Sport und Kinderwunsch: Passt das zusammen?

Sollte man Sport machen, wenn man schwanger werden möchte?

Wenn man bereits lange und vergeblich probiert, schwanger zu werden, dann wird dem Wunsch nach einem Kind Vieles untergeordnet. Sich gesund zu ernähren, möglichst stressfrei zu leben und sich körperlich nicht zu sehr zu beanspruchen, sind oft gehörte Ratschläge. Sind Sport und Kinderwunsch aber tatsächlich nicht vereinbar? Muss man sich in Watte packen, um schwanger zu werden?

In der Schwangerschaft ist Sport kein Problem

In den Zeiten von Instagram und anderen Social media Kanälen sollte es inzwischen jeder mitbekommen haben: Nichts ist wichtiger als der perfekte „Afterbaby-Body“ und ein Sixpack eine Woche nach der Entbindung.

Wem das wirklich so extrem wichtig ist, verdient mein Mitleid. Aber ganz grundsätzlich spricht nichts dagegen, auch in der Schwangerschaft abzunehmen. Es ist allerdings  eher etwas für Frauen ist, die mit Übergewicht in die Schwangerschaft starten. Aber wie ist es vor der Schwangerschaft?

Und Sport und Kinderwunsch? Spricht etwas dagegen?

Es spricht oft eher sogar etwas dafür. Insbesondere, wenn die Schwangerschaft wegen hormoneller Störungen ausbleibt, so zum Beispiel bei einem PCO-Syndrom, ist Abnehmen und Sport zu treiben oft eine wichtige Ergänzung der Behandlung. Dies ist in vielen Studien belegt, wie zum Beispiel hier.

Bei einer IVF geht die Empfehlung auch eher in diese Richtung. Die meisten Studien belegen einen positiven Einfluss auf die Schwangerschaftsrate, wenn regelmäßig Sport getrieben wird, wobei es auch Studien mit anderen Ergebnissen gibt, die eher zu weniger Sport raten. Zum Thema „schwer heben nach IVF-Transfer“ gibt es hier bereits einen kleinen Aufsatz von mir.

Sport, Frau

„Young woman weight training“ von Richard foster
Bei hormonellen Störungen ist es also anzuraten, Sport zu treiben und auch bei der künstlichen Befruchtung ist körperliche Betätigung von Vorteil.

Es spricht sogar vieles dafür

Auch unabhängig von hormonellen Störungen und Übergewicht spricht vieles eher dafür, bei der Planung einer Schwangerschaft auf Sport nicht zu verzichten. Über Ausnahmen, die die Regel bestätigen wird weiter unten im Text berichtet. Es scheint also eher Vorteile zu haben, wenn man Sport treibt. Eine kürzlich erschienene Übersichtsarbeit fasst die Ergebnisse verschiedener Studien zu diesem Thema zusammen1 Hier kommen die Autoren zu dem Schluss, dass körperliche Aktivität bei Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch hilfreich ist. In vielen Fällen ist Sport sogar in der Lage, einfache medikamentöse Maßnahmen zur Behandlung der Kinderlosigkeit zu ersetzen. Mit anderen Worten: Sport ist genauso gut oder sogar besser also Clomifen.

Sport und Kinderwunsch: was muss man beachten?

Im Zweifel sollte man es natürlich immer mit seinem behandelnden Arzt besprechen. Es gibt aber einige grundsätzliche Erwägungen, die man berücksichtigen sollte:

Treiben Sie bereits regelmäßig Sport?

Ein gesunder Lebensstil ist in vielerlei Hinsicht hilfreich, so auch, wenn man schwanger werden möchte. Und neben einer ausgewogenen Ernährung gehört dazu auch die regelmäßige sportliche Betätigung.

Haben Sie einen regelmäßigen Zyklus und treiben bereits regelmäßig Sport, dann machen Sie damit weiter. Ansonsten ziehen Sie in Erwägung, damit zu beginnen

Sport und Kinderwunsch passt also zusammen, aber welche Sportart und wie viel sollte es sein? Zuviel ist auch nicht gut (siehe auch weiter unten), aber „viel“ ist individuell unterschiedlich. Manch einer verträgt mehr körperliche Belastung, andere weniger. Zu bevorzugen sind Ausdauersportarten, die mit unterschiedlicher Intensität ausgeübt werden können und mit denen eine individuell angepasste schrittweise Erhöhung der Belastung am einfachsten möglich ist. Wenn man erst beginnt, ist von Hochintensivem Intervalltraining (HIIT) zunächst eher abzuraten.

