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Kinderwunsch und Corona-Impfung: Was weiß man darüber?

Ist eine Impfung gegen Covid 19 bei Kinderwunsch anzuraten?

Gegen das Covid-19-Virus (Das? Der?) steht nun seit geraumer Zeit eine Impfung zur Verfügung. Weltweit wurde bereits Milliarden von Impfdosen verabreicht. Trotzdem scheint es generell – aber auch bei Kinderwunsch-Paaren – weiterhin Unklarheiten zu geben. Was weiß man über Kinderwunsch und Corona-Impfung? Was sagen die Fachgesellschaften?

Kinderwunsch und Corona-Impfung

Auch Frauen mit Kinderwunsch, Schwangere und Stillende können sich gegen Covid-19 impfen lassen. Das ist die Empfehlung der ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts seit dem September dieses Jahres. Und das RKI sagt nicht nur, dass sie sich impfen lassen können, sondern es wird explizit empfohlen, Schwangere zu impfen, wie z. B. auch bei der Grippeimpfung. Und daher gibt es auch keinen Grund mehr, Paaren mit Kinderwunsch von einer Corona-Impfung abzuraten.

Macht die Corona-Impfung unfruchtbar?

Zunächst einmal ein kleiner Abstecher in die Gerüchteküche. Es ist immer wieder zu lesen und zu hören, dass die Impfung gegen Corona unfruchtbar macht. Worauf beruht diese Aussage? Alle Impfungen versuchen, den Körper zur Produktion von Antikörpern gegen das Corona-Virus anzuregen. Hier vor allem gegen die Oberfläche, mit dem das Virus an die menschlichen Zellen „andockt“. beim Covid-19-Virus sind das Ziel die Spike Proteine (die „lustigen“ kleinen Antennen auf dem Virus).

Die Gerüchteköche und – köchinnen behaupten nun, dass das Spike Protein von SARS-CoV-2 und Syncitin-1, ein Protein, das auf dem Mutterkuchen vorkommt, ähnelt. Eine Impfung würde daher auch zur Bildung von Antikörpern gegen Syncitin-1 und daher auch gegen den Mutterkuchen führen, so die Behauptung. Wissenschaftliche Belege für diese Behauptung gibt es jedoch nicht. Weder ähneln sich die Proteine, noch sind Kreuzreaktionen beobachtet worden.

Jede angebliche Ähnlichkeit zwischen dem SARS-CoV-2-Spike-Protein und dem menschlichen Protein Syncytin-1 wurde vollständig widerlegt. Die strukturelle Ähnlichkeit beschränkt sich lediglich auf 0,75% der Aminosäuren. Dazu hat auch die Universität Jena Stellung genommen: Impfmythen zu Corona – UKJ-Experten stellen klar. Übrigens gilt dies auch für Frauen, die  an Covid-19 erkrankt sind und dann später schwanger wurden. Hier sind die beobachteten Schwangerschaftsverläufe nicht auffällig, vor allem wurde keine erhöhte Anzahl an Fehlgeburten gesehen.

Auch wird immer wieder behauptet, dass der Zyklus der Frau sich verändern kann und sogar der Eisprung ausbleibt. Die STIKO nimmt dazu in ihren „häufigen Fragen“ zu Covid-19 Stellung:

Zyklusstörungen im Nachgang zu einer COVID-19-Impfung wurden international beobachtet und werden derzeit weiter erforscht. Solche Veränderungen des Zyklus sind auch bei anderen Impfungen oder durch Infektion bekannt und werden auf die Aktivierung des Immunsystems zurückgeführt. Ein direkter kausaler Zusammenhang ist nicht bekannt. Frauen sollten aber über diese mögliche Nebenwirkung einer Impfung informiert werden, um Verunsicherung vorzubeugen. Diese beobachteten Störungen des Zyklus sind vorübergehend und nicht mit Unfruchtbarkeit verbunden.

Impfung mit Erbgut

Machen wir gleich weiter mit der nächsten Sorge; Die Hauptsorge gilt der Tatsache, dass die ersten zugelassenen Impfungen mRNA-Impfstoffe sind. Also Erbgut von Viren enthalten. Wenn man das so liest, klingt das nicht wirklich gut. Erst einmal die Theorie:

Was ist die mRNA?

