Blastozysten-Transfer
Prinzip des Blastozystentransfers
Während üblicherweise bei der IVF und ICSI der Transfer der Embryonen am 2. oder dritten Tag nach der Eizellentnahme erfolgt, werden die Embryonen beim sogenannten Blastozystentransfer 5 Tage lang kultiviert, um das Blastozystenstadium der embryonalen Entwicklung zu erreichen. Durch die längere Kultur erfolgt der Transfer zu dem Zeitpunkt, an dem die Embryonen auch üblicherweise die Gebärmutter erreichen und sich einnisten.
Man erhofft sich dadurch, eine bessere Auswahl vitaler und einnistungsfähiger Embryonen erreichen zu können, da das Blastozystenstadium nicht von allen Embryonen erreicht wird und man annimmt, dass nur die besten sich so lange ungestört entwickeln und somit auch nur jene mit dem besten Einnistungspotential.
Entgegen oftmals anderslautender Meinungen ist der Blastozystentransfer auch in Deutschland erlaubt.
Vorgehensweise
Die Kulturbedingungen des Embryos sind heute standardisiert. Es gibt verschiedene Kulturmedien, mit denen versucht wird, die natürliche Umgebung des Embryos bei seiner Wanderung durch den Eileiter nachzuahmen. Dazu ist ab dem dritten Tag nach der Punktion ein Umsetzen der Embryonen in ein spezielles Medium mit einer anderen Zusammensetzung notwendig. Neben diesen Standardmedien sind in manchen Labors auch andere Techniken in Erprobung oder bereits etabliert und haben möglicherweise auch Vorteile (sequenzielle Medien).
Ergebnisse
Das Problem bei einem Transfer am 5. Tag nach der Punktion ist, dass möglicherweise keiner der erzeugten Embryonen die lange Kultur überlebt. Man kann davon ausgehen, dass ca. 50% der kultivierten Embryonen am 5. Tag nach der Punktion noch vital sind. Um sicher zu gehen, dass Embryonen zu Transfer vorhanden sind, muss die Zahl der gewonnenen Eizellen relativ hoch sein. Während bei ausreichender Eizellzahl in den unterschiedlichen Studien die Transferrate bis zu 92% betrug, sind bei einer Eizellzahl < 6 nur 42-64% der Zyklen mit einem Transfer abzuschließen. Diese Zahl liegt bei dem Transfer am 3. Tag nach der Punktion durchweg um 20-30% höher.
Dies soll ausgeglichen werden durch eine verbesserte Einnistung des einzelnen Embryos beim Blastozystentransfer. Während diese beim Tag-3-Transfer mit 18-21% angegeben werden, liegt diese bei den unten genannten Studien bei 24-26%. In einer Studie (Milki et al.) jedoch deutlich höher mit 47%, wobei sich hier Zahl der transferierten Embryonen sowie der Mehrlingsschwangerschaften von den anderen genannten Untersuchungen abhob.
Im Hinblick auf die Schwangerschaftsraten muss man sogenannte retrospektive von prospektiven und kontrollierten Studien unterscheiden. Erstere sind reine Nachbeobachtungen, während letztere bei ausreichend großer Patientenzahl eine echte Unterscheidung der Wirkung einer Methode zulassen. Während bei retrospektiven Untersuchungen mit jungen Patientinnen Erfolgsraten von 80% genannt werden, kommen prospektive und kontrollierte Studien zu anderen Ergebnissen. Hier konnten keine signifikanten Unterschiede bezüglich Schwangerschaftsrate, Lebendgeburtrate oder Implantationsrate pro Embryo gefunden werden. Eine sytematische Auswertung dieser prospektiven Untersuchungen ( Cochrane Database Blake et al.) bestätigte dies.
Auch die Annahme, dass speziell bei älteren Patientinnen die Problematik des beeinträchtigten Erbguts der Eizellen weniger zum Tragen kommt, konnte nicht in dem erwarteten Umfang bestätigt werden. Bei Patientinnen >35 Jahren betrug der Anteil genetisch auffälliger Embryonen am 3. Tag 60%, am 5. Tag jedoch immer noch 40%.
