Timelapse: Embryonen im Zeitraffer
Verbessert die Beurteilung von Embryonen mit Timelapse die Erfolge bei der künstlichen Befruchtung?
Verbessert die Beurteilung von Embryonen mit Timelapse die Erfolge bei der künstlichen Befruchtung? Die kontinuierliche Beurteilung der Embryonen hat möglicherweise Vorteile und verbessert die Auswahlmöglichkeit.
Den einen Embryo zu finden, der das größte Potenzial hat, sich nach dem Einsetzen in die Gebärmutter einzunisten und zu einer gesunden Schwangerschaft zu führen, ist das Ziel vieler Auswahlverfahren im IVF-Labor. Eines der neueren ist die kontinuierliche Beurteilung der Embryonen während ihres gesamten Aufenthalts im IVF-Labor.
Wie läuft die konventionelle Begutachtung der Embryonalentwicklung im Labor ab?
Die erste Begutachtung: Reifegrad der Eizellen
Üblicherweise werden bei der IVF die Eizellen in den sie umgebenden Ernährungszellen (Granulosazellen) belassen und die Spermien dann hinzugefügt. Bei der ICSI erfolgt noch am Tage der der Eizellentnahme die Injektion einzelner Spermien in die Eizelle. In beiden Fällen findet dann über Nacht die Befruchtung statt.
Die erste Beurteilung erfolgt also am Tag der Punktion, an dem sich durch Polkörperchen bereits sagen lässt, ob eine Eizelle reif ist oder nicht. Was dann über Nacht mit Spermien und Eizellen passiert, bleibt unerkannt im Dunkel des Brutschranks.
Die zweite Beurteilung: Befruchtung
Am nächsten Tag (Punktion +1) erfolgt dann die zweite Beurteilung. Hier geht es vor allem darum, festzustellen, ob die Befruchtung stattgefunden hat. Das lässt sich an den beiden Vorkernen in der befruchteten Eizelle erkennen. Jede dieser Vorkerne enthält einen halben Chromosomensatz (jeweils väterlich und mütterlich) und verschmilzt im weiteren Verlauf des Tages zum ersten Zellkern. Stellen sich die Vorkerne etwas früher oder später dar, dann ist es durchaus möglich, diesen Zeitpunkt zu verpassen, wenn man sich die Embryonen nur einmal anschaut.
Die dritte Begutachtung: Erste Zellteilungen
In der Folge kommt es dann zu ersten Zellteilungen, meist befindet sich der Embryo zwei Tage nach der Punktion im Vierzellstadium (± 2 Zellen). Hier lässt sich dann erstmal etwas über die Qualität der Embryonen sagen. Wie diese Qualität in diesem Stadium der Entwicklung beurteilt wird, ist hier gesondert zusammengefasst. Oft erfolgt der Transfer der Embryonen in die Gebärmutter dann noch einen Tag später. Dann kann eine erneute Untersuchung unter dem Mikroskop Aufschluss über die Entwicklung der Embryos geben.
Wird ein sogenannter Blastozystentransfer durchgeführt, erfolgt also der Transfer 5 Tage nach der Entnahme der Eizellen kann ebenfalls ein sogenanntes Grading der Blastozysten erfolgen, also eine Beurteilung nach bestimmten Vorgaben.
Und wie funktioniert das Timelapse?
Sie haben also sehen können, dass man die Entwicklung der Eizellen lediglich sporadisch beurteilt und alle Entwicklungsschritte, die dazwischen liegen „im Dunkel“ des Brutschranks verbleiben. Bei Timelapse oder Embryoscope wird von jedem Embryo in der Kultur alle 5 Minuten ein Bild gemacht. Man muss sich das Resultat wie ein „Daumenkino“ vorstellen, also eine kontinuierliche Darstellung der Entwicklung im Zeitraffer. Ein großer Vorteil ist dass der Embryo während dieses gesamten Beobachtungszeitraums nie aus dem Brutschrank geholt werden muss und stets unter optimale Bedingungen bleibt.
Wie wird der Timelapse-Film ausgewertet?
