Gabe von Schilddrüsenhormon bei Schwangeren
Die Gabe von Schilddrüsenhormonen senkt die Fehlgeburtenrate, hat aber auch negative Auswirkungen.
Die gute Einstellung der Schilddrüse ist bei Kinderwunsch erwiesenermaßen von großer Bedeutung. Die Eizellreifung und auch die Einnistung kann von einer normalen Schilddrüsenfunktion profitieren. Aber auch in der Schwangerschaft ist die ausreichende Versorgung mit Schilddrüsenhormon von Bedeutung.
Welchen Einfluss die Schilddrüse auf die Fruchtbarkeit hat und wie man es unter welchen Voraussetzungen einstellen sollte, wurde hier bereits vor einiger Zeit in dem Artikel „Schilddrüse und Kinderwunsch: Noch einmal ganz grundlegend“ ausführlich dargelegt.
Mehr Fehlgeburten?
Störungen der Schilddrüsenfunktion gehen bei Schwangeren mit einem erhöhten Risiko für Fehlgeburten einher, so zumindest das Ergebnis einiger Studie zu diesem Thema. 2014 wurde in einer großen retrospektiven Untersuchung gezeigt, dass bei Frauen, die bereits in der Schwangerschaft Schilddrüsenhormon (L-Thyroxin) einnahmen, der TSH-Wert oft erhöht war. Aber erst ab Werten von > 4,5 mU/l erhöhte sich das Risiko für Fehlgeburten deutlich.
Diese Frauen waren jedoch bereits in Behandlung. Was ist jedoch, wenn erst während der Schwangerschaft eine Schilddrüsenunterfunktion entdeckt und behandelt wird?
Schwangere mit TSH zwischen 2,5 und 10
In einer retrospektiven Untersuchung wurden zur Klärung dieser Frage die Daten von knapp 62.000 Schwangeren ausgewertet. Als schilddrüsenkrank oder -auffällig wurden Frauen definiert, bei denen innerhalb des Zeitraums 4 Wochen vor Eintritt einer Schwangerschaft oder in den ersten drei Monaten ein TSH-Wert von mehr als 2,5 mU/l festgestellt wurde. Und zwar als Erstdiagnose. Keine der in die Studie aufgenommenen Frauen hatte eine zuvor bekannte Erkrankung des Organs oder bekam Schilddrüsenhormon. Und bevor jemand fragt: Nein, es handelt sich lediglich um TSH-Werte. Weder die Schilddrüsenantikörper wurden durchgehend erfasst, noch die Hormone fT3 und fT4.
5.400 Schwangere wurden in die Studie aufgenommen. Davon wurden insgesamt knapp 16% mit L-Thyroxin behandelt, die anderen 4.562 bekamen keine Medikamente.
Schilddrüsenhormon senkt die Fehlgeburtenrate
Es zeigte sich ein deutlicher Unterschied: Die mit L-Thyroxin behandelten Frauen erlitten in 10,6% der Fälle eine Fehlgeburt gegenüber 13,5% der Schwangeren ohne Therapie. Dieser Unterschied war statistisch signifikant, man kann also von einer positiven Wirkung des Schilddrüsenhormons ausgehen. Rechnete man alle anderen Gründe für Fehlgeburten statistisch heraus, dann war des Risiko für einen Abort bei den behandelten Frauen um 38% geringer. Allerdings trat der positive Effekt erst ab TSH-Werten (vor Therapie) von mehr als 4,1 mU/l auf. Zwischen 2,5 und 4,1 zeigte sich kein Vorteil bei L-Thyroxin-Gabe.
Die Therapie hatte jedoch auch Nachteile. Unter L-Thyroxin stieg das Risiko für Frühgeburten an, ebenso das für Schwangerschaftszucker (Gestationsdiabetes) und Eklampsie.
Die Autoren der Studie weisen zu recht auf die Unzulänglichkeiten der Studie hin: Es wurden nur die TSH-Werte gemessen und die Untersuchung war retrospektiv.
Die Fallzahl ist jedoch hoch genug, um den möglichen negativen Auswirkungen der Schilddrüsenhormon-Gabe Beachtung zu schenken und sie durch weitere Studien abzusichern oder ggf. zu widerlegen.
Thyroid hormone treatment among pregnant women with subclinical hypothyroidism: US national assessment
BMJ 2017; 356 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.i6865 (Published 25 January 2017)
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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.