Im Zellkern findet sich das menschliche Erbgut in Form der DNA (Desoxyribonukleinsäure). Hier finden sich alle Informationen für die Funktion der Zelle. Und aller anderen Zellen. Es macht aber natürlich keinen Sinn, wenn in den Leberzellen die gleichen DNA-Abschnitte aktiv sind wie in den Herzmuskelzellen. Beide Zelltypen müssen zwar – wie fast alle anderen Zellen auch – Eiweiße herstellen, um richtig funktionieren zu können, aber eben nur ein paar und nicht alle, die auf der DNA hinterlegt sind. Auch ist es nicht zweckmäßig, wenn die Herstellung der Eiweiße direkt im Zellkern stattfindet, wo sich die DNA befindet. Die sogenannten Ribosomen, in denen die Eiweiße (Proteine) hergestellt werden, befinden sich daher außerhalb des Zellkerns.

Nun muss also die Information der DNA (und nur kleine Abschnitte davon) irgendwie zu diesen Ribosomen gelangen. Das geschieht mit einem Botenstoff (daher auch mRNA, das „m“ steht für „messenger“), der diese Information im Zellkern abliest und an die Ribosomen weitergibt. Wenn die Information übermittelt wurde und das Protein hergestellt, wird die RNA wieder aufgelöst.

Befehlskette geht in eine Richtung

Der Zellkern hat alle Informationen und gibt diese stückchenweise an die Eiweißproduzenten (Ribosomen) weiter. Dazu dient die mRNA. Die Ribosomen stellen gemäß der Informationen der mRNA die Eiweiße her. Dieser Prozess läuft nur in eine Richtung. Rückwärts funktioniert er nicht. Weder sind die Proteine in der Lage, mRNA herzustellen oder deren Herstellung anzustoßen, noch ist die mRNA in der Lage, die DNA zu verändern.

Fremde mRNA im menschlichen Körper ist etwas Alltägliches

Woher man das weiß? Nun aus vielen experimentellen Studien, aber auch aus ganz praktischen Beobachtungen heraus. Was macht denn ein Virus, wenn es sich in unserem Körper breitmacht? Nehmen wir mal ein ganz normales Erkältungsvirus (übrigens auch ein Coronavirus). Viren möchten nur eines: sich fortpflanzen. Dazu fehlt ihnen aber so gut wie alles: Ein paar Rezeptoren und Enzyme, um in menschliche Zellen einzudringen und ein wenig mRNA, auf denen der Bauplan des Virus steht, ist die ganze Ausstattung. Genau: Erkältungsviren dringen in menschliche Zellen ein und nutzen deren Fähigkeit, Eiweiße herzustellen, um sich zu kopieren (= „fortzupflanzen“). Fremde mRNA manipuliert immer wieder menschliche Zellen, ist normal, es passiert ständig.

Nutzen der mRNA für etwas Sinnvolles

Die mRNA-Impfstoffe enthalten den Bauplan für Oberflächenbestandteile des Virus (Spike Proteine). Also nur ein kleines Stück der RNA des Covid-19 Virus. Diese Baupläne werden von den Zellen ausgelesen und die Spike Proteine entsprechend nachgebaut. Bei Kontakt mit dem Immunsystem bildet dies dann Antikörper gegen diese Spike Proteine. Dadurch wird das Virus am Eindringen in die menschlichen Zellen gehindert, wenn es nach der Impfung irgendwann den geimpften Menschen infiziert.

Bei den zum Winter hin wieder steigenden Inzidenzen werden wir früher oder später alle wieder Kontakt zum Corona-Virus haben. Wir können uns aussuchen, ob wir nun das ganze Virus in unseren Körperzellen vervielfältigen (also bei einer Infektion) oder nur kleine Teile davon (nach der Impfung).

Und was sind Vektorimpfstoffe?

Eigentlich das Gleiche. Auch diese enthalten mRNA. Nur wird diese in einen harmlosen Virus verpackt, der diese mRNA dann in die Zelle schleust. Sputnik V und der Impfstoff von Astra Zeneca sind Beispiele dafür. Inzwischen hat sich jedoch herausgestellt, dass diese Impfstoffe wesentlich weniger wirksam sind im Vergleich zu den mRNA-Impfstoffen.

