Nach erfolgreicher IVF: weitere Spontanschwangerschaften häufig

Vorgestern habe ich noch langatmig in einem Artikel erklärt, dass die Psyche keinen Einfluss auf den Ausgang einer künstlichen Befruchtung hat. Und nun das: Wenn Paare durch eine IVF ein Kind bekommen haben, beträgt die Wahrscheinlichkeit einer späteren natürlichen Empfängnis fast ein Drittel. Na toll. Das macht nun alles wieder kaputt und ist eine Steilvorlage für die Entspannungsevangelisten. Denn wie soll man es sonst erklären. Nur die Entspannung durch ein bereits vorhandenes Kind kann dies geschehen lassen. Oder?

Der/die Leser/in dieses Artikels steht nun vor einer grundsätzlichen Entscheidung: Weiter feste dran glauben und die Psyche als Ursache für diese Ergebnisse sehen. Dann ist es besser, hier die Lektüre zu stoppen, aber dann auch bitte nicht unten zu kommentieren. Oder mir zu folgen in die Welt der Fakten, die hier ziemlich spannend sein werden.

Die Studie

Und plötzlich geht´s auch ohne Hormone...
Und plötzlich geht´s auch ohne Hormone…

In Australien sammelten die Untersucher Daten von zwei Frauengruppen: Von 297 schwangeren Frauen nach künstlicher Befruchtung und 295 Frauen, die auf normalem Wege schwanger geworden waren. Beide Gruppen wurden zweimal befragt: In der Schwangerschaft und 18-24 Monate nach der Entbindung. Von den ursprünglich für die Studie rekrutierten Frauen konnte man nach der Entbindung noch 236 Sterilitätspatientinnen und 198 Frauen mit Schwangerschaft nach normaler Empfängnis befragen.

Von den Sterilitätspatientinnen waren 94 (40%) nach der Entbindung bereits in der nächsten Kinderwunschbehandlung, bleiben also noch 203, die nach der Geburt erst einmal auf weitere Maßnahmen verzichteten. Bei einem Drittel dieser Frauen trat innerhalb des zweijährigen Beobachtungszeitraums eine spontane Schwangerschaft ein.

Endometriose als Erklärung

Endometriosezyste im Ultraschall
Endometriosezyste im Ultraschall

Die Autorin des Artikels Karen Wynter hat eine recht simple Erklärung für diese hohe Schwangerschaftsrate: Sie vermutet eine Endometriose als Ursache für den zunächst unerfüllten Kinderwunsch:“Wenn bei diesen Frauen eine Endometriose nicht ausgeschlossen wurde und mir wird gesagt, dass diese Erkrankung ziemlich häufig ist, dann kann das eine Erklärung für die Schwierigkeiten beim ersten Mal sein. Es ist bekannt, dass eine Schwangerschaft eine sehr gute Therapie gegen eine Endometriose ist, so dass die Voraussetzungen für ein zweites Kind deutlich verbessert sein können.

Bei Paaren mit einer kürzeren Beziehung war eine spontane Empfängnis wahrscheinlicher. Dr. Wynter erklärt dies damit, dass diese Paare möglicherweise häufiger Verkehr haben. Das kann durchaus sein. Eine weitere Erklärung könnte jedoch sein, dass diese Paare sich früher für eine künstliche Befruchtung entschieden, möglicherweise früher als notwendig und dadurch bereits beim ersten Mal durch Ungeduld mit der IVF einer spontanen Schwangerschaft zuvor kamen.

Abwarten macht nämlich auch schwanger

In einem älteren Artikel („Abwarten macht auch schwanger„) hatte ich bereits eine Studie vorgestellt, welche vor Beginn der ersten Behandlung bereits in 9% der Fälle eine spontane Schwangerschaft vorzuweisen hatte. Damals war meine Schlussfolgerung, man müsse als Reproduktionsmediziner nur schnell genug sein, damit die Schwangerschaft auf normalem Wege nicht der Behandlung zuvorkommt.

