Rinderwahnsinn? Meinung zum geklonten Menschen
Ich hatte den Artikel zu dem mit Hilfe von Rindereizellen geklonten Menschen zunächst unkommentiert gelassen, weil ich auch nicht so genau wusste, ob man da überhaupt etwas vernünftiges zu sagen könnte. Ich habe mir eigentlich eine heftigere Diskussion erwartet, wenn ich ehrlich sein soll. Aber möglicherweise ist dieses Ereignis zu außergewöhnlich, um es in der normalen Welt zu verorten und entsprechend engagiert zu diskutieren.
Kein Zwitter
Aber mal noch ein paar Fakten dazu, ohne die üblichen Beißreflexe: wenn auch seriöse Zeitungen dieses Forschungsergebnis als „Zwitter zwischen Kuh und Mensch bezeichnen“, dann ist das falsch. Erstens bezeichnet man als Zwitter einen intersexuellen Menschen. Der Begriff „Chimäre“ wäre korrekt, aber weniger schlagzeilengeeignet. Außerdem wurde der komplette Chromosomensatz einer menschlichen Hautzelle auf die Hülle einer Rindereizelle übertragen, die sich dann teilte. Nach diesem mittlerweile recht etablierten Verfahren ist auch das Klonschaf Dolly entstanden. Und dies war ein Klon, also eine exakte genetische Kopie eines Schafs, hier ist es ein Mensch.
Wird man so lebende menschliche Klone erschaffen können?
Nein. Wenn man das Schicksal der Klonschafe und den ihnen folgenden Lebewesen betrachtet, dann zeigte sich sehr schnell, dass das Klonen offenbar einiges im genetischen Programm ändert. Die gleichen Chromosomen zu haben, bedeutet nicht, dass diese Chromosomen exakt die gleichen Funktionen ausführen werden. Es kann durchaus ganz erhebliche Unterschiede in der Entwicklung zwischen Klon und „Original“ geben. Die Tiere sind übrigens ausnahmslos vorzeitigen Alterungsprozessen ausgesetzt gewesen. Fast so, als wollten sie das Original noch einholen (ok, das war jetzt ein wenig spitituell) und verstarben vorzeitig. Sicherlich gegenwärtig kein Lebenslauf, denn man seinem Kind wünschen würde, wenn man meinte, sich eines klonen lassen zu müssen.
Frankensteinsche Fingerübung oder Wissenschaft?
Meine Meinung: Ganz eindeutig Wissenschaft. Warum?
Dazu muss man erst einmal klären, worum es bei dem Experiment ging. Es geht um Stammzellforschung. Die Hoffnung, mit Hilfe von Stammzellen früher oder später Krankheiten heilen zu können, ist eine recht konkrete und keine Vision für die ferne Zukunft. Es wurden schon erfolgreiche Versuche durchgeführt. Bekannteste Erkrankungen, die damit behandelt werden könnten sind Diabetes, Parkinson, Herzinfakt (oder die Folgen davon) und Nervenschädigungen. Aber grundsätzlich ließe sich jedes Gewebe daraus herstellen, übrigens auch Spermien.
Embryonale Stammzellen werden aus Embryonen gewonnen, die überzählig bei der IVF anfallen. Ein gegenwärtig auch in Deutschland heiß diskutiertes Thema und ethisch ohne Frage hochproblematisch. Abgesehen von diesen Aspekten besteht an menschlichen Eizellen und Embryonen ein Mangel, der die Forschung an Stammzellen bremst und mögliche Heilungserfolge in die ferne Zukunft verschiebt.
Was wäre also ein besserer Weg? Sicherlich die Nutzung von Zellen erwachsener Menschen, sogenannte „adulte Stammzellen“. das Problem: Diese Zellen sind vollständig ausdifferenziert. Der Vorteil, den embryonale Stammzellen haben, sich mit bestimmten Steuerungen noch in jedes beliebige Gewebe entwicken zu können (Nerven- oder Herzzellen z. B.) ist bei den adulten Stammzellen nur mit sehr komplizierten Rückentwicklungen erreichbar. Außerdem sind größere Probleme zu erwarten, wenn man diese Zellen einem Empfänger transplantiert, da es dann zu Abstoßungsreaktionen kommen kann.
Therapie mit eigenen Stammzellen
Der optimale Weg wäre also, Zellen eines erkrankten Menschen zu nehmen, z. B. einige Hautzellen, die leicht zu gewinnen sind und diese zu vervielfältigen. Um sie dann zu einem gewünschten Gewebe differenzieren zu können. Dies kann man beides bewerkstelligen, indem man die Hautzellen in eine Umgebung bringt, die sie zur Teilung anregt und „rückdifferenziert“ zu Zellen, die unspezialisiert sind und in der Lage, sich zu jedem gewünschten Gewebe zu entwickeln. Also Stammzellen aus dem eigenen Körper.
Und diese Umgebung ist hier die Eizellhülle eines Rindes gewesen. Technisch gesehen mag es ein Menschenklon sein. Sieht man die Ziele dieser Forschung, dann handelt es sich um ein biologisches Reagenzglas (Eizellhülle), in dem die Zellen eines erkrankten Menschen vermehrt und zu Stammzellen umgewandelt werden.
Ich sehe keine verantwortungslosen Wissenschaftler, die mehr oder weniger nur versuchen herauszufinden, was denn eigentlich so machbar ist und Grenzen austesten. Ich sehe in den britischen Wissenschaftlern Menschen, die versuchen, neue Wege zu beschreiten, um Krankheiten zu heilen, die bisher unheilbar sind.
Natürlich kann ich mich täuschen. Es wäre nicht das erste mal, wenn man an die Fälschungen des Südkoreaners Hwang Woo Suk denkt, welcher der gesamten wissenschaftlichen Welt (vorübergehend) eine Nase drehte. Vor Profilneurotikern ist man nie sicher und deswegen kann ich natürlich auch verstehen, wenn Ängste anlässlich dieser Klonversuche auftreten. Aber ein bißchen Information kann gegen diffuse Ängste nie schaden.
Noch Fragen?
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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
Vielen Dank, Herr Doktor Breitbach, für diese Aufklärung hier. Das ist nämlich ganz wichtig, um diese Vorurteile weg zu bekommen. Ich wollte auch schon etwas in der Art schreiben. Mir fehlte nur die Zeit.
Ich fände es wirklich sehr schön, wenn auf diese Weise einige Krankheiten geheilt oder gelindert werden könnten. Es ist keinesfalls die Rede davon, dass auf diese Weise ein ganzer Mensch entstehen sollte. Dies würde ich auch ablehnen.
gut erkannt – "embryologen-bashing" hat schon eine spezialeinheit 🙂 … angesiedelt bei den MIB 😉
danke aber für die zusätzlichen infos; bei so kleinen sachen wie embryos lohnt sich auch schonmal ein ganz genauer blick drauf.
teile ihre einschätzung über die motivation der wissenschaftler.
[…] geschrieben, den ich jedem an diesem Thema Interessierten ans Herz legen möchte: “Rinderwahnsinn – Meinung zum geklonten Menschen“. Ich sehe bei diesem Thema unbedingt die Notwendigkeit für einen nüchternen Blick […]