IVF und ICSI: Unterschiedliche Stimulationsprotokolle

unterschiedliche Protokolle
Es gibt zahlreiche Variationen der Hormonbehandlung für eine IVF oder ICSI. Welche ist die beste? © clipdealer.com

Für die Hormonbehandlung bei einer künstlichen Befruchtung gibt es viele unterschiedliche Behandlungsprotokolle. Diese passt man auf die individuellen Bedürfnisse der Patientin an.  Diese Protokolle unterscheiden sich vor allem durch die Art, wie man den Eisprung unterdrückt. Die wesentlichen Methoden sind das lange Protokoll, das kurze Protokoll und das Antagonisten-Protokoll.

Hormone sind nicht zwingend notwendig aber hilfreich

Die erste IVF-Behandlung im Jahre 1978 erfolgte im natürlichen Zyklus. Auch heute gibt es noch den Ansatz, bei bestimmten Patienten eine IVF fast ohne Hormone durchzuführen1 Jedoch ist die Gabe von Hormonen zur Verbesserung der Erfolgsraten bei IVF und ICSI inzwischen ein etablierter Standard. Durch die Hormonbehandlung stehen mehr Eizellen zur Verfügung und ermöglichen die Auswahl von optimalen Embryonen2.

Unterdrückung des Eisprungs: Verschiedene Vorgehensweisen

Bei der künstlichen Befruchtung wird üblicherweise der Eisprung  mit Medikamenten unterdrückt. Denn durch einen vorzeitigen Eisprung gingen die Eizellen verloren. Diese „Downregulation“ ist daher von großer Bedeutung bei der IVF und ICSI. Und die Protokolle, die bei der Stimulation angewendet werden, unterscheiden sich vor allem durch Art und Zeitpunkt der Downregulation voneinander.

Allen Arten der Downregulation ist gemein, dass sie die Funktion der Hirnanhangsdrüse unterdrücken. Diese schüttet normalerweise in der Mitte des Zyklus das „Luteinisierende Hormon“ aus, welches den Eisprung auslöst. Das wird durch die Medikamente zur Downregulation verhindert.

Der Klassiker: GnRH-Analoga

Die sogenannten GnRH-Analoga heißen so, weil sie dem Gonadotropin-Releasing-Hormone (GnRH) ähnlich sind. Dieses wird vom Zwischenhirn (Hypothalamus) in Pulsen ausgeschüttet und stimuliert die Freisetzung von Follikelstimulierendem Hormon (FSH) und Luteinisierendem Hormon (LH = eisprungauslösendes Hormon).

Hilfe! Muss ich das verstehen? Nein, jetzt folgt der verständliche Teil 😉 Gibt man diese GnRH-Analoga als Medikament, dann setzen sie sich an den Rezeptoren der Hirnanhangsdrüse fest. Diese schüttet noch einmal aus, was sie an Hormonen hat. Es wird also all das LH und FSH in den Speichern der Hirnhangsdrüse auf einmal ausgeschüttet (das nennt sich „Flare Up„, muss man aber auch nicht wissen). Danach sind die Speicher leer und die Hirnhangsdrüse kann so lange keinen Eisprung mehr auslösen, wie die GnRH-Analoga wirken. Dabei gibt es lang wirkende Präparate, die meist im „langen Protokoll“ zu Einsatz kommen. Kürzer wirksame GnRH-Analoga werden täglich gegeben und man setzt sie meist im „kurzen Protokoll“ oder im „Ultrashort-Protokoll“ ein.

GnRH-Antagonisten

Die Antagonisten unterdrücken ebenfalls den Eisprung. Sie werden im sogenannten „Antagonisten-Protokoll“ eingesetzt. Diese Medikamente setzen sich ebenfalls an den Rezeptoren der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) fest. Allerdings vermitteln sie dort keine Wirkung, sondern blockieren den Rezeptor komplett. Die Hypophyse wird dadurch vom einen auf den anderen Tag (eher sogar Stunden) komplett ausgeschaltet. Zumindest, was die Produktion von LH – also dem eisprungauslösenden Hormon – angeht.

Welches Protokoll ist besser?

Erste Studien zu Beginn des Jahrtausends fanden deutliche schlechtere Schwangerschaftsraten für das Antagonisten-Protokoll im Vergleich mit dem langen Protokoll3. Inzwischen gilt jedoch als gesichert, dass bei Frauen mit sehr aktiven Eierstöcken (wie z. B. beim PCO-Syndrom) Überstimulationen sehr viel seltener auftreten als mit dem klassischen langen Protokoll4.