Solche spontanen Schwangerschaften sind sehr abhängig vom Alter der Frau und dieser älteren Studie zufolge von der Dauer des unerfüllten Kinderwunschs. Dies unterstützt die Theorie von Frau Wynter nicht, derzufolge die Koitusfrequenz bei den kürzeren Beziehungen der ausschlaggebende Faktor sei. Vielmehr ist vermutlich die Dauer des Kinderwunschs die wichtigste Variable. In dieser älteren Studie zeigte sich eine starke Abhängigkeit von der Ursache der Sterilität.

Eileiterschäden     Faktor 1
EndometrioseFaktor 0,7
HormonstörungenFaktor 1,2
Schlechte SpermienqualitätFaktor 1,6
Immunologische StörungenFaktor 1,7
Ungeklärte „idiopathische“ SterilitätFaktor 2,6

Auch in der aktuellen Studie traten spontane Schwangerschaften bei Paaren mit „idiopathischer Sterilität“, also Unfruchtbarkeit ohne erkennbaren Grund, häufiger auf.

Schlussfolgerungen

Beide Studien, die aktuelle und die ältere aus den Niederlanden belegen eine überraschend hohe Rate an Spontankonzeptionen vor oder nach einer (geplanten) künstlichen Befruchtung. Die Schlussfolgerungen:

  1. Grundsätzliches hat jedes Paar eine Chance, auch auf normalem Wege schwanger zu werden, Azoospermie, vorzeitige Wechseljahre oder nachweislich verschlossene Eileiter einmal außen vorgelassen.
  2. Möglicherweise wird zu oft zu früh behandelt und je nach Indikation, Alter und Kinderwunschdauer müssen längere Wartezeiten gelegentlich diskutiert werden müssen. Eine Gratwanderung, keine Frage.
  3. Endometriose-Patientinnen haben zumindest innerhalb der ersten 2 Jahre nach einer Entbindung gute Chancen auf eine weitere Schwangerschaft.
  4. Einer „idiopathische Sterilität“ könnte auch eine Endometriose zugrunde liegen. Wobei hinzuzufügen ist, dass man die Diagnose „ungeklärte Sterilität“ auch nur stellen darf, wenn eine Bauchspiegelung erfolgte. Im englischsprachigen Raum ist eine Abklärung der Eileiter mit einer Röntgenuntersuchung jedoch der Standard. Es stellt sich also die Frage, ob die Zahlen in Deutschland die gleichen wären.
  5. Sterilitätspatienten müssen nach einer Entbindung auch bei eingeschränkter Fruchtbarkeit über die Möglichkeiten der Verhütung aufgeklärt werden, wie jedes andere Paar auch. Denn nicht immer ist das nächste Kind sofort gewünscht.

Wynter K, McMahon C, Hammarberg K, McBain J, Boivin J, Gibson F, Fisher J
Spontaneous conceptions within two years of having a first infant with assisted conception.
Aust N Z J Obstet Gynaecol. 2013 Aug 2. doi: 10.1111/ajo.12112. [Epub ahead of print]

Noch Fragen?

Dann haben Sie in unserem Kinderwunschforum die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen oder Fragen an unsere Experten zu richten. Und hier finden Sie die Übersicht über die andere Foren von wunschkinder.de. Die am häufigsten gestellten Fragen haben wir nach Themen geordnet in unseren FAQ gesammelt.

Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
 

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Kommentar

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14 Kommentare
  1. Greta S schreibt

    ganz wunderbar beschrieben/zusammengefasst, doc!

    genau das schreibe ich den schwangeren frauen oder den ewig wartenden immer wieder: fragt mal im elernforum nach, wie viele SPONTANschwangerschaften völlig ungeplant bei unzureichender verhütung nach KB-erstschwangerschaften auftreten!

    es sind wirklich viele…

    und ja, endo kennen die meisten viel zu wenig.

    der punkt mit der geduld, dem warten: das wird von nicht ausreichend qualifizierten FÄ oft genug praktiziert, gerne mit den tips, sich zu entspannen 😉 – daher ist dieser vorschlag sozusagen "verbrannt". aufgrund dieses fehlerhaften vorgehens wird von allen anderen eine manische hektik an den tag gelegt, um nur ja nicht etwas zu versäumen und dann bei älteren damen den kinderwunsch vermasselt zu haben.

    ich plädiere aber auch für die manische hektik 🙂 man weiß nie, was man während der behandlung noch alles entdeckt und wie erfolgreich man mit der behandlung ist… lieber geld aus dem fenster geschmissen, als nur gewartet, und dann zu alt sein für alles geld der welt….

