Assisted Hatching. Wem hilft die Schlüpfhilfe?

Was bringt die "Schlüpfhilfe" bei der künstlichen Befruchtung?

„Assisted Hatching“ bedeutet, dass die Hülle des Embryos eingeritzt wird, um das Schlüpfen des Embryos zu erleichtern. Dadurch soll die Einnistung bei der künstlichen Befruchtung erleichtert werden. Mehr zur Methode des Assisted Hatching finden Sie entsprechenden Theorie-Kapitel dieser Seite. Unklar ist, ob diese Methode wirklich hilft und wenn ja, bei wem die Schlüpfhilfe die Chancen verbessert.

Hier noch mal eine ausführliche Zusammenfassung der Studien, die in der Zwischenzeit hier vorgestellt wurden. Als erstes die Übersicht in der Cochrane Database, da sie nur Studien berücksichtigt werden, deren Aussagekraft gut belegt sind.

Cochrane Database

Sicherlich am wichtigsten, weil wissenschaftlich die strengsten Maßstäbe angelegt wurden ist die Studie in der Cochrane Database1. Eine zuletzt im Jahre 2021 aktualisierte Analyse von mehreren Studien zum Assisted Hatching, ergab keinen wesentlichen Vorteil für die Methode. Die Schwangerschaftsraten scheinen zwar höher zu sein als ohne Hatching, jedoch gibt es keinen Nachweis dafür, dass auch die Anzahl der Lebendgeburten höher ist. Mehrlingsschwangerschaften waren nach Assisted Hatching deutlich häufiger.

Einnistungen finden nach Assisted Hatching häufiger statt und es gibt möglicherweise häufiger Mehrlinge. Die Zahl an Lebendgeburten lässt sich durch die Schlüpfhilfe jedoch nicht erhöhen.

Aber es gibt natürlich nicht nur die Studien, die den strengen Kriterien der Cochrane Database genügen, sondern auch andere, die im Hinblick auf bestimmte Details und Patientengruppen von Interesse sein können. Welche Untergruppen von Patientinnen könnten doch vom Hatching profitieren?

Alter

Eine Studie aus Frankreich2versuchte, den Effekt des Hatching bei Embryonen von Frauen ab 37 Jahren festzustellen. Auch in dieser gut definierten Untergruppe konnte eine Verbesserung der Schwangerschaftsraten durch Hatching nicht festgestellt werden. Die Rate an lebend geborenen Kindern betrug nach Hatching 22,4% und ohne Hatching 29,6%. Der Unterschied fiel also eher zugunsten der Kontrollgruppe aus, jedoch ist dieses Ergebnis nicht statistisch signifikant.

Eine weitere Studie aus Kanada3 untersuchte den Einfluss der Schlüpfhilfe auf die Erfolgsrate bei Frauen, die älter als 40 waren und sich ihrem ersten IVF-Zyklus unterzogen. Hier fand sich kein Unterschied, wenn das assisted Hatching eingesetzt wurde und die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die routinemäßige Anwendung der Methode nur aufgrund des Alters der Frau nicht zu rechtfertigen ist.

Auch bei älteren Frauen eher keine Vorteile zu erwarten

Eine Übersichtsarbeit, die aktuelle Studien zusammenfasste4, die sich mit der altersabhängigen Wirkung des Hatching auf die IVF-Erfolgsraten beschäftigten, fand zu einen zu wenig valide Daten in den gefundenen Studien. Zusammenfassend ergab sich keinen Hinweis auf eine Verbesserung der Lebendgeburtenrate bei älteren Frauen. Und möglicherweise sind die Chancen bei jüngeren Frauen nach Assisted Hatching sogar vermindert5.

Ein höheres Alter der Frau ist kein Grund, ein Hatching durchzuführen. Die Erfolgsraten werden in dieser Patientengruppe nicht verbessert

Nebenwirkung: Mehrlinge, erhöhte „Implantationsraten“

Neben der eingangs erwähnten Studie (Cochrane Database) wurde auch in anderen Studien häufiger berichtet, dass Mehrlingsschwangerschaften nach Assisted Hatching häufiger auftreten. Man hier von einem relativ konstant berichteten Phänomen ausgehen kann, welches auch bei zuvor eingefrorenen Embryonen beobachtet wurde6. Als Einzelbeobachtungen und Studien mit kleinen Fallzahlen wurde auch über ein erhöhtes Auftreten von eineiigen Mehrlingsschwangerschaften berichtet.