Das beste Protokoll gibt es nicht

Manche Ärzt*innen behaupten, dass es Stimulationsprotokolle gibt, die allen anderen überlegen sind. Wäre dem tatsächlich so, dann würde man dies ja auch allen Frauen geben. Und die Vielzahl an unterschiedlichen Vorgehensweisen zur hormonellen Stimulation wären nicht notwendig.

Das Antagonisten-Protokoll ist am besten verträglich und hat weniger Nebenwirkungen. Bei Frauen mit einer geringen Aktivität der Eierstöcke kann es die Zahl der gewonnen Eizellen im Vergleich zu anderen Protokollen erhöhen5. Allerdings wird das sogenannte „Flare-Up“ oder Ultrashort-Protokoll von anderen Kollegen in diesen Fällen bevorzugt.

Dieses Beispiel zeigt, dass es bei den Ärzten unterschiedliche Vorlieben gibt und bei den Patientinnen unterschiedliche individuelle Voraussetzungen, die eine entsprechende Anpassung der Hormongaben erfordern.

Sehr viele Kombinationsmöglichkeiten

Neben der Art der Eisprungunterdrückung hinaus gibt es noch zahlreiche und sehr unterschiedliche Medikamente zu Stimulation der Eierstöcke. Man sich kann daher unschwer vorstellen, dass es eine unüberschaubare Anzahl möglicher Kombinationen gibt.

Auch wenn eine individuelle Anpassung an die jeweilige Patientin sehr sinnvoll sein kann, so bedeutet dies jedoch, nicht, dass in jedem Fall „das Rad neu erfunden werden muss“. Eine standardisierte Vorgehensweise hat den Vorteil, dass die Reaktion der Eierstöcke auf die Stimulation meist sehr gut vorauszusehen. Die gewünschte Anzahl an Eibläschen und Eizellen wird dadurch zuverlässiger erreicht.

Die hier erläuterten Protokolle werden in den verschiedenen Behandlungszentren mit unterschiedlicher Häufigkeit verwendet, also auch die Ärzte haben ihre bevorzugten Methoden z. T. auch mit deutlichen Abweichungen von den hier dargestellten Vorgehensweisen. Die Darstellung hier kann also nur dazu dienen, die Methoden in den am häufigsten durchgeführten Varianten zu erklären, mehr oder weniger ausgeprägte Änderungen sind entweder durch spezielle hormonelle Gegebenheiten bei der Frau bedingt oder durch persönliche Erfahrungen des Arztes. Die Protokolle beziehen sich fast ausschließlich auf die hormonelle Behandlung zur Reagenzglasbefruchtung.

Noch Fragen?

Dann haben Sie in unserem Kinderwunschforum die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen oder Fragen an unsere Experten zu richten. Und hier finden Sie die Übersicht über die andere Foren von wunschkinder.de. Die am häufigsten gestellten Fragen haben wir nach Themen geordnet in unseren FAQ gesammelt.

Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.

 

Literatur

  1. Pelinck, M. J., Hoek, A., Simons, A. H. M., & Heineman, M. J. (2002). Efficacy of natural cycle IVF: a review of the literature. Human Reproduction Update8(2), 129-139.
  2. Fauque P, Leandri R, Merlet F, Juillard JC, Epelboin S, Guibert J, Jouannet P, Patrat C
    Pregnancy outcome and live birth after IVF and ICSI according to embryo quality
    J Assist Reprod Genet. 2007
  3. Ludwig, M., Katalinic, A., & Diedrich, K. (2001). Use of GnRH antagonists in ovarian stimulation for assisted reproductive technologies compared to the long protocol. Archives of Gynecology and Obstetrics265(4), 175-182.
  4. Al-Inany, H. G., Youssef, M. A., Aboulghar, M., Broekmans, F., Sterrenburg, M., Smit, J., & Abou-Setta, A. M. (2011). GnRH antagonists are safer than agonists: an update of a Cochrane review. Human reproduction update17(4), 435-435
  5. Fukuda, A. (2016). Ovarian Stimulation for Poor Responders. In Ovarian Stimulation Protocols (pp. 113-119). Springer, New Delhi