Der Film als solcher, also die „Rohdaten“ sind bereits oft schon recht aufschlussreich. Da nicht unbedingt die Embryonen, die am dritten Tag am besten aussehen, dies auch durchgehend taten. Die meisten Systeme werden jedoch mit Rechenmodellen, sogenannten Algorithmen unterstützt, die bei der Auswertung helfen. Wichtige Entwicklungschritte können dann für jeden Embryo gesondert dokumentiert werden und vor allem, ob sie zeitgerecht erfolgen. Die Idee ist also – wie schon viele zuvor – prima. Es gibt allerdings noch Einschränkungen.
Zur Entwicklung solcher Algorithmen braucht man jedoch vor allem eines: Viele Daten aus vielen Zyklen. Und die Methode ist noch nicht so alt und etabliert, als dass diese Rechenmodelle schon zuverlässig wären.
Vorteile des Timelapse
Es gibt also eine gute Idee und einen Vorteil mit Sicherheit: Der Embryo wird nur so oft aus dem Brutschrank genommen, wie maximal notwendig. Wenn das jedoch alles ist, wäre es in Anbetracht der oft aufgerufenen Preise zu wenig. Was auch belegt ist: Die Methode ist sicher. Denn auch wenn eine Methode noch so überzeugend klingt, man muss immer erst einmal sicherstellen, dass sie nicht schlechter als das Althergebrachte ist.
Man hofft, durch die Algorithmen und durch Beobachtung bestimmter wichtiger Entwicklungschritte, die Einnistungsfähigkeit, die genetische Intaktheit und die Fähigkeit, sich bis zur Blastozysten zu entwickeln, beurteilen und vorhersagen zu können. Trotz einzelner interessanter Studien zu diesen Themen und auch anerkennenswerten Fortschritten hat man diese Ziele nicht wirklich erreicht.
Studien belegen die Vorteile noch nicht
Und wenn man vor allem das Ziel einer künstlichen Befruchtung – die Geburt eines gesunden Kindes – als Ziel einer Behandlung sieht, dann kamen die Autoren der Studien der letzten Jahre zu eher zurückhaltenden Ergebnissen. So das übliche: Könnte etwas bringen, ist aber aktuell noch nicht statistisch signifikant belegbar und es benötigt noch weitere Studien mit mehr Patienten, um wirklich den Nachweis zu erbringen, dass die Timelapse-Methode Vorteile bietet1, 2.
Und in der Cochrane Database findet sich in diesem Jahr auch eine Übersichtsarbeit dazu: Sie bestätigt auf der Basis von 8 Studien und mehr als 2.300 Patientinnen, dass die Methode sicher ist und auch positive Trends zeigt, aber keinen Beleg für die Verbesserung der Erfolgsraten im Sinne von mehr Lebend- und weniger Fehlgeburten.
Fazit
Timelapse ist eine sehr interessantes Projekt, dessen Nutzen aber erst einmal in größeren Studien nachgewiesen und belegt werden muss. Nachteile sind jedoch sicher nicht zu erwarten (von den finanziellen mal abgesehen) und die ungestörte Embryonenkultur könnten ach schon aktuell ein Vorteil gegenüber der konventionellen Kultur sein.
Noch Fragen?
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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
Literatur
- Peter Kovacs
Embryo selection: the role of time-lapse monitoring
Reprod Biol Endocrinol. 2014; 12: 124 - Minghao Chen, Shiyou Wei, Junyan Hu, Jing Yuan, Fenghua Liu
Does time-lapse imaging have favorable results for embryo incubation and selection compared with conventional methods in clinical in vitro fertilization? A meta-analysis and systematic review of randomized controlled trials
PLoS One. 2017; 12(6): e0178720. Published online 2017 Jun 1. doi: 10.1371/journal.pone.0178720
Vielen Dank für den Artikel!
Eine laienhafte Nachfrage: Ist das ähnlich wie das in Tschechien genutzte Embryoscope?
Liebe Grüße sanogo
Ob das Embryoscope in Tschechien auch verwendet wird, weiß ich nicht, aber vermutlich auch dort, so wie im Rest Europas und der Welt 😉
Es ist eine der Firmen, die diese Methode in den letzten Jahren auf den Markt gebracht haben.
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