IVF: Alles in Ordnung, trotzdem keine Befruchtung? Juno ist schuld.
Bringt man gut bewegliche Spermien und reife Eizellen direkt in der Petrischale, sollte einer Befruchtung eigentlich nichts mehr im Wege stehen, würde man meinen. Es ist durchaus normal, dass sich nicht bei allen Eizellen eine Befruchtung einstellt, meist liegt die Rate bei ca. zwei Drittel der per IVF behandelten Eizellen. Da diese Quote aber auch für die ICSI gilt, kann man davon ausgehen, dass bei den nicht befruchteten Eizellen nicht das Eindringen der Spermien in die Eizelle das Problem darstellt, sondern innerzelluläre Vorgänge, die nach der Befruchtung stattfinden, gestört sind.
Was ist der Grund für ein totales Fertilisationsversagen?
Die Statistiken des Deutsche IVF-Registers lassen jedoch erkennen, dass es nicht nur Befruchtungsausfälle bei einigen Eizellen geben kann, sondern sämtliche Eizellen trotz bester Voraussetzungen nicht fertilisiert werden. Und das ist gar nicht so selten der Fall: Im Jahre 2012 blieb in 6,7% der IVF-Behandlungen die Befruchtung sämtlicher Eizellen aus.
Oft geschieht das recht überraschend, wenn eine künstliche Befruchtung z. B. wegen eines Verschlusses der Eileiter durchgeführt wird, erwartet man eine solche zusätzliche Problematik eigentlich nicht. Die Frage, warum das passieren kann, konnte bisher nicht zufriedenstellend beantwortet werden. Sicherlich auch jetzt noch nicht, aber nun gibt es neue Erkenntnisse.
Schlüssel und Schloss

Wenn einem von mir behandelten Paar ein solches Schicksal widerfuhr, erklärte ich es sehr theoretisch mit Rezeptoren, die an Spermien und Eizellen vorhanden sein müssen, damit die Befruchtung eintreten kann. Hat die Eizelle das Schloss ausgetauscht oder bringen die Spermien den falschen Schlüssel mit, ist eine befruchtende Verbindung beider nicht möglich.
So simpel die Erklärung ist, so schwer war es jedoch, diese Rezeptoren zu finden. Der Schlüssel – also das Protein auf dem Spermium – wurde bereits 2005 von einer japanischen Forschergruppe bei Mäusen entdeckt [1] und „Izumo“ genannt. Das Schloss ließ sich jedoch lange nicht identifizieren. Nun wurde es entdeckt und scheint bei allen Säugetieren identisch zu sein.
Schlüssel durchprobiert
Wenn man den Schlüssel hat, muss man nur schauen, in welches Schloss er passt. Und so machten es Enrica Bianchi vom Wellcome Trust Sanger Institute und ihre Kollegen [2]. Sie stellten eine künstliche Version des Izumo-Proteins her und versuchten herauszufinden, ob dieser Schlüssel mit Bestandteilen der Eizelloberfläche interagiert. Sie fanden ein solches Protein: Folr4, ein Folatrezeptor. Da das schwer zu merken ist und auch irgendwie nicht wirklich hübsch, wurde dieser Rezeptor nun „Juno“ genannt (röm. Göttin der Geburt, der Ehe und Fürsorge sagt Wikipedia dazu, also wohl auch Fruchtbarkeit). Wurde Juno durch Antikörper blockiert, blieb die Befruchtung der Eizellen aus.
Vermeidung von Mehrfachbefruchtung
Die unmittelbare Kontaktaufnahme zwischen Izumo und Juno ist für die dann folgende Befruchtung also offenbar eine unabdingbare Voraussetzung. Aber Juno hat noch eine andere Funktion. Unmittelbar nach dem Eindringen eines Samenfadens in die Eizelle, verschwindet „Juno“ komplett von der Oberfläche der Zelle und für Befruchtungsversuche weiterer Spermien fehlt dann das Schloss, ihr Eindringen wird somit blockiert. Dieses sinnvolle Phänomen wird als „Polyspermieblock“ bezeichnet, ohne dass bisher der zugrundeliegende Mechanismus bekannt war.
Bedeutung für die Praxis
Bisher wurde beim Ausbleiben der Befruchtung im Rahmen der IVF in einem Folgezyklus dann eine ICSI durchgeführt. Dem Samenfaden also direkt in die Eizelle geholfen, ohne dass er den Schlüssel benutzen musste, der ja ohnehin nicht passte. Diese naheliegende Lösung wird sicherlich auch weiterhin Verwendung finden. Aber möglicherweise lässt sich herausfinden, ob Männer eine Mutation des Izumo-Proteins oder Frauen des Juno-Proteins aufweisen. Dann ließe sich möglicherweise ein Großteil der Fertilisationsversagen bei der IVF vermeiden, da man sich dann gleich für die ICSI entscheiden könnte, obwohl die Spermien völlig normal erscheinen.
Und für einige Paare mit ungeklärter Unfruchtbarkeit ergibt sich dann auch zumindest der Ansatz einer Erklärung für ihr Problem.
[1] Inoue N, Ikawa M, Isotani A, Okabe M
The immunoglobulin superfamily protein Izumo is required for sperm to fuse with eggs.
Nature. 2005 Mar 10;434(7030):234-8.
[2] Bianchi E, Doe B, Goulding D, Wright GH
Juno is the egg Izumo receptor and is essential for mammalian fertilization
Nature (2014) doi:10.1038/nature13203
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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
Interessant. Nur leider hatten wir das gleiche Phänomen bei idiopathischer Sterilität, gutem Spermiogramm und 10 reifen, unauffälligen EZ (zuerst IVF mit unauffälligem Spermiogramm und 12 EZ, davon 5 reif – die 2. Nullbefruchtung war bei ICSI.).
Gibt es dafür auch eine Erklärung?
Zumindest nicht basierend auf den Erkenntnissen dieser Studie. Denn auch wenn die Rezeptoren die Kontaktaufnahme zwischen Eizelle und Spermium vermitteln: Was danach geschieht ist davon unabhängig:
Aus Spektrum.de
kann es sein das dieses Phänomen nicht 100% die Befruchtung verhindert. Kenne nämlich einen fall die nach einer Nullbefruchtunng bei der IVF doch noch natürlich einen Glückstreffer hatten
[…] nun konkret liegt, dass sich Spermien und Eizelle nicht verbinden, kann sie nicht sagen. Eine Interaktionsstörung steht im Raum, kann aber nicht explizit getestet werden, daher darf sie das auch nicht in den […]
Bei dem Kommentar dachte ich nun: gleich löschen. Probefahrten, da versucht sicherlich nur jemand einen Link auf irgendeine Autoseite zu setzen. Die Einstrichphobie ist jedoch nichts dergleichen, sondern lesenswert