OK, also wie ist das nun mit Kinderwunsch und Corona-Impfung?

Die „ständige Impfkommission“ (STIKO) des Robert–Koch-Instituts hat sich zum Thema Schwangerschaft und Corona-Impfung inzwischen geäußert (s. o.). Die Europäische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (ESHRE) hat dazu eine Stellungnahme veröffentlicht. Im Wesentlichen bemüht sich diese Richtlinie um die Beantwortung der folgenden Fragen:

Sollte man Männer und Frauen vor einer Kinderwunschbehandlung impfen?

Aktuell gibt es zunehmend validere Daten zu diesem Thema. Tierexperimente zeigten keinen negativen Effekt auf die Nachkommen, wenn eine Impfung in der Schwangerschaft erfolgte. Eine Impfung zur zwingenden Voraussetzung für eine Kinderwunschbehandlung zu machen ist zwar nicht notwendig, jedoch rät die ESHRE allen Paaren mit Kinderwunsch zu einer Impfung vor der Behandlung. Kinderwunsch und Corona-Impfung schließen sich also nicht nur nicht aus, sondern werden von den Fachgesellschaften ausdrücklich empfohlen.

Bei Männern ist die  Datenlage durch eine Studie aus dem Juni 2021 gut belegt1: Vor und nach der Impfung mit zwei Dosen eines mRNA-Impfstoffes waren die Spermien von 45 Männern zwischen 18 und 50 Jahren gleich gut. Es gab keine negativen Veränderungen in den Spermiogrammen vor und nach der Impfung.

Wie lange sollte man nach der Impfung warten, bevor eine Kinderwunschbehandlung erfolgen kann?

Aus Sicht des Immunsystems ist es sinnvoll, bis zum Ende der Impfung zu warten, so die Empfehlung der ESHRE. Mehr als ein paar Tage nach der zweiten Spritze muss man nicht zwingend warten. Der Rat, bis zur zwei Monate abzuwarten, wurde inzwischen aufgehoben, da keine Belege für die Notwendigkeit einer längeren Wartezeit gibt. Sollte jedoch auf die Impfung eine Überreaktion zu beobachten sein, ist bis  zum Verschwinden der Symptome eine Schwangerschaft nicht anzustreben.

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe schließt sich dem an: „Ein Behandlungsbeginn assistierter Reproduktionstherapien sollte um einige Tagenach Abschluss der Impfung (d. h. nach der zweiten Dosis) verschoben werden, um die Immunreaktion abzuwarten […]. Ob ein zurückhaltendes Vorgehen darüber hinaus mit einer weiteren Verschiebung des Beginns der ART-Behandlung nach Impfung sinnvoll ist, kann aufgrund der aktuellen Datenlage nicht belegt werden.

Zusammmenfassung

  • Für abschließende Bewertungen der Impfstoffe ist es aktuell noch zu früh.
  • Die Impfung macht NICHT unfruchtbar. Das gilt für Männer und Frauen gleichermaßen
  • mRNA ist nicht in der Lage, das Erbgut auf der DNA zu verändern
  • Paare mit Kinderwunsch müssen nicht von einer Impfung absehen.
  • Einige Tage nach der letzten Spritze kann bereits eine Schwangerschaft angestrebt werden.
  • Schwangere gehören inzwischen (nach dem Ältere und chronisch Kranke geimpft wurden) zu den Risikogruppen, zu deren Impfung ausdrücklich geraten wird.

Noch Fragen?

Dann haben Sie in unserem Kinderwunschforum die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen oder Fragen an unsere Experten zu richten. Und hier finden Sie die Übersicht über die andere Foren von wunschkinder.de. Die am häufigsten gestellten Fragen haben wir nach Themen geordnet in unseren FAQ gesammelt.

Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
 

Literatur

  1. Gonzalez, D. C., Nassau, D. E., Khodamoradi, K., Ibrahim, E., Blachman-Braun, R., Ory, J., & Ramasamy, R. (2021). Sperm Parameters Before and After COVID-19 mRNA Vaccination. JAMA.
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