Großbritannien erlaubt „Drei-Eltern-IVF“

Das britische Parlament stimmte gestern für die Zulassung einer Methode, die in der Presse gerne als Drei-Eltern-IVF bezeichnet wird. Was hat es damit auf sich?

Über erste Versuche mit dieser Methode berichteten wir hier bereits vor sieben Jahren. Ich darf aus diesem Artikel nochmal zitieren, um zu erklären, warum diese Methode für die Betroffenen Personen ein echter Segen ist. In einem Embryo befindet sich das genetische Material nach der Verschmelzung des mütterlichen und väterlichen Erbguts im Zellkern. Wie in jeder anderen Köperzelle auch. Ein sehr geringer Anteil der Gene finden sich jedoch auch in den sogenannten Mitochondrien, die gemeinhin als die “Kraftwerke” der Zelle bezeichnet wird und aus der Eizelle stammen. Hat eine Frau nun einen Defekt auf einem dieser außerhalb des Zellkerns befindlichen Gene, dann werden diese auch auf den neu entstandenen Embryo übertragen. Es gibt mehr als 40 erbliche Krankheiten, die über diese sogenannte mitochondriale DNA weitergegeben werden, also immer von der Mutter auf ihr Kind. Diese Erkrankungen sind zum Teil sehr schwerwiegend und führen nicht selten bereits im frühen Kindesalter zum Tod.

Grundsätzlich simpel

Das Prinzip, mit dem diese mitochondrial bedingten Erkrankungen bei entsprechend vorbelasteten Müttern vermieden werden können, ist recht einfach: Man entnimmt den Zellkern einer Eizelle der Frau, deren mitochondriale Chromosomen einen Defekt aufweisen, und überträgt diesen in die Eizelle einer Spenderin, deren Mitochondrien gesundes Erbgut aufweisen. Ganz so simpel ist es natürlich nicht, aber der Zellkerntransfer ist bereits an menschlichen Eizellen erprobt und die Methode gilt der englischen Kontrollbehörde HEFA (Human Fertilization Embryology Authority) zufolge als etabliert.

Das Erbgut wird dabei also nicht verändert, sondern lediglich Zellorganellen, die für die Funktion der Körperzellen vonnöten sind.

Auch in den Mitochondrien befindet sich Erbgut.
Auch in den Mitochondrien befindet sich Erbgut.

Methode steht in der Kritik

Die Kritik an der Methode ist daher nicht medizinisch motiviert, sondern es kommen hier ethische Bedenken zum Tragen. Als argumentativer Schnellschuss ist dann immer von „Designer-Babies“ die Rede. Um es einmal so zu formulieren: Hegte wirklich irgend jemand die Absicht, sich ein Kind mit besonderen Eigenschaften zusammenzustellen, dann wäre das mitochondrialen Erbguts das mit Abstand nutzloseste Ziel solcher Bemühungen. Nein,es geht nicht um blaue Augen und grüne Haare, es geht um die Vermeidung schrecklicher Erkrankungen.

Aus kirchlichen Kreisen wird dann auf die Vernichtung menschlichen Lebens hingewiesen. Dazu ist zu sagen: das übliche Schicksal der menschlichen Eizelle ist – gottgegeben – nur in den allerseltensten Fällen zur Geburt eines Kindes führend. Die meisten Eizellen sterben bereits vor der Ovulation ab, da sich nur eine Eizelle durchsetzt und ist diese eine dann voller Erwartung gesprungen, haben sich entweder die Spermien verirrt oder die Eizelle selbst ist nicht befruchtungsfähig oder oder…

Nicht befruchtet zu werden und abzusterben ist also das übliche Schicksal der Eizelle, die Befruchtung und Entwicklung einer Schwangerschaft die absolute Ausnahme. Und im übrigen werde ich nie verstehen, wie man das ohnehin ungewisse Schicksal einer Eizelle wichtiger finden kann, als die Vermeidung von wirklich schrecklichen Erkrankungen, an denen die Kinder meist versterben. Die Entscheidung des britischen Parlaments ist unbedingt zu begrüßen.

Foto von jurvetson

Noch Fragen?

Dann haben Sie in unserem Kinderwunschforum die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen oder Fragen an unsere Experten zu richten. Und hier finden Sie die Übersicht über die andere Foren von wunschkinder.de. Die am häufigsten gestellten Fragen haben wir nach Themen geordnet in unseren FAQ gesammelt.

Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
 

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Kommentar

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4 Kommentare
  1. Greta schreibt

    super entscheidung! danke – und GB ist ja nicht sooo weit weg.

    die reichsbedenkenträger peilen irgendwie nicht, dass selbst reichbedenkenträger aussterben, wenn WIR aussterben, weil wir zu dusselig sind, den richtigen leuten eine elternschaft zu ermöglichen!

    haben übrigens diese superchristen auch ein problem mit adoptivkindern? die haben auch ziemlich viele eltern-beteiligte…. und die eizellen der adoptivmutter verkommen auch noch jeden monat… tse!

  2. Biotexcom schreibt

    "Es gibt mehr als 40 erbliche Krankheiten, die über diese sogenannte mitochondriale DNA weitergegeben werden, also immer von der Mutter auf ihr Kind." Darum ist es eine Lösung. Hilfsreiche Lösung.
    Die Entscheidung des britischen Parlaments ist unbedingt zu begrüßen.

  3. Hummel67 schreibt

    Lieber Doc,
    Vielen Dank für dieses phantastische und doch zutiefst menschliche Statement.

  4. […] im Februar dieses Jahres stimmte das britische Parlament für die Zulassung der Mitochondrienspende. Nach langer Beratung der von ihr beauftragen Ethikkommission hat die zuständige Zulassungbehörde […]