Zwillinge und Drillinge – Häufigkeit und Risiken – so kommt es zu Mehrlingen

Wer Kinder möchte, hat meist auch nichts gegen Zwillinge oder Drillinge. Wie hoch sind die Risiken bei Mehrlingen für Mutter und Kind? Sollte man es wirklich darauf ankommen lassen? Wie kann man Mehrlinge in einer Kinderwunschbehandlung vermeiden?
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Mehrlinge als Risiko der Kinderwunschbehandlung
Bei einer Reagenzglasbefruchtung werden nur maximal drei Embryonen zurückgegeben, daher ist nur die Entstehung von Drillingen möglich. Wenn eine Hormone verabreicht werden vor Verkehr oder einer Insemination erfolgt, dann sind höhergradige Mehrlinge möglich. Insbesondere bei schlechter Überwachung kann es dann zu solchen Fällen kommen, wie sie gelegentlich in der Presse beschrieben werden (7-linge, 8-linge). Solche Berichte sind ein Zeichen für einen übersteigerten Erfolgswillen bei Arzt und Patientin, die in der modernen Reproduktionsmedizin nichts zu suchen haben.
Wie häufig sind Mehrlinge eigentlich?
Wenn keine Hormontherapie erfolgt, dann können natürlich auch Mehrlinge auftreten. Die Häufigkeit errechnet sich nach der „Hellinschen Regel“:
- auf 85 Geburten kommt eine Zwillingsgeburt (1,8%)
- auf 852(= 7225) Geburten eine Drillingsgeburt (0,014%)
- auf 853(= 614125) Geburten eine Vierlingsgeburt. (0,0001%)
Bei der künstlichen Befruchtung sind diese Zahlen wesentlich höher. Das Deutsche IVF-Register gibt für das Jahr 2014 folgende Zahlen heraus: Knapp 78% der Schwangerschaften nach IVF und ICSI sind Einlingsgeburten und 21,6% sind Zwillingsgeburten. Höhergradige Mehrlinge sind sehr selten: 0,7% Drillinge und 0,01 % Vierlinge.
Für andere Maßnahmen wie Insemination oder Hormongaben gibt es keine zuverlässige Statistik, jedoch sind die Zahlen auch hier deutlich höher als bei normal entstandenen Schwangerschaften.
Eineiige Zwillinge

