Clomifen und Hormonspritzen bei Kinderwunsch: Erhöhtes Krebsrisiko?

Hormone und Krebs?
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Die Hormongaben bei Kinderwunschbehandlungen stehen unter dem Verdacht, Krebs auszulösen. Aktuelle Studien weisen nach, dass diese Sorge unbegründet ist.

Führen Hormongaben zu einem erhöhten Risiko für Krebserkrankungen? Und bei der IVF, wo die Hormondosierungen noch höher sind, wie steht es da um die Langzeitfolgen? Vor allem die Gabe von Clomifen steht immer wieder im Verdacht, Krebs auszulösen. Wie ist  aktuell der wissenschaftliche Stand zu diesem Thema?

Hormone können können das Krebsrisiko verändern

Zum Schlechteren

Erstmals gab es im Jahre 1992 Bedenken, die durch eine vielzitierte Studie hervorgerufen wurden: Es wurde über ein erhöhtes Risiko für Eierstockskrebs berichtetDurch A. Whittemore et al.1 wurde das Risiko, an Eierstockskrebs zu erkranken, für Frauen, die eine Stimulation der Eierstöcke erhielten, mit 4,5% angegeben im Vergleich zu 1,5% ohne eine solche Behandlung.

Eine weitere, ebenfalls in den Fokus der Öffentlichkeit gerückte Studie zeigte ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs durch die Gabe von Clomifen auf2

Zum Besseren

Bei der Studie zum Eierstockkrebs fanden die Forscher bereits 1992 heraus, dass die Risiken im Falle einer Schwangerschaft unter das normale Risiko sank. Erhöht war es nur, wenn eine Schwangerschaft in Folge der Hormongaben nicht eintrat.

Auch zum Clomifen gab es seitdem zahlreiche weitere Studien, die die Gefahr einer Zunahme von Krebserkrankungen nicht bestätigen konnte. Es fanden sich sogar Studien, die eine Verminderung des Gebärmutter- und Brustkrebsrisikos fanden.

Lässt sich nicht genauer sagen, wie hoch die Risiken sind?

Es ist für Frauen, die sich einer Hormonbehandlung unterziehen müssen, natürlich mehr als unbefriedigend, dass sich die Ergebnisse der Studien widersprechen. Woran liegt es? Und wodurch ist gegebenenfalls erklärbar, warum die Hormonbehandlungen sogar das Krebsrisiko senken?

Das Risiko sind nicht die Hormone, sondern der Grund für ihre Gabe

Die ersten und eingangs erwähnten Studien untersuchten die Daten von Frauen, die aus den unterschiedlichsten Gründen Hormone genommen hatten. Und in dieser Gruppe traten später mehr Krebserkrankungen auf. Diese Zusammenhänge wurden in den Studien jedoch nicht berücksichtigt.

Denn es muss nicht an den Hormonen liegen und inzwischen ist klar, dass es andere Gründe dafür gibt. Frauen, die wegen eines unerfüllten Kinderwunschs Hormontherapien bekommen haben, unterscheiden sich in vielfacher Hinsicht von der Durchschnittsbevölkerung. So werden sie oft wegen eines fehlenden Eisprungs oder anderer hormonelle Störungen behandelt. Ohne Eisprung bildet sich kein Gelbkörperhormon und Frauen, die dauerhaft nur Östrogene bilden und kein Gelbkörperhormon, haben durch diese „Östrogendominanz“ ein erhöhtes Risiko für Brust- und Gebärmutterkrebs.

Ähnlich ist es bei Frauen, die keine Kinder geboren haben. Auch deren Gefahr für bösartige Erkrankungen ist erhöht. Hingegen sinkt das Risiko deutlich, wenn nach einer Hormontherapie eine Schwangerschaft eingetreten ist.

Ohne dies jetzt zu weit auszuführen: Es gibt viele Erkrankungen, die zu einem unerfüllten Kinderwunsch führen und gleichzeitig zu einem erhöhten Risiko für Krebserkrankungen. Ergänzend sei hier noch auf die Endometriose verwiesen.

