Warum macht man eigentlich nicht immer eine ICSI?
Der Unterschied zwischen IVF und ICSI sind auf den ersten Blick minimal: Es werden Hormone gegeben, die Eizellen entnommen, die Eizellen befruchtet und zum Embryo kultiviert und schließlich wieder in die Gebärmutter „eingepflanzt“. Der einzige Unterschied erscheint marginal: Bei der „konventionellen IVF“ werden die Spermien und die Eizellen nur in der Petrischale zusammengebracht, die eigentliche Befruchtung erfolgt letztlich auf normalem Wege nach Kontaktaufnahme zwischen den Gameten (=Eizelle und Samenzellen). Daher ist der Begriff „künstliche Befruchtung in diesem Fall auch nicht zutreffend. Die Befruchtung der Eizelle geschieht auf natürlichem Weg, nur der Ort der Fertilisation ist künstlich (Petrischale). Dem gegenüber werden bei der ICSI einzelne Spermatozoen direkt in die Eizelle eingespritzt (Intracytoplasmatische Spermieninjektion) – die Befruchtung wird also tatsächlich künstlich unterstützt.
Die Risiken der ICSI sind durch Langzeitnachbeobachtungen gut erfasst und erhöhte Fehlbildungsraten sind nicht auf die Methode, sondern auf die elterlichen Voraussetzungen zurückzuführen, die diese in die Therapie mit einbringen. Warum also sollte man dann überhaupt noch eine IVF durchführen und nicht immer gleich eine ICSI?
Die Frage stellt sich, aber die Antwort auf eine andere Frage ist zunächst wichtig:
Sind die Erfolgsraten mit der ICSI besser als mit der IVF?
Denn wenn sich kein Vorteil daraus ergibt, die ICSI auch bei normalen Spermiogrammbefunden durchzuführen, dann wäre der zusätzliche Aufwand nicht zu rechtfertigen. Also sollte die ICSI zu besseren Resultaten führen, wenn keine Indikation für diese spezielle Technik besteht. Am eindeutigsten ist dies bei Paaren, die sich einer IVF-Behandlung unterziehen aufgrund einer Sterilisation der Frau in der Vorgeschichte und normalem Spermiogramm des Partners. Hier kann man zu Recht davon ausgehen, dass bei beiden Partnern – bis auf die verschlossenen Eileiter – keine Einschränkungen der Fruchtbarkeit besteht.
Eine Studie basierend auf den Ergebnissen von 8102 Zyklen („frische Zyklen“. erste Zyklen, fertiler Partner, Frau mit verschlossenen Eileitern) aus der landesweiten Statistik der USA aus den Jahren 2004 bis 2012 widmetes sich dieser Fragestellung. In dieser retrospektiven Untersuchung mussten knapp 1000 Behandlungzyklen wegen unzureichender Datenlage aussortiert werden. In den verbleibenden wurde in 3956 Zyklen eine IVF durchgeführt und in weiteren 3189 eine ICSI.
Befruchtung mit ICSI besser, nicht jedoch der weitere Verlauf
Nicht wirklich überraschend war der Fakt, dass der Anteil befruchteter Eizellen bei der ICSI (57,5%) höher war als bei der konventionellen IVF mit 49,1%. Statistisch signifikant war dieser Unterschied jedoch nicht. Im weiteren Verlauf zeigte sich eine signifikant bessere Schwangerschaftsrate (klinische Schwangerschaften) und auch die Zahl der Lebendgeburten war um ein Viertel höher als bei den ICSI-Zyklen.
Bei einer retrospektiven Studie lassen sich naturgemäß Einflussfaktoren nicht ausschließen, die sich der statistischen Erfassung entziehen. Es mag sein, dass bestimmte Faktoren (niedrige Eizellzahl, Rauchen, Übergewicht etc.) die behandelnden Ärzte eher dazu bewegten, vorsichtshalber eine ICSI durchzuführen. Dennoch kann die Aussage der Studie – die Erfolgsraten nach ICSI sind nicht besser als nach IVF, wenn die Spermienqualität in Ordnung ist – durchaus als hinlänglich belegt gelten. Allerdings nur für den Fall, dass keine anderen als eileiterbedingte Sterilitätsursachen vorhanden sind.
Bei Paaren mit einer idiopathischen Sterilität (ohne nachweisbaren Grund) gilt dies zum Beispiel schon nicht mehr uneingeschränkt, da hier gelegentlich trotz schöner Eizellen und guter Spermien die Befruchtung ausbleibt und eine ICSI notwendig macht. Dennoch kann man zusammenfassend sagen, dass die Schwangerschaftsraten nach ICSI nicht besser sind als nach einer IVF. Und diese Erkenntnis ist nicht ganz unwichtig, denn der (unberechtigte) Hinweis auf möglicherweise bessere Erfolgsraten lässt in Deutschland die Zahl der ICSI beständig steigen, aktuell auf ca. 75% aller durchgeführten extrakorporalen Behandlungszyklen.
Foto von ZEISS Microscopy
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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
Ivf oder icsi, das ist hier die Frage
Ich hab ein Ivf- Baby
Ich korrigiere: baby im weitesten sinne.er ist sechs
mehr ICSIs weil teurer als IVF
@ Melanie: es ist zwar teurer, aber der Unterschied ist in Deutschland – bei gesetzlich versicherten Paaren – unerheblich.
[…] Diese Entwicklung führte letztlich sogar zur Frage, warum man eigentlich nicht immer eine ICSI durchführt. Die kürzlich gegebene Antwort war einfach: Weil es keine Vorteile hat. Die Schwangerschaftsraten mit ICSI sind bei der künstlichen Befruchtung nicht höher. […]