  2. vanity schreibt

    Wir gehören ja auch zu den glücklichen mit spontaner und glücklich endender Schwangerschaft nach erfolgreicher IVF fürs 1. Kind. Entspannter waren wir aber nicht. Im Gegenteil. Nach 3 erfolglosen IVF fürs Geschwisterkind war die Sorge doch nicht mehr schwanger zu werden noch größer, wie bei der ersten IVF und der Druck immer höher. Geklappt hat es dann doch noch. Aber nach insgesamt 8-9 verhütungslosen Jahren ist das nun wirklich keine besondere Glanzleistung. Nun schauen wir mal, ob uns das Glück nochmal hold ist.

  3. Schoko schreibt

    Wir gehören zu denjenigen, die niemals auf eine spontane Ss hoffen können. Grund ist eine bombenfeste Verschlussazoospermie. Irgendwo bin ich froh, dass unser Kiwu wirklich nur durch die KB in Erfüllung gehen kann. Denn 2 oder 3 Jahre auf eine spontane Ss hoffen und dann doch eine KB machen zu müssen, ist schon nervzerreibender.
    Vorteil ist auch nach abgeschlossenem Kiwu, dass wir nie verhüten müssen 🙂

  4. Verena schreibt

    auch wir gehören zu diesen paaren! aber man denkt immer das passiert sowieso IMMER anderen! 😉 die spermienqualität meines mannes war milde ausgedrückt bescheiden! 1 mio. ges.!

    1tes kind im dritten ICSI versuch entstanden nach 6 jahren kiwu! 2tes kind komplett ungeplant einfach so enstanden! warum kann uns keiner erklären 😉

  5. PitPat schreibt

    Sehr schade, mal wieder übriggeblieben…3 IUIs, 2 ICSIs, 3 Kryos fürs erste Kind, dann immer im Forum von diesen "Zweit-Wundern" gelesen, jaja, der Körper weiß ja jetzt, wie’s geht…Pustekuchen.
    8 Versuche fürs Geschwisterchen klappten leider nicht, wir mussten aufgeben. Die Schwangerschaft hat irgendwas bei mir entscheidend durcheinandergebracht, eigentlich hatten wir "nur" ein schlechtes Spermiogramm…hrmpf. Tja, und mein fortgeschrittenes Alter (36 – 38 in der zweiten Runde), sonst konnte der Doc auch nichts finden. Zu unentspannt…

  6. looney schreibt

    Bei mir trat die 2. überraschende Schwangerschaft genau zu dem Zeitpunkt ein wo ich sehr viel um die Ohren hatte und so abgelenkt war. Meine 1. Tochter, entstanden bei der 4. ICSI, war zum Zeitpunkt der Zeugung 13 Monate.
    Ich frage mich bis heute was uns denn zu diesen Glück verholfen hat…

  7. nauka schreibt

    Ich musste mir schon öfter anhören: "Ach warts mal ab, beim zweiten wirst Du dann spontan schwanger, dass ist ja auch bei Familien die adoptieren… blah, blah, sülz".
    Ich freue mich dann fast zu sagen: "Ich habe keine Eileiter mehr."

  8. Regina schreibt

    Da kann ich nur lachen. Mit Entspannung hat das gar nichts zu tun. Nach unserem Sohn der bei der 4. IVF entstanden ist, dachte ich auch dass das 2. Kind automatisch kommt. Nach 3 Jahren vergeblichem warten haben wir dann wieder mit KB angefangen und sind jetzt bei der 5. IVF und immer noch nicht ss.
    Mittlerweile bereue ich dass wir 3 Jahre gewartet haben um fürs Geschwisterkind mit KB anzufangen.