Ein weiterer gelegentlich genannter Vorteil könnte eine geringere Eileiterschwangerschaftsrate sein. Zum einen aufgrund der schnelleren Einnistung nach dem Transfer und zum anderen aufgrund der Größe der Blastozyste, die nicht in mehr in den Eileiter „passt“. Dazu gibt es eine (retrospektive) Studie, die das Auftreten von Eileiterschwangerschaften nach Transfers am Tag 3 und 5 nach der Punktion anhand einer großen Fallzahl miteinander verglich (Milki et al.; 2003): Hier wurden 623 Schwangerschaften, die nach einem Transfer am 3. Tag nach der Punktion stattfanden mit 333 Schwangerschaften verglichen, die nach einem Blastozystentransfer auftraten. Nach Transfer am dritten Tag wurden 22 Eileiterschwangerschaften festgestellt (=3,5%) und nach Transfer am 5. Tag 13 (=3,9%). Ein statistisch signifikanter Unterschied ergab sich dadurch nicht.
Möglicherweise lassen sich jedoch höhere Implantationsraten durch selektive Verwendung von sequenziellen Medien erzielen, wobei es auch hier unterschiedliche Ergbnisse gibt (Emiliani et al.). Die höhere Abbruchrate von Behandlungszyklen mit Blastozystentransfer sowie schlechtere Ergebnisse nach Kryokonservierung führten jedoch dazu, den Blastozystentransfer nicht als überlegen zu empfehlen.
Risiken
Es ist nach wie vor ungeklärt, welchen Einfluss die (verlängerte) Embryonenkultur auf die kindliche Entwicklung hat. Die frühen Teilungsstadien des Embryos sind ein hoch komplexes System, der Einfluss einer Embryokultur ist beim Blastozystentransfer ebenso wie bei der konventionellen IVF noch nicht abschließend geklärt. Mit den väterlichen und mütterlichen Chromosomen werden alle Gene doppelt vererbt, aber nur eines wird benötigt, das andere wird „abgeschaltet“. Das „imprinting“ legt fest, ob das von der Mutter oder das vom Vater geerbte Gen aktiviert wird. Begünstigt durch die Reagenzglasbefruchtung soll es zu Defekten kommen, bei dem in Einzelfällen beide elterlichen Gene aktiviert werden.
Die Rate eineiiger Zwillinge nach Blastozystentransfer wird in retrospektiven Studien mit 4,3 % höher angegeben als nach frühem Transfer und wird in der Kombination mit der Eröffnung der Eizellhülle bei der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion auf mehr als 5 Prozent erhöht. Prospektive Studien, die diesen Zusammenhang beweisen könnten, stehen aus.
Die höhere Zahl der Eizellen, die für den Blastozystentransfer notwendig ist, erhöht die Risiken für ein Überstimulationssyndrom.
Milki AA, Jun SH
Ectopic pregnancy rates with day 3 versus day 5 embryo transfer: a retrospective analysis.
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Emiliani S.,Delbaere A., Vannin A-S, Biramane J., Verdoodt M., Englert Y., Devreker F.
Similar delivery rates in a selected group of patients, for day 2 and day 5 embryos both cultured in sequential medium: a randomized study
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Blake D, Proctor M, Johnson N, Olive D.
Cleavage stage versus blastocyst stage embryo transfer in assisted conception.
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Coskun S, Hollanders J, Al-Hassan S, Al-Sufyan H, Al-Mayman H, Jaroudi K.
Day 5 versus day 3 embryo transfer: a controlled randomized trial.
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Plachot M, Belaisch-Allart J, Mayenga JM, Chouraqui A, Serkine AM, Tesquier L.
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Milki AA, Hinckley MD, Fisch JD, Dasig D, Behr B.
Comparison of blastocyst transfer with day 3 embryo transfer in similar patient populations.
Fertil Steril 2000 Jan;73(1):126-9
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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.