das Schwangerschaftshormon im Blut bestimmt werden und man erkennt, ob „es geklappt hat“.
Wie hoch sind die Erfolgsraten bei der IVF? **
Die Schwangerschaftsrate nach IVF ist in hohem Maße von dem Grund der Kinderlosigkeit abhängig. Ein zweiter wichtiger Faktor ist das Alter der Frau. In Deutschland werden die Schwangerschaftsraten pro Transfer mit knapp 32% angegeben. Da man damit rechnen muss, dass ca. 20% der Schwangerschaften in einer meist frühen Fehlgeburt enden, liegt die Chance, tatsächlich ein Kind bekommen, bei ungefähr 24% pro Versuch.
Risiken**
Auf die Risiken, welche durch die Hormongaben entstehen, wird an anderer Stelle gesondert eingegangen.
Durch die Entnahme der Eizellen kann es zu Verletzungen von Blutgefäßen kommen. Auch der Darm und Nerven sind hierbei gefährdet. Da der Eingriff unter Ultraschallkontrolle erfolgt, sind solche Komplikationen jedoch nur sehr selten.
Obwohl die Rückgabe der Embryonen direkt in die Gebärmutter erfolgt, ist die Zahl von Eileiterschwangerschaften im Gegensatz zu natürlich eingetretenen Schwangerschaften leicht erhöht und beträgt knapp 2%.
Die Zahl der Mehrlingsschwangerschaften ist naturgemäß ebenfalls erhöht und beträgt in Deutschland knapp 23%. Drillinge haben daran jedoch mit 0,7% nur einen geringen Anteil. Besonders häufig treten sie bei jungen Frauen auf, weshalb man in vielen Zentren dazu übergegangen ist, bei Frauen unter 35 Jahren nur 2 Embryonen zurückzugeben.
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Ergebnisse der IVF in Kürze
- Die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft beträgt 32%
- Die Chance, ein Kind zu bekommen, liegt bei 24%
- Etwas mehr als 22% der Frauen bekommen schließlich Mehrlinge.
- Eine schwere Überstimulation trat in weniger als einem Prozent der Fälle auf
- Andere Komplikationen (Blutung, Verletzungen) lagen ebenfalls nur bei unter einem Prozent
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Gesetzliche Regelungen
In den Gesetzen zur Behandlung des unerfüllten Kinderwunschs sind verschiedene Aspekte dieser Therapie geregelt (siehe auch das Kapitel „Gesetze„). Strafrechtlich relevant ist das Embryonenschutzgesetz. Die Richtlinien der Bundesärztekammer stützen sich darauf. Das Sozialgesetzbuch V (SGB V) und regelt die Voraussetzungen zur Durchführung der IVF bei Patienten und Ärzten sowie die Kostenerstattung der Krankenkassen.
Bei den Ärzten ist eine spezielle Zulassung notwendig, um die In Vitro Fertilisation durchführen zu dürfen. Seit 1998 ist bei Gynäkologen eine Zusatzausbildung zur Anerkennung als „Arzt für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie“ Voraussetzung.
Voraussetzungen des Paares
- Hinreichende Aussicht auf Erfolg mit der geplanten Maßnahme. Damit wird auch begründet, dass die Krankenkassen nur die Kosten von drei Behandlungen übernehmen müssen. Wissenschaftlich ist dies allerdings nicht haltbar. Entsprechende Studien zeigten eine gleichbleibende Erfolgsrate für 4-5 IVF-Behandlungen.
- Das Paar muss verheiratet sein. Dies ist jedoch nur für die Kostenübenahme der Krankenkassen relevant, das Embryonenschutzgesetz regelt dies nicht und die Behandlung kann daher auch bei Unverheirateten erfolgen.
- Ei- und Samenzellen dürfen nur von dem behandelten Paar verwendet werden.
- Eine Beratung über die medizinischen, psychischen und sozialen Aspekte der IVF ist notwendig. Die muss durch einen Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt (in der Regel der „Haus“-Gynäkologe) erfolgen.
- Durchführung nur durch entsprechend ermächtigte Ärzte oder unter Aufsicht derselben möglichst ambulante Durchführung
- Negativer HIV-Status beider Partner
- Rötelnimmunität der Frau
- Die Frau darf ihr 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Das gilt jedoch nur für die Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Ansonsten ist eine Behandlung natürlich auch später möglich. Der Mann darf nicht älter als 50 Jahre alt sein und beide nicht jünger als 25.
- Einfrieren von Embryonen und Eizellen ist keine Kassenleistung
- Eine IVF ist nur dann angezeigt, wenn eine Schädigung der Eileiter operativ nicht behoben werden kann oder andere Maßnahmen bei anderen Diagnosen nicht zum Erfolg führten.
- Nach einer Geburt ergibt sich ein Anspruch auf die Kostenübernmahme einer erneuten Behandlung
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Kostenübernahme in Kürze
- Das Paar muss verheiratet sein für die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung.
- Beide müssen mindestens 25 Jahre alt sein.
- Die Frau darf nicht älter als 39, der Mann nicht älter als 49 sein
- Ein genehmigter Kostenplan und eine Beratung sind Voraussetzung
- 50 % der Kosten müssen selbst getragen werden
- Ausführlichere Informationen gibt es im Kapitel „Kosten der Behandlung“.
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* Dr Kersti Lundin, Chairman of ESHRE September 2016
** Daten des Deutschen IVF-Registers aus dem Jahr 2015
Titelbild: © clipdealer.com
Noch Fragen?
Dann haben Sie in unserem Kinderwunschforum die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen oder Fragen an unsere Experten zu richten. Und hier finden Sie die Übersicht über die andere Foren von wunschkinder.de. Die am häufigsten gestellten Fragen haben wir nach Themen geordnet in unseren FAQ gesammelt.
Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
Literatur
- Steptoe, P. C., & Edwards, R. G. (1978). Successful birth after IVF. Lancet, 312(366), 0.
- Pellicer, N., Galliano, D., & Pellicer, A. (2019). Ovarian hyperstimulation syndrome. In The Ovary (pp. 345-362). Academic Press.
- Kemeter, P., & Feichtinger, W. (1986). Trans-vaginal oocyte retrieval unsing a trans-vaginal sector scan probe combined with an automated puncture device. Human Reproduction, 1(1), 21-24.