  9. Melanie schreibt

    Hallo,

    ich hab dieses Wunder erlebt. Mein 1. Sohn kam durch ICSI auf die Welt, danach eine Kryoschwangerschaft die leider in der 15. SSW endete. Danach wurde ich wieder durch einen Kryoversuch schwanger, meine Tochter wurde 2 Jahr nach meinem Sohn geboren (wir hatten nie mehr verhütet da meine Eileiter bei zu waren und das Spermiogramm von meinem Mann so schlecht war das man damit nicht schwanger werden kann.) Ja und was passierte 12 Wochen nach der Geburt meiner Tochter, ich war schwanger – natürlich, ohne Hilfe! 9 Tage vor dem 1. Geburtstag meiner Tochter, kam Tochter Nr. 2 zur Welt, jetzt bin ich sterilisiert 🙂

    Alles kann – nichts muss. Ich bin froh über unsere ICSI´s und Kryos, nur warten hätte mich bestimmt nicht schwanger gemacht, wenn es danach trotzdem noch passiert ist das doch super.

  10. Elmar Breitbach schreibt

    @ Melanie: Nun spricht Ihre Geschichte vor allem dafür, dass Sie sehr fruchtbar sind. Und das offenbar auch unabhängig vom Spermiogramm Ihres Mannes. Herzlichen Glückwunsch zu dieser (größtenteils)schönen Geschichte 😉

  11. gast schreibt

    Hallo, ich warte seit 10 Jahren… Keine Kinder. 2 Fehlgeburten erlitten, beide male auch nur mit langer Wartezeit schwanger geworden. Das Zermürbende: laut der Ärzte bin ich kerngesund! (und mein Mann auch) Also wenn es eines Gegenbeweises bedarf, dass o.g. Theorie stimmt, ist es meine Geschichte.

  12. Elmar Breitbach schreibt

    @Gästin: Das ist bedauerlich, aber kein Gegenbeweis. Das wäre es nur, wenn die Studie darlegen würde, dass alle Paare schwanger werden. Sie zeigt lediglich, dass es mehr sind, als man erwarten würde.

    Die Diagnose "kerngesund" kann man nur stellen, wenn man ausführlich untersuchte (Gebärmutterspiegelung, Bauchspiegelung, Hormonstatus incl. Schilddrüse, Immunsystem, Gerinnung). Ich nehme an, dass dies vor allem auch in Anbetracht Ihrer Fehlgeburten alles gemacht wurde?

  13. Ninscha76 schreibt

    Hallo!

    Auch uns ist so ein Wunder passiert.
    Nach 6 Jahren erfolglosem Üben ,diversen Clomifen Behandlungen und IUI’s entstand unser erster Sohn 2012 durch die zweite ICSI.Wir waren überglücklich:-)
    Grund für unsere Sterilität bestimmten die Ärzte 1.schlechtes Spermiogramm meines Mannes(nur 2 % normalgeformte Spermien) und eventuell eine leichte Interaktionsstörung zwischen Ei und Spermie.

    wir hatten noch 9 Kryos auf Eis vom letzten Versuch(da hatte ich 31 Follikel !) doch finanzielle Gründe ließen keine weiteren Versuche zu so das wir nach 1,5 Jahren Kryokonservierung haben verwerfen lassen.
    Unser Sohn sollte also schweren Herzens ein Einzelkind bleiben.

    Tja und was soll ich sagen,wir hatten 1 mal Sex in 6 Monaten und vier Wochen später war mir schrecklich elend.
    Schwanger?-nee,ich doch nicht!(Dachte ich)
    Ein SsTest belehrte uns eines besseren 🙂
    Nun bin ich in der 11 Woche und wenn alles gut geht sind wir Ende Mai zu viert.

    Lg Nina