Eineiige Zwillinge entstehen aus einer Eizelle, wie der Name schon sagt. Die Eizelle teilt sich nach der Befruchtung in zwei Embryonen mit identischen Erbanlagen teilt.
Dadurch verfügen Eineiige Zwillinge über die gleichen Erbanlagen. Sie sehen daher identisch aus und haben immer das gleiche Geschlecht.
Eineiige Mehrlinge sind deutlich seltener als zweieiige. Nur ein Viertel aller Mehrlingsschwangerschaften entstehen aus einer Eizelle.
Üblicherweise erfolgt diese Teilung im Verlauf der ersten drei Tage, zu einem Zeitpunkt, wo die Zellen pluripotent sind. Es nisten sich dann zwei Embryonen in der Gebärmutterschleimhaut ein. Sie haben nach einer so frühen Teilung später jede eine Fruchthöhle und einen Mutterkuchen (diamniotisch und dichorial).
Bei einer Teilung des Embryos nach dem vierten Tag bildet sich nur ein Mutterkuchen und zwei Fruchthöhlen aus (monochorisch und diamniotisch). Hier werden beide Kinder über dieselbe Plazenta von der Mutter versorgt. In diesen Fällen tritt häufiger (1:50) ein fetofetales Transfusionssyndrom auf.
Noch problematischer ist eine Teilung nach der Einnistung, also nach dem 6.-8. Tag nach der Befruchtung. Die hierdurch entstehenden eineiigen Zwillinge teilen sich dann Mutterkuchen und Fruchthöhle (monoamniotisch und dichorial).
Zweieiige Zwillinge
Zweieiige Zwillinge entstehen aus zwei Eizellen, die gleichzeitig befruchtet werden. Die Kinder ähneln sich daher nicht „wie ein Ei dem anderen“, sondern stehen zueinander wie jedes andere Geschwisterpaar. Auch das Geschlecht kann unterschiedlich ausfallen.
Da bei einer In-Vitro-Fertilisation (IVF) in die Gebärmutter einer Frau jeweils mehrere befruchtete Eizellen eingesetzt werden, können hieraus Mehrlinge entstehen. Diese sind stets zweieiig.
Was ist daran so schlimm, wenn man Zwillinge oder Drillinge bekommt?
Vieles. Es muss einem klar sein, dass Drillinge eine starke Belastung darstellen: Die finanziellen Belastungen sind einem Kinderwunschpaar, das mit den Worten „Hauptsache schwanger“ in die Therapie geht, im Vorfeld meist nicht klar und auch nicht die Tatsache, dass die Belastung durch die Kinder soziale Kontakte erschwert oder gelegentlich sogar unmöglich macht. Mal ehrlich, wer lädt eine Familie mit drei Kleinkindern mal eben zum Kaffeetrinken ein? Eben. Im Vordergrund stehen aber die medizinischen Risiken:
Mehrlingsschwangerschaften haben ein größeres Risiko für
- Frühgeburtlichkeit, bei Drillingen ist dies ausnahmslos der Fall. Die Unreife der kindlichen Organe kann je nach Zeitpunkt der Geburt zu bleibenden Schäden führen. Im Schnitt werden Zwillinge 5 vor dem Termin geboren, bei Drillingen sind es 8 Wochen.
- Vorzeitige Wehen. Die Vorstufe der Frühgeburtlichkeit. Sie führen zu ambulanten, oft aber auch stationären Behandlungen.
- Bleibende Schäden: Entsprechende Untersuchungen in Deutschland zeigten, dass bei jeder zweiten Drillingsschwangerschaft entweder eines der Kinder noch vor oder kurz nach der Geburt verstarb oder bleibende Schäden (Geistige Behinderungen, Hörstörungen und Lähmungen sind seltener, Sehstörungen sind durch die oft lang andauernde Beatmung der Kinder sehr häufig)
- Schwangerschaftskomplikationen wie Wassereinlagerungen, Nierenstörungen, erhöhter Blutdruck, akute Leberschädigungen und auch Schwangerschaftsdiabetes treten bei Mehrlingsschwangerschaften deutlich häufiger auf als bei Einlingen
- Totgeburten: Bei Zwillingen sind diese 6x häufiger als bei Einlingsschwangerschaften
- Bei Mehrlingen sind oft „Kaiserschnitte“ notwendig bei der Entbindung, bei Drillingen ist dies die Regel.
Kann man Mehrlinge vermeiden?
Eines vorweg: Dieses oben genannte Szenario gilt hauptsächlich für die Drillingschwangerschaften, mit einer angemessenen Betreuung führen Schwangerschaften mit Zwillingen oft zu einer normalen Entbindung am Termin und zwei gesunden Kindern.
Aber Drillinge zu vermeiden sollte dem betroffenen Paar und dem Arzt wichtiger sein als eine Schwangerschaft. Dazu noch einmal ein paar interessante Daten aus dem „Deutschen IVF-Register“:

Bei Frauen bis zu einem Alter von 35 Jahren konnte die Schwangerschaftsrate durch die Zurückgabe von drei statt zwei Embryonen nicht gesteigert werden. Die Mehrlingsrate erhöhte sich jedoch deutlicher: von 23,87% auf 27,99% (Zwillinge) bzw. von 0,2% auf 5,36% (Drillinge). Die Konsequenz dieser Zahlen liegt daher auf der Hand: der Transfer von mehr als zwei Embryonen ist bei Frauen unter 35 Jahren sinnlos.
Sollte man Zwillinge ebenfalls vermeiden?
Auch Zwillinge sollte man möglichst vermeiden. In Deutschland haben wir „nur“ ein gesetzliches Problem: Da die Auswahl der Embryonen, welche zum Transfer weiterkultiviert werden sollen, bereits am Tag nach der Eizellentnahme im sogenannten Vorkernstadium erfolgen muss, ist die Überlebensfähigkeit der Embryonen schwerer abzuschätzen als in anderen Ländern, wo man diese Auswahl sehr viel später durchführen kann. Der „Deutsche Mittelweg“ kann hier möglicherweise Abhilfe schaffen.
Noch Fragen?
Dann haben Sie in unserem Kinderwunschforum die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen oder Fragen an unsere Experten zu richten. Und hier finden Sie die Übersicht über die andere Foren von wunschkinder.de. Die am häufigsten gestellten Fragen haben wir nach Themen geordnet in unseren FAQ gesammelt.
Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.