Das Risiko für Mehrlingsschwangerschaften ist nach Hatching möglicherweise höher als ohne.

Assisted Hatching bei Einnistungsstörungen

Hilft Assisted Hatching, die Einnistung oder Implantation zu verbessern? Man hofft, dass sich durch das erleichterte „Schlüpfen“ des Embryos die Fähigkeit zur Einnistung verbessert. Daher führt  man vor allem bei Paaren mit Einnistungsstörungen das Hatching häufiger durch. Eine gut designte (prospektiv, randomisiert, kontrolliert, doppelblind, multizentrisch) Studie aus den Niederlanden7 untersuchte nun für diese Paare den Effekt des Assisted Hatching. Alle Paare hatten also mehrfach keine Einnistung bei einer künstlichen Befruchtung gehabt. Von 297 Paaren wurden die Embryonen gehatched, in der Kontrollgruppe ohne Hatching waren 295  Paare.

Es wurden auch die Kryozyklen in die Berechnung einbezogen, also die „kumulative“ Zahl an Lebendgeburten pro Punktion errechnet. Mit Assisted Hatching wurden 77 Kinder geboren, was einer Lebendgeburtenrate von 25,9% entspricht. In der Kontrollgruppe betrug diese 23,1%. Das ist zwar weniger, aber der Unterschied war nicht signifikant. Ein Vorteil für das assisted Hatching ließ sich in dieser Studie also nicht finden.

Ob das Hatching nach wiederholt erfolgloser künstlicher Befruchtung von Vorteil sein kann, ist umstritten. Statistisch signifikante Belege dafür existieren jedenfalls nicht.

Kryotransfer

Man nimmt an, dass die Zellhülle von eingefrorenen und wieder aufgetauten Embryonen rigider ist als die von „frischen“ und deswegen das Assisted Hatching in diesen Fällen zu besseren Schwangerschaftsraten führt. Dies konnte jedoch in einigen Studien8910nicht bestätigt werden, auch nicht, wenn die Hülle der Embryonen eine überdurchschnittlich Dicke (≥ 16 mm) aufwies.

Neben diesen etwas älteren Studien zeigt auch eine aktuellere Übersichtsarbeit aus dem Jahr 201811 auch keine erhöhte Lebendgeburtenrate nach dem Transfer vormals eingefrorener Embryonen, wenn man diese hatchte.

Weder bei einer dickeren Eizellhülle noch beim Kryotransfer scheint das assisted Hatching von Vorteil zu sein.

Zusammenfassung

Interessant ist, dass bereits 1999, also zu einem Zeitpunkt, als noch eine ziemliche „Hype“ um das Assisted Hatching bestand, eine Studie erschien, die den ernüchternden Titel „A study failing to determine significant benefits from assisted hatching“12 trug und für alle die oben genannten Indikationen keine Verbesserung der Schwangerschaftsraten durch das Assisted Hatching nachweisen konnte[11].

Jeder mag aus dieser Datenlage seine eigenen Schlüsse ziehen, denn für eine griffige Gesamtaussage sind die Ergebnisse zu heterogen. Recht sicher scheint das erhöhte Mehrlingsrisiko zu sein. Die früher berichteten Hinweise auf Vorteile bei älteren Patienten lassen sich nicht mehr bestätigen. Beim Kryotransfer wird der Nachweis der positiven Auswirkungen schwierig – ebenso wie bei den Einnistungsstörungen.

Etwas überspitzt kann man zusammenfassen: Wer ohnehin leichter schwanger wird, wird es mit Assisted Hatching noch mehr (=Mehrlinge). Wer es vorher nicht wurde, wird es mit Hilfe des Assisted Hatching auch nicht leichter. Im Einzelfall kann es hilfreich sein, eine routinemäßige Anwendung nach dem Gießkannenprinzip ist nicht anzuraten.

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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
 

