Normale Schilddrüsenfunktion und Schilddrüsenantikörper: Sind Medikamente notwendig?

Muss man bei Schilddrüsenantikörpern immer behandeln, wenn eine künstliche Befruchtung geplant ist?

Die Funktion der Schilddrüse ist bei Kinderwunsch wichtig, deswegen wird inzwischen bei Kinderwunschbehandlungen auch sehr darauf geachtet. Was ist jedoch, wenn eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse („Hashimoto“) besteht, aber die Funktion der Schilddrüse unbeeinträchtigt ist. Muss man Schilddrüsenantikörper immer behandeln?

Die Schilddrüse produziert Schilddrüsenhormone, die in vielen Stoffwechselprozessen des Körpers eine wichtige Rolle spielen und so auch bei Kinderwunsch und Schwangerschaft. Eine Übersicht über mögliche Störungen der Schilddrüsenfunktion finden Sie in unserem Theorie-Teil. Hier in den News gab es vor einiger Zeit einen Artikel zur Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen „Schilddrüse und Kinderwunsch: Nochmal ganz grundlegend„, dessen Lektüre ich in diesem Zusammenhang noch einmal empfehlen möchte. Auch die Frage, wie hoch der TSH bei Kinderwunsch sein darf, wurde hier bereits ausführlich erörtert.

Welche Bedeutung haben die Schilddrüsenantikörper?

Die Rolle der Schilddrüsenantikörper im Zusammenhang mit Kinderwunsch und Schwangerschaft ist nicht abschließend geklärt. Es gibt einige Studien zu diesem Thema, jedoch keine abschließende und eindeutige Aussage. Einige Studien weisen auf ein erhöhtes Fehlgeburtsrisiko hin. Antikörper gegen Schilddrüsengewebe (TPO-Antikörper) werden bei der sogenannten „Hashimoto-Thyreoditis“ gefunden. Bei dieser Erkrankung greift das Immunsystem die Schilddrüse an. Folge ist oft eine Unterfunktion der Schilddrüse.

Sind Schilddrüsenantikörper  bei völlig normaler Funktion des Organs von Bedeutung, wenn eine künstliche Befruchtung durchgeführt wird? Mit anderen Worten: Wenn die Schilddrüsenhormone im Normbereich liegen und der TSH-Wert ebenfalls, macht dann der Nachweis von Schilddrüsenantikörpern eine Behandlung mit Schilddrüsenhormonen (L-Thyroxin) notwendig, obwohl sonst ja alles in Ordnung ist?

L-Thyroxin verbessert die Schwangerschaftsrate nicht

Die Gabe von Schilddrüsenhormon hat keine Verminderung der Fehlgeburtenrate oder Verbesserung der Schwangerschaftsrate zur Folge, wenn eine IVF durchgeführt wird. Das ist die Kernaussage einer chinesischen Studie1, die 600 Frauen mit normaler Funktion der Schilddrüse trotz Schilddrüsenantikörper untersuchte. Die Hälfte dieser Frauen erhielt 25-59 µg L-Thyroxine entsprechend dem TSH-Wert.

Die Fehlgeburtenrate war in beidem Gruppen annähernd identisch: 10,3 Prozent der Schwangerschaften endeten vorzeitig, wenn L-Thyroxin genommen wurde, 10,6 Prozent bei den Frauen, die keine Schilddrüsenmedikamente erhielten. Der Altersdurchschnitt der Patientinnen betrug 31,6 Jahre, was die generell niedrige Neigung zu Fehlgeburten erklärt.

Die Schwangerschaftsrate unterschied sich ebenfalls nur marginal, diesmal sogar zugunsten der Kontrollgruppe (=ohne Medikamente): 35,7 und 37,7 Prozent.

Diese große und randomisiert kontrollierte Studie untersucht die „Hashimoto-Patienten“, über deren richtige Behandlung bislang die größte Unsicherheit bestand: Nachweisbare TPO-Antikörper bei normaler Schilddrüsenfunktion. Die Aussage der Studie ist kein Beweis, legt aber nahe, dass eine Behandlung mit Schilddrüsenhormonenen zwar nicht schadet (was ja auch nicht unwichtig ist), aber auch nicht hilft.

