Scratching bei der künstlichen Befruchtung: Weiterhin umstritten
Das Anritzen der Gebärmutterschleimhaut soll die Chancen auf eine Schwangerschaft verbessern
Unlängst hatten wir hier bereits eine Übersicht zu der Methode des „Scratching“ eingestellt. Mit Hilfe des „Anritzens“ der Gebärmutterschleimhaut soll die Wahrscheinlichkeit einer Einnistung eines Embryos bei der künstlichen Befruchtung erhöht werden. Vor allem aktuelle Studien zeigten eher Anlass zur Skepsis. Niemand weiß genau, ob das Scratching hilft. Und wenn es helfen sollte, dann ist unklar, welchen Patientinnen damit geholfen werden kann.
Nachdem in der letzten Zeit zahlreiche Studien zum Scratching veröffentlicht, darunter auch einige Zusammenfassungen der Ergebnisse mehrerer Studien, ist nun eine weitere Übersichtsarbeit in Human Reproduction Open erschienen1. Hier wurde der Fokus vor allem darauf gerichtet, herauszufinden, ob zumindest bestimmte Patientengruppen davon profitieren.
Denn es ist ja nach wie vor ein interessantes Phänomen: Niemand weiß, wie das Scratching eigentlich genau wirkt. Aber es hilft und wer heilt hat recht, so hieß es zumindest in der jüngeren Vergangenheit. Sogar die unbestechliche Cochrane Database fand Positives zu berichten, zumindest für Paare, die bereits zweimal eine IVF ohne Erfolg durchgeführt hatten. In diesem Jahr 2019 häufen sich jedoch nun anders lautende Meldungen.
Die aktuelle Metaanalyse (oder eher der Versuch eine solchen) versuchte, aus insgesamt 14 Studien mit mehr als 2.500 Paaren zum Thema Scratching die Patienten herauszuarbeiten, bei denen es möglicherweise hilft. Dazu untersuchte man den Effekt des Scratchings bei drei unterschiedlichen Gruppen. Paaren in ihrem ersten IVF-Zyklus (Gruppe 0), nach einem erfolglosen Zyklus inklusive der sich möglicherweise daraus ergebenen Kryozyklen (Gruppe 1) und Paare nach zwei kompletten IVF-Behandlungen.
Nur für die Gruppe 1 können Aussagen zur Zahl der Lebendgeburten gemacht werden, da nur hier in den Studien durchgehend darüber berichtet wurde. Es fand sich kein Unterschied zwischen den Patientinnen, die ein Scratching bekommen hatten und der Kontrollgruppe, die diese Zusatzbehandlung nicht erhielten.
Für die Gruppen 0 und 2 konnte eine solche Metaanalyse nicht durchgeführt werden. Das setzt ja voraus, dass die Datenerhebung identisch ist, sonst kann man sie nicht zusammenfassen. Und das war für diese beiden Gruppen leider der Fall. Hinzu kam, dass in den einzelnen Studien die Ergebnisse sehr unterschiedlich ausfielen. Von „Bringt nichts“ über „weiß nicht so recht“ bis hin zu „ganz toll“ war alles dabei. Eine zusammenfassende oder gar eindeutige Aussage ist daher nicht möglich.
Die Autoren nahmen an, dass ein Teil der unterschiedlichen Aussagen auch daher rührte, dass die Kontrollgruppe in den Studien unterschiedlich „nicht behandelt“ wurde. In machen Studien wurde tatsächlich nichts gemacht, in anderen Studien wurde die Gebärmutter zwar mit einem kleinen Katheter sondiert, aber die Schleimhaut nicht verletzt. Vermeintlich, so die Autoren der aktuellen Studie. Denn natürlich kann man auch mit einer möglichst schonenden Sondierung der Gebärmutterhöhle eine versehentliche Verletzung der Gebärmutterschleimhaut nicht ausschließen.
Nimmt man diese Studien aus den Berechnungen heraus, dann ergab sich für die Gruppen 0 und 2 kein Unterschied in der Zahl lebend geborener Kinder. die Zahl der klinischen Schwangerschaften war jedoch signifikant höher.
Nun hilft es wenig, wenn eine Methode zwar zu mehr Schwangerschaften führt, jedoch die Zahl der Lebendgeburten nicht signifikant erhöht ist, denn darum geht es ja nun mal in der Kinderwunschbehandlung. Das ist auch die Schlussfolgerung der Autoren der Studie:
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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.