Mit anderen Worten: die Frauen, welche Hormonbehandlungen bekamen, hatten in der Tat ein erhöhtes Risiko für bösartige Erkrankungen. Mit oder ohne Hormongaben.

Eierstockskrebs nach Clomifen und anderen Hormonen

Die Aussagekraft einer wissenschaftlichen Untersuchung hängt zum einen von der Art der Studie ab (also letztlich von der Qualität der Datenerhebung) aber ganz besonders von der Zahl der Frauen, die beobachtet wurden. Wie so oft sind hier die Studien der Cochrane Database besonders hilfreich, weil sie die Daten aus vielen Studien gründlich analysieren und daraus Schlüsse mit statistischer Beweiskraft ableiten (wenn möglich).

Zum Thema erhöhtes Risiko für bösartige Erkrankungen der Eierstöcke gibt es hier eine Analyse aus dem Jahre 20193. Diese Arbeit enthält Daten von fast einem Vierteljahrhundert und 4.684.724 Frauen.

Sieben der in diese Untersuchung aufgenommen Studien fanden keinen Zusammenhang wischen Hormongaben (inklusive Clomifen) und Krebserkrankungen. Verglichen wurden hier Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch, die jeweils Hormone oder eben nicht (Kontrollgruppe) erhalten hatten. Weitere Studien in der Untersuchung konnten den Zusammenhang nicht ausschließen, jedoch war hier die Zahl der untersuchten Frauen zu gering oder die (ja nicht unwichtigen s. o.) Gründe für die Behandlung wurden nicht ausreichend berücksichtigt.

Das Risiko für bösartige Tumore des Eierstocks ist weder durch Clomifen noch durch andere Hormone zur Stimulation der Ovarien erhöht.

Borderline-Tumore der Ovarien

Borderline-Tumore der Eierstöcke sind eine Besonderheit bei den Tumoren der Eierstöcke. Sie sind sehr selten und weitaus weniger gefährlich als andere Ovarialtumore.  Die Prognose dieser Erkrankung ist sehr gut. aber dennoch ist es ein Tumor, der operiert werden muss.

In der gleichen Untersuchung der Cochrane Database fand sich ein erhöhtes Risiko für diese Unterart der Ovarialtumore bei Frauen, die eine Kinderwunschbehandlung mit Hormonen haben durchführen lassen. Jedoch fand sich das erhöhte Risiko für diese spezielle Erkrankung nur im Zusammenhang mit IVF-Patientinnen, nicht jedoch, wenn nur Clomifen oder Gonadotropine zur Stimulation der Follikelreifung gegeben wurden.

Diese Zusammenhänge wurden in einer weiteren Studie eingehend analysiert4. Auch hier waren die Ergebnisse – so die Autoren – sehr interpretationsfähig, da die Zahl der Boderline-Tumore sehr niedrig ist. Diese bislang größte Analyse der Daten zum Borderline-Tumor der Ovarien nach Hormonbehandlung kommt im Wesentlichen zu eher beruhigenden Ergebnissen. Es besteht kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen Hormonbehandlungen und dem Auftreten der Borderlinetumore. Bei länger dauernden Behandlung vor allem mit Progesteron konnte ein Zusammenhang nicht sicher ausgeschlossen werden.

Bei wiederholt durchgeführten Hormonbehandlungen für eine IVF und unter Verwendung von Progesteron, ist ein gering ausgeprägtes Risiko für die sehr seltenen Borderline-Tumore gegenwärtig nicht auszuschließen.

Bösartige Erkrankungen der Gebärmutterschleimhaut

Hier ist voranzuschicken, dass die Gefahr einer Erkrankung steigt, wenn eine Frau keinen regelmäßigen Eisprung hat. Dies ist zum Beispiel beim PCO-Syndrom der Fall. Das Risiko ist auch bei Übergewicht erhöht, was ebenfalls im Zusammenhang mit einem Endometriumkarzinom stehen kann (=bösartige Erkrankung der Gebärmutterschleimhaut). Und natürlich bekommen Frauen mit einem PCO-Syndrom häufiger als der Bevölkerungsdurchschnitt auch Clomifen.

