Kinderwunsch: Ist Alter oder Übergewicht von größerer Bedeutung?

Alter und Übergewicht haben einen negativen Einfluss auf die Fruchtbarkeit. Was von beiden ist bedeutsamer?

Erhöhtes Alter und Übergewicht sind zwei Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft vermindern können. Was von beiden ist wichtiger? Sollte man also lieber schnell mit der Therapie beginnen oder lieber Zeit investieren, um vor einer Kinderwunsch-Behandlung abzunehmen?

Übergewicht vermindert die Chancen auf ein Kind

Es ist durch viele Studien belegt, dass ein deutliches Übergewicht zu einer Verminderung der Fruchtbarkeit führt. Zum einen, weil die Eizellreifung gestört sein kann (z. B. beim PCO-Syndrom) und ohne Eisprung eine Schwangerschaft nicht eintritt. Aber auch, wenn eine künstliche Befruchtung durchgeführt wird, sind die Chancen von übergewichtigen Frauen schlechter als von normalgewichtigen. Offenbar ist dabei dann weniger der Hormonhaushalt die Ursache, sondern die  Störung der Einnistung.

Vermutlich hat das Übergewicht einen negativen Einfluss auf die Einnistung

Wir hatten hier vor einiger Zeit schon zwei Studien besprochen, deren Ergebnisse darauf hinwiesen. Eine Übersichtarbeit, die sich mit der konventionellen IVF und ICSI beschäftigte, zeigte nur wenig Einfluss der Körpergewichts auf die Zahl und Qualität der Eizellen und Embryonen1 aber die Schwangerschaftsraten und die Zahl der Lebendgeburten war deutlich niedriger bei höherem Körpergewicht. Das Gleiche zeigt sich auch bei der Eizellenspende2. Hier stammen die Eizellen ja von Spenderinnen und das Übergewicht kann daher nur Einfluss auf die Einnistung haben. Man muss also von einer Verschlechterung der Einnistung der Embryonen bei einem erhöhten Körpergewicht ausgehen.

Abnehmen kostet Zeit. Die hat man nicht immer.

Wenn Abnehmen also die Chancen erhöhen kann, ist eine eine Verminderung des Körpergewichts vor einer IVF oder anderen Kinderwunschbehandlungen empfehlenswert. Nun helfen Crash-Diäten meist eher nicht. Man benötigt also Zeit, um anzunehmen. Nun ist das Alter vor allem der Frau auch ein negativer Faktor, wenn man schwanger werden möchte. Was macht man also bei der Kombination „Alter und Übergewicht“? Nimmt man sich die Zeit, die Chancen durch eine Verminderung des Körpergewichts zu verbessern? Oder ist es eher besser, keine Zeit zu verschwenden, und lieber gleich mit der Behandlung zu beginnen?

Ab 35 Jahren steht das Alter im Vordergrund

Das besagt zumindest das Ergebnis einer Studie, die den Einfluss von Körpergewicht und Alter auf die Chance, schwanger zu werden, untersuchte3. Es wurden dazu aus verschiedenen Kinderwunsch-Zentren die Daten von 14.213 Paaren untersucht, die sich jeweils in ihrem ersten IVF-Zyklus befanden. Es wurde in Abhängigkeit vom Alter und dem BMI (Bodymassindex) die kumulative Chance auf eine Schwangerschaft errechnet. „Kumulativ“ bedeutet, dass alle der ersten Punktion folgenden Behandlungen einbezogen wurden, also auch die Kryozyklen mit eingefrorenen Embryonen aus dem ersten Punktionszyklus. Daraus errechnet sich die in der Tabelle weiter unten erkennbare „CLBR“: Das bedeutet „cumulative live birth rate“, also die Zahl der Kinder, die nach der ersten Eizellentnahme (Punktion) geboren wurden.

Alter und Übergewicht
Filipa Rafael et al. 2023

Erst einmal ist in der Tabelle gut zu erkennen, dass die Chancen auf ein Kind bei normalgewichtigen Frauen ca. 6-7% höher sind als bei den deutlich übergewichtigen Frauen mit einem BMI ≥ 30kg/m². Bei älteren Frauen (35 aufwärts) ist dieser Effekt nicht mehr so ausgeprägt.

Geht man davon aus, dass man mindestens 1 Jahr benötigt, um sein Körpergewicht signifikant zu vermindern, dann zeigt sich bei den älteren Frauen ab 39, dass hier ein größerer Gewichtsverlust notwendig ist als bei jüngeren Frauen, um die Chancen auf ein Kind zu erhöhen. Außerdem ist zu erkennen, dass hier die Chancen pro Jahr, das für die Diät benötigt wird, die Chancen deutlich sinken.

Bis 35 Jahre – so die Autor*innen der Studie – lohnt sich diese zeitliche Investition und die Chancen steigen auch bei weniger ausgeprägtem Gewichtsverlust. Bei 36-38 müsste der Gewichtsverlust schon deutlicher sein, um die Chancen verbessern zu können. Hier ist tatsächlich die Normalisierung des Körpergewicht auf einen BMI < 25 anzustreben.

Frauen ab 39 verlieren durch den Versuch der Gewichtsreduktion im Vorfeld einer künstlichen Befruchtung zu viel Zeit, da in diesen Fällen dann schnell der negative Effekt des Alters zu Tragen kommt.

Kein Diätverbot für ältere Frauen

Natürlich sollte man trotzdem immer versuchen, ein deutliches Übergewicht zu reduzieren, um die Chancen auf eine Schwangerschaft zu erhöhen, wenn eine Kinderwunschbehandlung geplant ist. Denn das ist auch gut aus der Studie erkennbar: Übergewicht ist von Nachteil bei einer IVF oder ICSI. Bei älteren Frauen würde man nur nicht erst einmal dazu raten das Gewicht zu reduzieren, bevor man mit der Behandlung beginnt, sondern man ist dann sicherlich gut beraten, wenn man die Diät begleitend zur Behandlung durchführt.

 

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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
 

Literatur

  1. Bellver J, Ayllón Y, Ferrando M, Melo M, Goyri E, Pellicer A, Remohí J, Meseguer M
    Female obesity impairs in vitro fertilization outcome without affecting embryo quality.
    Fertil Steril. 2009 Jan 24.
  2. Sermondade N, Huberlant S, Bourhis-Lefebvre V, Arbo E, Gallot V, Colombani M, Fréour T
    Female obesity is negatively associated with live birth rate following IVF: a systematic review and meta-analysis.
    Hum Reprod Update. 2019 Apr 3
  3. Rafael, F., Rodrigues, M. D., Bellver, J., Canelas-Pais, M., Garrido, N., Garcia-Velasco, J. A., … & Santos-Ribeiro, S. (2023). The combined effect of BMI and age on ART outcomes. Human Reproduction38(5), 886-894.
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