Ganz aktuell gibt es nun auch eine Übersicht2 in der Cochrane Bibliothek, in der weitere Studien zu diesem Thema zusammengefasst wurden. Diese bestätigt die Aussage der oben besprochenen Studie:

Sind Schilddrüsenantikörper nachweisbar und arbeitet die Schilddrüse normal, dann verbessert die Gabe von Schilddrüsenmedikamenten (L-Thyroxin) die Erfolgsraten bei einer künstlichen Befruchtung nicht.

Gibt es Unterschiede in Abhängigkeit von der Aktivität der Eierstöcke?

Die gleiche Fragestellung untersuchte auch eine Arbeitsgruppe – ebenfalls aus China3. Diese Studie untersuchte die Daten zwar retrospektiv – also nur gestützt auf die Auswertung bereits durchgeführter Behandlungen, jedoch beinhaltete die Untersuchung die Daten von mehr als 6.000 Frauen.

Zum einen wollte man anhand dieser Daten herausfinden, ob die Schilddrüsenantikörper bei Frauen mit normal aktiven Eierstöcken eine Rolle spielen. Und gesondert wurde untersucht, ob es bei den Frauen mit einer verminderten Aktivität („low responder“) der Ovarien die Antikörper gegen die Schilddrüse die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.

  • In der Gruppe der Frauen mit Antikörpern gegen die Schilddrüse waren low responder genauso häufig wie in der Gruppe ohne diese Antikörper. Offenbar wird die Aktivität der Eierstöcke durch die Antikörper nicht beeinträchtigt.
  • Bei eingeschränkter Aktivität der Eierstöcke war die Zahl der Fehlgeburten, Lebendgeburten und Schwangerschaftskomplikationen unabhängig von Antikörpern gegen die Schilddrüse.
  • Die Schwangerschaftsrate war bei Frauen mit normal aktiven Eierstöcken und ohne Schilddrüsenantikörper etwas höher als bei den „Normorespondern“ mit Antikörpern. Statistisch signifikant war der Unterschied jedoch nicht.
Auch in Abhängigkeit von der Aktivität der Eierstöcke haben die Schilddrüsenantikörper keine Auswirkung auf den Ausgang einer IVF-Therapie.

 

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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
 

Literatur

  1. Wang H et al.
    Effect of Levothyroxine on Miscarriage Among Women With Normal Thyroid Function and Thyroid Autoimmunity Undergoing In Vitro Fertilization and Embryo Transfer: A Randomized Clinical Trial.
    JAMA. 2017 Dec 12;318(22):2190-2198. doi: 10.1001/jama.2017.18249.
  2. Akhtar, M. A., Agrawal, R., Brown, J., Sajjad, Y., & Craciunas, L. (2019)

    Thyroxine replacement for subfertile women with euthyroid autoimmune thyroid disease or subclinical hypothyroidism.

    The Cochrane database of systematic reviews6(6), CD011009. doi:10.1002/14651858.CD011009.pub2

  3. Ke, H., Hu, J., Zhao, L., Ding, L., Jiao, X., & Qin, Y. (2020). Impact of thyroid autoimmunity on ovarian reserve, pregnancy outcome, and offspring health in euthyroid women following in vitro fertilization/intracytoplasmic sperm injection. Thyroid, (ja).
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Kommentar

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4 Kommentare
  1. sowahr schreibt

    Hallo,
    Antikörper sind doch ein Zeichen dass das Immunsystem da irgendwie verkehrt spielt und L-Thyroxin behandelt ja "nur" den Stoffwechsel (?) der Schilddrüse. Ist das nicht ein wenig Äpfel mit Birnen zu vergleichen, oder stehe ich hier auf dem Schlauch?
    Vielen Dank! 🙂

  2. Elmar Breitbach schreibt

    Genau. Es stellt sich ja wirklich die Frage, warum man eine Immunerkrankung der Schilddrüse mit Hormonen behandeln sollte, wenn die Hormone doch gar nicht das Problem sind. Genau das war ja die Frage, welche in der Studie beantwortet wurde.

    Und bevor Sie fragen: Bringt es etwas, wenn man das Immunsystem bei einer Hashimoto behandelt? Zum Beispiel mit Prednisolon etc.? Die Antwort: dazu gibt es zahlreiche Studien, aber keinen Beleg für die Wirksamkeit solcher Immuntherapien.

  3. sowahr schreibt

    Vielen Dank für die Erklärung/Ausführung! 🙂

  4. […] hatten wir hier eine Studie vorgestellt, die zeigte, dass die Gabe von Schilddrüsenhormonen nicht immer notwendig ist, wenn Frauen […]