Auch hier gibt es eine Cochrane-Analyse5. Aufgrund der eingeschränkten Aussagekraft der vorliegenden Studien kann man einen Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen der Gebärmutterschleimhaut und der Anwendung von Clomifen nicht sicher ausschließen. Dies gilt vor allem bei bei reinen Stimulationstherapien (VZO) über 6 Zyklen hinaus. Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass die Risiken auch hier weniger in den Medikamenten liegen, sondern die Gründe für die Behandlung mit Clomifen das Problem darstellt, aber auch das lässt sich gegenwärtig nicht beweisen.

Hinweise auf einen negativen Effekt durch Medikamente zum Spritzen (Gonadotropine) gibt es nicht.

Nun gibt es ja unterschiedlich hoch dosierte Hormongaben. Bei der IVF sind die Dosierungen am höchsten. Deswegen ist es sinnvoll, sich diese Patientengruppe gesondert anzusehen:

Brustkrebs nach IVF

Dazu hatten wir bereits eine Studie in den News vorgestellt6, die bezüglich der Risikos für Brustkrebs sehr beruhigende Ergebnisse zeigte.

Die im „Journal of the American Medical Association“ publizierte holländische Studie wertete die Daten von 19.158 Frauen aus, die zwischen 1983 und 1995 mit einer IVF begonnen hatten (IVF-Group). Verglichen wurden diese mit 5.950 Frauen, die sich einer Kinderwunsch-Behandlung ohne hochdosierte hormonelle Stimulation (non-IVF-Group) im gleichen Zeitraum unterzogen hatten. Am Ende der Nachbeobachtung waren die Frauen durchschnittlich 54,5 Jahre alt.

Bei ehemaligen IVF-Patientinnen betrug das Brustkrebsrisiko 3,0 % und in der Kontrollgruppe lag es bei 2,9%, also gleichauf.

IVF und Krebserkrankung der Eierstöcke

Eine umfassende Studie7 wertete Daten der IVF-Behandlungen in Großbritannien der Jahre 1991-2010 aus. 250.000 Frauen waren hier involviert. Die Ergebnisse waren im Hinblick auf Brust und Gebärmutterkrebs sehr beruhigend. Hier fand sich kein erhöhtes Risiko für eine Krebserkrankung dieser Organe.

Schlechte Nachrichten fanden sich auch hier, wie schon bei der normalen hormonellen Stimulation bei den Erkrankungen der Eierstöcke. Bei Frauen, die keine Hormone bekommen hatten war das Risiko 11:10.000. Nach einer oder mehreren Hormontherapien erkrankten 15 von 10.000 Frauen. Das ist nur eine sehr geringe Erhöhung des Krebsrisikos, aber nicht ohne Bedeutung.

Auch hier sind die Autoren der Auffassung, dass nicht zwingend die Hormone selbst die Ursache für die Steigerung des Krebsrisikos ist, sondern die individuellen Voraussetzungen, die zur eingeschränkten Fruchtbarkeit der betroffenen Frauen führte.

Eierstockkrebs tritt nach IVF möglicherweise häufiger auf als bei Frauen, die keine IVF bekommen haben. Die Erhöhung des Risikos ist gering, die Ursache nicht zwingend die Hormontherapien.

Weitere große Studien: Gar kein erhöhtes Risiko

Eine gringfügige Erhöhung des Krebsrisikos – vor allem der Eierstöcke – kann auf Basis der bislang genannten Studien nicht ausgeschlossen werden. Es gibt aber auch weitere Studie mit sehr großen Zahlen, die überhaupt keine Hinweis auf ein erhöhtes Krebsrisiko ergaben.