Literatur

  1. Lacey, L., Hassan, S., Franik, S., Seif, M. W., & Akhtar, M. A. (2021). Assisted hatching on assisted conception (in vitro fertilisation (IVF) and intracytoplasmic sperm injection (ICSI)). Cochrane Database of Systematic Reviews, (3).
  2. Frydman N, Madoux S, Hesters L, Duvernoy C, Feyereisen E, Le Du A, Tachdjian G, Frydman R, Fanchin R.
    A randomized double-blind controlled study on the efficacy of laser zona pellucida thinning on live birth rates in cases of advanced female age.
    Hum Reprod. 2006 Apr 27;
  3. Tannus S, Cohen Y, Henderson S, Son WY, Tulandi T
    The Effect of Assisted Hatching on Live Birth Rate Following Fresh Embryo Transfer in Advanced Maternal Age.
    Reprod Sci. 2018 Sep 13:1933719118799192. doi: 10.1177/1933719118799192.
  4. He F, Zhang CY, Wang LS, Li SL, Hu LN
    Assisted Hatching in Couples with Advanced Maternal Age: A Systematic Review and Meta-analysis.
    Curr Med Sci. 2018 Jun;38(3):552-557
  5. Rufas-Sapir O, Stein A, Orvieto R, Avrech OM, Kotler N, Pinkas H, Bar J, Fisch B
    Is assisted hatching beneficial in patients with recurrent implantation failures?
    Clin Exp Obstet Gynecol. 2004;31(2):110-2
  6. Gabrielsen A, Agerholm I, Toft B, Hald F, Petersen K, Aagaard J, Feldinger B, Lindenberg S, Fedder J.
    Assisted hatching improves implantation rates on cryopreserved-thawed embryos. A randomized prospective study
    Hum Reprod. 2004 Oct;19(10):2258-62
  7. Curfs, M. H., Cohlen, B. J., Slappendel, E. J., Schoot, D. C., Derhaag, J. G., van Golde, R. J., … & van Bavel, C. C. (2023). A multicentre double-blinded randomized controlled trial on the efficacy of laser-assisted hatching in patients with repeated implantation failure undergoing IVF or ICSI. Human Reproduction38(10), 1952-1960.
  8. Ng EH, Naveed F, Lau EY, Yeung WS, Chan CC, Tang OS, Ho PC
    A randomized double-blind controlled study of the efficacy of laser-assisted hatching on implantation and pregnancy rates of frozen-thawed embryo transfer at the cleavage stage.
    Hum Reprod. 2005 Apr;20(4):979-85
  9. Oehninger S, Mayer J, Muasher S
    Impact of different clinical variables on pregnancy outcome following embryo cryopreservation.
    Mol Cell Endocrinol. 2000 Nov 27;169(1-2):73-7
  10. Gabrielsen A, Agerholm I, Toft B, Hald F, Petersen K, Aagaard J, Feldinger B, Lindenberg S, Fedder J.
    Assisted hatching improves implantation rates on cryopreserved-thawed embryos. A randomized prospective study
    Hum Reprod. 2004 Oct;19(10):2258-62
  11. Zeng M, Su S, Li L
    The effect of laser-assisted hatching on pregnancy outcomes of cryopreserved-thawed embryo transfer: a meta-analysis of randomized controlled trials.
    Lasers Med Sci. 2018 Apr;33(3):655-666.
  12. Edirisinghe WR, Ahnonkitpanit V, Promviengchai S, Suwajanakorn S, Pruksananonda K, Chinpilas V, Virutamasen P
    A study failing to determine significant benefits from assisted hatching: patients selected for advanced age, zonal thickness of embryos, and previous failed attempts
    Assist Reprod Genet. 1999 Jul;16(6):294-301
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Kommentar

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4 Kommentare
  1. Claru schreibt

    Hallo, eine Frage dazu: Wenn Sie in diesem Artikel immer Embryo schreiben, dann sind damit Blastozysten gemeint, oder? Kann man Assisted Hatching auch an 2-4-oder 6-8-Zellern anwenden? Oder macht das keinen Sinn, bzw. stört das die Zellteilung`?

  2. Elmar Breitbach schreibt

    Umgekehrt. Bei der Blastozyste ist das Hatching riskanter, da sich die Zellen dann näher an der dann auch bereits ausgedünnten Eizellhülle befinden, während man das bei einem 8-Zeller an Tag 3 nach Punktion problemlos an einer Stelle durchführen kann, wo die Zellen weiter von der Wand entfernt sind.

  3. Claru schreibt

    Ah! Ok, danke. D.h. "Cleavage Stage" ist in der englischsprachigen Literatur dann Pronuclei- oder Embryonen bevor sie zu Blastozysten werden?
    Nun ist alles besser verständlich.

  4. Elmar Breitbach schreibt

    "Teilungsstadium" wäre Cleavage stage. Was natürlich Blödsinn ist, denn letztlich befindet sich jeder Mensch Zeit seines Lebens im steten Prozess der Zellteilung 😉 So dann auch die Blastozyste. Gemeint ist aber der Zeitraum Tag 2-3, wo man die Zellteilung auch noch genau beobachten kann.