Wichtig ist, dass man sich etwas aussucht, was einem auch regelmäßig Spaß macht. Und dass man sich die Zeit dafür frei nimmt.

Denn nur, wenn es Spaß macht, werden Sie es regelmäßig betreiben. Also lieber Pilates zweimal die Woche, als nur alle 2 Monate joggen zu gehen.

Das ist nicht Ihr Problem? Sie treiben sehr intensiv Sport?

Genau, Sport ist gesund, man kann gar nicht genug machen. Aber wenn Sie es schwierig finden, der körperlichen Betätigung nicht alles unterzuordnen und auch die Ernährung einseitig zu werden beginnt, weil man schließlich auch sehen soll, dass Sie Sport treiben: Dann könnte das ein Problem sein oder werden.

Insbesondere bei Frauen, die sehr intensiv Ausdauersport betreiben, kann die Situation eintreten, dass der Körper dies als Notfallssituation missinterpretiert. „Die läuft hier jeden Tag zig Kilometer und unsere Fettreserven sind aufgebraucht“, denkt sich dann die Hirnanhangsdrüse und vermutet eine dramatische Hungersnot und schaltet auf Sparflamme um.

Die Hirnanhangsdrüse schaltet auf „Hungermodus“

Sobald der Körper über Gebühr belastet ist und die Versorgung mit Kalorien zu gering, fallen bestimmte Funktionen des Hormonhaushalts aus. Und die Produktion von FSH und LH, den Hormonen zur Kontrolle der Eierstocksfunktion stehen da auf der Liste ganz weit oben.

Sie treiben sehr viel Sport und die Blutung ist seitdem ausgeblieben: Sie sollten die Belastung reduzieren und evtl. das Kalorienzählen weniger intensiv betreiben.

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass es auch sportliche und schlanke Frauen mit einem PCO-Syndrom gibt, die deswegen und nicht wegen ihrer körperlichen Aktivität keinen regelmäßigen Zyklus haben.

pilates sport kinderwunsch
In der Ruhe liegt die Kraft. Wer sagt, Pilates sei kein Sport, hat keine Ahnung 😉 Foto von Robert Bejil Productions

Und was ist mit Sport bei künstlicher Befruchtung?

Sport ist also auch bei Kinderwunsch anzuraten und meist eher hilfreich. Ist das bei der künstlichen Befruchtung auch der Fall? Vor der Behandlung ist regelmäßiger Sport sinnvoll und kann die Ergebnisse der Behandlung verbessern helfen2. Aber bei jeder IVF kommt der Punkt, ab dem man kürzer treten sollte und auch vermutlich möchte. Nein, nicht, weil sonst nach dem Transfer die Embryonen aus der Gebärmutter fallen. Das tun sie nämlich nicht. Und es ist auch belegt, dass Liegenbleiben nach dem Transfer die Schwangerschaftsraten eher nicht verbessert.

Das Problem sind die Eierstöcke, die auf das Mehrfache ihres normalen Volumens vergrößert sind und bei Bewegung schmerzen können. Auch das Drücken und Ziehen am Bauchfell kann schmerzhaft sein. Der Flüssigkeitshaushalt verschiebt sich bei einer leichten Überstimulation und der Kreislauf macht dann nicht mehr alles problemlos mit.

Studien zu Sport nach IVF und Embryotransfer

In unserer großen Übersicht „Verhalten nach Transfer“ findet sich eine Übersicht zu aktuellen Studien, die hier auch noch einmal aufgegriffen werden sollen. Bereits vor mehr als 10 Jahren hatte ich hier über eine Studie berichtet3, die den Einfluss sportlicher Aktivität auf den Ausgang einer In Vitro Fertilisation kritisch beurteilt, da mehr Fehlgeburten bei den körperlich aktiven Frauen gefunden wurden. Dies konnte in vier weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen jedoch nicht bestätigt werden. Hier fand für Sport nach Transfer keine negativen – zum Teil sogar eine positive – Auswirkung auf die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit. Jedoch gibt es keine Studien, die eine zuverlässige Einschätzung des Effekts intensiver sportlicher Tätigkeit ermöglichen würde.