In einer Metaanalyse, die verschiedene Studien zu diesem Thema auswertete8 fand sich für Frauen mit Kinderwunsch, dass jene, die eine Hormonbehandlung bekommen hatten, sogar ein geringeres Risiko für eine Krebserkrankung der Eierstöcke aufwiesen.

Und auch die eingangs bereits erwähnte dänische Studie, die 54.000 Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch beobachtete, konnte keinen Zusammenhang zwischen Krebs und Kinderwunschbehandlung herstellen.

Zusammenfassung

  • Im Hinblick auf Gebärmutter- und Brustkrebs ist ein Zusammenhang mit der Verwendung von Hormonen zur Stimulation der Eierstöcke sehr unwahrscheinlich.
  • Bei den Tumoren des Eierstocks kann ein Zusammenhang nicht sicher ausgeschlossen werden. Das absolute Risiko ist sehr gering, das relative Risiko nur mäßig erhöht
  • Bei den Ovarialtumoren gibt es auch ernst zu nehmende Studien, hier keinen Zusammenhang mit Hormontherapien herstellen konnten.
  • Das vermehrte Auftreten einiger Krebserkrankungen nach Hormongaben ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf die Hormone zurückzuführen, sondern auf die Erkrankungen, die zur Behandlung führten. Zu erwähnen ist da z. B. das PCO-Syndrom vor allem in Verbindung mit Übergewicht.

Noch Fragen?

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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.

 

Literatur

  1. Whittemore AS1, Harris R, Itnyre J
    Characteristics relating to ovarian cancer risk: collaborative analysis of 12 US case-control studies. II. Invasive epithelial ovarian cancers in white women. Collaborative Ovarian Cancer Group.
    Am J Epidemiol. 1992 Nov 15;136(10):1184-203.
  2. Althuis MD, Moghissi KS, Westhoff CL, Scoccia B, Lamb EJ, Lubin JH, Brinton LA. Uterine cancer after use of clomiphene citrate to induce ovulation. American Journal of Epidemiology, 2005 Apr 1; 161(7):607-15.
  3. Rizzuto, I., Behrens, R. F., & Smith, L. A. (2019). Risk of ovarian cancer in women treated with ovarian stimulating drugs for infertility. Cochrane Database of Systematic Reviews, (6).
  4. Bjørnholt SM, Kjaer SK, Nielsen TS, Jensen A
    Risk for borderline ovarian tumours after exposure to fertility drugs: results of a population-based cohort study.
    Hum Reprod. 2015 Jan;30(1):222-31
  5. Skalkidou A, Sergentanis TN, Gialamas SP, Georgakis MK, Psaltopoulou T, Trivella M, Siristatidis CS, Evangelou E, Petridou E
    Risk of endometrial cancer in women treated with ovary-stimulating drugs for subfertility.
    Cochrane Database Syst Rev. 2017 Mar 25;3:CD010931.
  6. van den Belt-Dusebout AW, Spaan M, Lambalk CB, Kortman M, Laven JS, van Santbrink EJ, van der Westerlaken LA, Cohlen BJ, Braat DD, Smeenk JM, Land JA, Goddijn M, van Golde RJ, van Rumste MM, Schats R, Józwiak K, Hauptmann M, Rookus MA, Burger CW, van Leeuwen FE
    Ovarian Stimulation for In Vitro Fertilization and Long-term Risk of Breast Cancer.
    JAMA. 2016 Jul 19;316(3):300-12
  7. Williams CL, Jones ME, Swerdlow AJ, Botting BJ, Davies MC, Jacobs I, Bunch KJ, Murphy MFG, Sutcliffe AG
    Risks of ovarian, breast, and corpus uteri cancer in women treated with assisted reproductive technology in Great Britain, 1991-2010: data linkage study including 2.2 million person years of observation.
    BMJ. 2018 Jul 11;362:k2644.
  8. Kashyap S, Moher D, Fung MF, Rosenwaks Z
    Assisted reproductive technology and the incidence of ovarian cancer: a meta-analysis.
    Obstet Gynecol. 2004 Apr;103(4):785-94.