ERA-Test: Höhere Chancen durch besseres Timing?

Wird eine künstliche Befruchtung durchgeführt, dann stellt sich immer wieder die Frage, warum sich bestenfalls 50-60% der Embryonen in die Gebärmutter einnisten. Der ERA-Test („Endometrial Receptivity Array“) soll helfen, den besten Zeitpunkt für den Embryotransfer zu finden, um die Chancen auf eine Einnistung zu erhöhen.
ERA-Test: Die Bestimmung des Implantationsfensters
Für die Einnistung („Implantation) eines Embryos ist die richtige Beschaffenheit der Gebärmutterschleimhaut sehr wichtig. Ziel des ERA-Tests ist es daher, den Zeitpunkt festzustellen, an dem sich ein Embryo am besten einnisten kann, weil die Gebärmutterschleimhaut optimale Voraussetzungen bietet. Die Bestimmung dieses „Implanationsfensters“ (Englisch: Window of implantation = WOI) erfolgt durch eine Untersuchung von mehr als 200 Genen, von denen man ausgeht, dass sie die Einnistung beeinflussen können.
Zeitlich verschobenes Einnistungsfenster
Findet bei einer IVF oder ICSI (künstliche Befruchtung) wiederholt keine Einnistung statt, obwohl sonst alle Voraussetzungen optimal zu sein scheinen, dann den Herstellern des ERA-Tests zufolge die Verschiebung des Implantationsfensters die Ursache sein1. Das kann von wenigen Stunden bis hin zu einem Tag reichen.
Mit Hilfe der 238 Gene, die beim ERA-Test untersucht werden, lässt sich der optimale Zeitpunkt für die Einnistung bestimmen. Diese Verschiebung des Implantationsfensters ist individuell unterschiedlich und die Hersteller des Tests geben an, dass der Test für die jeweilige Frau und ihre Gebärmutterschleimhaut bis zu 20 Monate gültig ist. Und bei 26% der untersuchten Frauen ist die Gebärmutterschleimhaut beim Transfer entweder zu früh dran oder zu spät (prerezeptiv bzw. postrezeptiv).
Personalisierter Embryotransfer
Die Idee ist daher, bei den Frauen, die sich einer künstlichen Befruchtung unterziehen müssen, mit Hilfe des ERA-Tests den optimalen Zeitpunkt für den Embryotransfer festzustellen und den Transfer dann zeitlich individuell zu planen. Dadurch soll die Chance auf eine Schwangerschaft deutlich steigen. So die Idee. Ob es wirklich funktioniert, wird weiter unten auseinandergedröselt. Aber zunächst einmal zum Ablauf der Diagnostik:
Wie erfolgt der ERA-Test?
Für den Test wird eine kleine Probe (Biopsie) der Gebärmutterschleimhaut entnommen (ohne Narkose, der Eingriff ist wenig schmerzhaft). Da man ja den besten Zeitpunkt für die Einnistung bestimmen möchte, muss die Biopsie zu einem festen Zykluszeitpunkt bestimmt werden. Also 7 Tage nach dem ein Ovulationstest positiv wurde oder nach einer entsprechenden Vorbehandlung mit Östrogenen und Gelbkörperhormonen.
Die molekulargenetische Untersuchung der Gewebsprobe wird in einem speziellen Labor in Spanien durchgeführt. Nach der Auswertung der Untersuchung ergibt sich eine konkrete Angabe für den besten Zeitpunkt des Embryotransfers.
Für wen ist der Test sinnvoll?
Da der Test meist in einem Zyklus mit Hormongaben (Östrogene und Gelbkörperhormon) durchgeführt wird, sind die Ergebnisse auch nicht auf einen „frischen“ Versuch übertragbar. Der ERA-Test ist also nur dann sinnvoll, wenn eine Behandlung unter Zuhilfenahme eingefrorener Embryonen (Kryotransfer) geplant ist und das am besten in einem sogenannten „Substitutionszyklus“, also mit Östrogenen und Progesteron.
Auch wird der ERA-Test nicht durchgängig empfohlen, sondern vor allem für jene Paare, bei denen trotz guter Voraussetzungen wiederholt keine Schwangerschaft eintrat. So zumindest die Empfehlung des Herstellers.
Hält der Test, was er verspricht?
Kurze Antwort? Nein. Natürlich ist die Idee reizvoll, endlich eine Erklärung dafür zu haben, dass sich auch schöne Embryonen nicht einnisten. Früher dachte man, es läge vielleicht an den Embryonen und ihrer genetischen Beschaffenheit. Aber nachdem man diese Erklärung mit der Präimplantationsdiagnostik angehen konnte, reduzierten sich die Misserfolge nur unwesentlich. Ist es nun also die Gebärmutterschleimhaut?
Anfangs (vor ca. 10 Jahren) war die Begeisterung groß, glaubte man doch nun, das Problem erkannt zu haben und damit umgehen zu können. Der Test war plausibel und brachte bei den untersuchten Frauen ein zuverlässiges Ergebnis. Man fand heraus, dass ca. 30 Prozent aller Frauen ein verschobenes Implantationsfenster haben, weshalb sie nicht schwanger werden konnten, wenn man sie im normalen Zeitablauf behandelte. Damit wäre der falsche Zeitpunkt für einen Embryotransfer die häufigste Ursache für eine künstliche Befruchtung ohne Erfolg. Nach schlechter Spermienqualität womöglich der zweithäufigste Grund für einen unerfüllten Kinderwunsch.
Goldene Zeiten also?