Die Studien im Einzelnen

  • Morris et al. befragten 2232 IVF-Patientinnen zu ihrer sportlichen Aktivität vor und während einer IVF-Behandlung4. Frauen, die regelmäßig Sport trieben, hatten eine höhere Lebendgeburtenrate nach IVF. Jedoch war dieser Effekt „dosisabhängig“. Wurde mehr als 4 Stunden pro Woche über mehr als ein Jahr Sport getrieben, ergab sich eine um 40% geringere Wahrscheinlichkeit für eine Lebendgeburt, vor allem durch ein erhöhtes Risiko für eine Fehlgeburt. Vor allem Ausdauertraining schien hier den negativen Effekt zu verursachen.
  • In einer etwas älteren Studie5 wurden die Frauen zum Zeitpunkt des Transfers und des Schwangerschaftstest zu ihrer körperlichen Belastung befragt. Viele schränkten ihre sportlichen Aktivität ein – bis hin zur Vermeidung von Treppensteigen – andere belasteten sich normal. Unterschiede in der Schwangerschaftsrate fanden sich jedoch nicht.
  • Eine aktuellere Studie6 verwendete einen standardisierten Fragebogen, um das Verhalten nach Transfer abzufragen. Die Frauen sollten sich bezüglich des ausgeübten Sports in drei Gruppen einteilen. Wobei sich schon mal ein Problem ergab: Alle Frauen reduzierten ihre Aktivitäten. Keine der 131 befragten Frauen hatte belastete sich stark. Sie schonten sich entweder oder trieben nur Sport mit moderater Belastung. Letztere hatten eine statistisch signifikante, erhöhte Lebendgeburtenrate von 47,6% gegenüber 22,1% ohne Belastung.
  • Die gleiche Untersuchung kommt ein paar Jahre zu den gleichen Ergebnissen7. Auch hier werden die sportlichen Aktivitäten abgefragt und auch hier agieren die Frauen eher vorsichtig, so dass der Einfluss intensiven körperlichen Trainings auf die IVF nicht bewertet werden kann. Schlicht, weil es niemand machte. Leichte körperliche Aktivität schadete jedoch nicht im Vergleich zur völligen Vermeidung derselben.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Sport und Kinderwunsch sehr gut zusammenpassen. Die Fruchtbarkeit steigt mit der körperlichen Aktivität. Der Einfluss von Sport auf die künstliche Befruchtung bleibt jedoch unklar , insbesondere bei hoher körperlicher Belastung. Jedoch scheint eine moderate sportliche Betätigung nach dem Embryotransfer kein Nachteil zu sein, evtl. sogar vorteilhaft. Wenn man durch eine Kinderwunschbehandlung in seinem Befinden beeinträchtigt ist, sollte man darauf reagieren und seine sportlichen Aktivitäten reduzieren oder ändern (siehe oben: Pilates statt Joggen, Schwimmen statt Tennisspielen). 

Noch Fragen?

Dann haben Sie in unserem Kinderwunschforum die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen oder Fragen an unsere Experten zu richten. Und hier finden Sie die Übersicht über die andere Foren von wunschkinder.de. Die am häufigsten gestellten Fragen haben wir nach Themen geordnet in unseren FAQ gesammelt.

Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
 

Literatur

  1. Mena, G. P., Mielke, G. I., & Brown, W. J. (2019). The effect of physical activity on reproductive health outcomes in young women: a systematic review and meta-analysis. Human Reproduction Update.
  2. Sõritsa, D., Mäestu, E., Nuut, M., Mäestu, J., Migueles, J. H., Läänelaid, S., … & Altmäe, S. (2020). Maternal physical activity and sedentary behaviour before and during in vitro fertilization treatment: a longitudinal study exploring the associations with controlled ovarian stimulation and pregnancy outcomes. Journal of Assisted Reproduction and Genetics37(8), 1869-1881.
  3. Stephanie N. Morris, Stacey A. Missmer, Daniel W. Cramer, R. Douglas Powers, Patricia M. McShane, Mark D. Hornstein
    Effects of Lifetime Exercise on the Outcome of In Vitro Fertilization
    Obstetrics & Gynecology 2006;108:938-945
  4. Morris SN, Missmer SA, Cramer DW, Powers RD, McShane PM, Hornstein MD
    Effects of lifetime exercise on the outcome of in vitro fertilization.
    Obstet Gynecol. 2006 Oct;108(4):938-45
  5. Su TJ, Chen YC, Hung YT, Yang YS
    Comparative study of daily activities of pregnant and non-pregnant women after in vitro fertilization and embryo transfer.
    J Formos Med Assoc. 2001 Apr;100(4):262-8
  6. Kucuk M, Doymaz F, Urman B.
    Effect of energy expenditure and physical activity on the outcomes of assisted reproduction treatment.
    Reprod Biomed Online. 2010 Feb;20(2):274-9
  7. Evenson KR, Calhoun KC, Herring AH, Pritchard D, Wen F, Steiner AZ
    Association of physical activity in the past year and immediately after in vitro fertilization on pregnancy.
    Fertil Steril. 2014 Apr;101(4):1047-1054
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