Für den Hersteller des ERA-Tests auf jeden Fall. So plausibel all die Ideen waren, die zu diesem Test führten, so mussten sie sich doch in der Praxis erst einmal bewähren. Und hier kommen in der Medizin üblicherweise Studien zum Einsatz, welche die Wirkung einer Maßnahme überprüfen. Nun gibt es zum Thema ERA-Test reichlich Studien mit unterschiedlichen Ergebnissen. Und wie immer, wenn es viele Studien zu einem Thema gibt, dann werden sogenannte „Metaanalysen“ durchgeführt, in dem die Ergebnisse mehrerer Studien zusammengeführt werden, um die Wirkung einer medizinischen Methode zu belegen.
Studien zum ERA-Test
Aber auch die bislang durchgeführten Sammelstudien (Metaanalysen) können nur so gut sein, wie die Studien, die sie zusammenfassen. Und es gibt viele Studien zum ERA-Test, die schlecht gemacht und wenig aussagefähig sind. In keiner dieser Studien wurde untersucht, ob der Standard-Transfer außerhalb des vom ERA-Test festgelegten Einnistungsfenster tatsächlich eine schlechtere Schwangerschaftsrate bei IVF und ICSI zur Folge hat im Vergleich zum individualisierten optimal abgestimmten Transfer nach ERA-Test. Es scheint jedoch nicht so zu sein.
Bislang einzige kontrollierte Studie zeigt schlechtere Ergebnisse nach ERA-Test
Eine aktuelle Bewertung2 der bislang durchgeführten Studien zeigte vor allem, dass eine Kontrollgruppe fehlte. Nur in einer kürzlich publizierten Studie3 wurden 3 Gruppen unterschieden. Bei allen Paare wurde der ERA-Test durchgeführt, in der Hälfte erfolgte der Transfer dann nach Standard-Timing und in der anderen Hälfte gemäß den Vorgaben des ERA-Tests. Bei der Gruppe, deren Transfer nach Standard durchgeführt wurde, waren einige im (gemäß ERA) richtigen Implantationsfenster und einige außerhalb dieses fraglich optimalen Einnistungsfensters. Es gab also drei Gruppen:
- Transfer nach Standardtiming und (zufällig) auch passend zum ERA-Testergebnis.
- Transfer nach Standardtiming und (zufällig) außerhalb des besten Zeitfensters gemäß ERA-Test.
- Transfer nach individualisiertem Timing durch den ERA-Test.
Heraus kam das hier:
Tatsächlich zeigte sich, dass die Ergebnisse in der Kontrollgruppe (Standardtiming des Transfers) signifikant besser waren als die Ergebnisse nach Anpassung durch den ERA-Test. Und es war dabei völlig egal, ob das durch den ERA vorgegebene Implantationsfenster getroffen wurde oder nicht.
Es scheint sogar so zu sein, dass die Anpassung des Zeitpunkts des Embryotransfers an das sogenannte Implantationsfester die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit nicht nur NICHT verbessert sondern evtl. sogar verschlechtert.
Da wird ein Test nun 10 Jahre lang verwendet und von den Patient*innen auch nicht schlecht bezahlt ohne echten Nachweis seiner Wirksamkeit. Natürlich war die Idee gut und überzeugend. Aber das darf ja nicht dazu führen, dass man sich nicht die Mühe macht, herauszufinden, ob die Erwartungen überhaupt gehalten werden können.
Wieviel kostet der Test?
Da der Test nun möglicherweise mehr schadet als nutzt, stellt sich noch mehr die Frage nach den Kosten. Der ERA-Test ist keine Kassenleistung. Die Probenentnahme und die Untersuchung schlagen mit knapp 1.000 Euro zu Buche.
Alternativen und Ausblick?
Auch wenn die Ergebnisse mit den gebräuchlichen Tests dieser Art enttäuschend sind, die grundsätzliche Idee ist ja nicht schlecht und so wird auf dem Gebiet weiterhin geforscht. Manches davon mag sich in Zukunft noch als nützlich erweisen. So zum Beispiel eine kürzlich in NATURE publizierte Methode, von der man sich eine genauere Aussage zum Implanationsfenster erhofft4.
Zusammenfassung
Noch Fragen?
Dann haben Sie in unserem Kinderwunschforum die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen oder Fragen an unsere Experten zu richten. Und hier finden Sie die Übersicht über die andere Foren von wunschkinder.de. Die am häufigsten gestellten Fragen haben wir nach Themen geordnet in unseren FAQ gesammelt.
Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
Literatur
- Miravet-Valenciano, J. A., Rincon-Bertolin, A., Vilella, F., & Simon, C. (2015). Understanding and improving endometrial receptivity. Current Opinion in Obstetrics and Gynecology, 27(3), 187-192
- Richter, K. S., & Richter, M. L. (2023). Personalized embryo transfer reduces success rates because endometrial receptivity analysis fails to accurately identify the window of implantation. Human Reproduction, dead083.
- Doyle, N., Jahandideh, S., Hill, M. J., Widra, E. A., Levy, M., & Devine, K. (2022). Effect of timing by endometrial receptivity testing vs standard timing of frozen embryo transfer on live birth in patients undergoing in vitro fertilization: a randomized clinical trial. Jama, 328(21), 2117-2125.
- Meltsov, A., Saare, M., Teder, H., Paluoja, P., Arffman, R., Piltonen, T., … & Krjutškov, K. (2022). Targeted gene expression profiling for accurate endometrial receptivity testing. medRxiv, 2022-06.