Gelbkörperhormon bei IVF und ICSI: Was, wann und wie lange?
Das Gelbkörperhormon unterstützt die Einnistung.
Nach einer IVF wird in den meisten Fällen zur Unterstützung der Einnistung Gelbkörperhormon gegeben. Wann man es gibt, wie lange und welche Präparate, ist umstritten. Ein Blick auf Studien zum Thema.
Die wichtigste Frage gleich mal vorab:
Muss man überhaupt Gelbkörperhormone geben?
Grundsätzlich muss man sich die Frage stellen, ob die Gabe von Progesteron nach einer künstlichen Befruchtung überhaupt notwendig ist. Denn wenn die Eizellen entnommen wurden, bildet sich aus jedem Follikel, in dem die Eizellen heranreiften, ein Gelbkörper. Es ist also mit eher unphysiologisch hohen Gelbkörperhormonspiegeln im Blut zu rechnen.
Dennoch wurden in älteren Studien ein positiver Effekt auf die Lebendgeburtenrate nach IVF beschrieben. Hier erwies sich die zusätzliche Gabe von hCG (Schwangerschaftshormon) als wirksamer im Vergleich zur reinen Gabe von Gelbkörperhormonen1. Eine Zusammenfassung jüngerer Studien in der Cochrane Database 2kam zu ähnlichen Ergebnissen. Die Gabe von Schwangerschaftshormon (hCG) oder die Gabe von Progesteron scheint die Zahl der lebend geborenen Kinder zu erhöhen. Allerdings sind die Daten der Studien zu inhomogen, um den positiven Effekt wirklich beweisen zu können. Eine zusätzliche Gabe von Östrogenen scheint sich in den üblichen Standardprotokollen nicht positiv auszuwirken.
Schwangerschaftshormon wirkt direkt auf die Gelbkörper an den Eierstöcken nach dem Eisprung oder vielmehr der Eizellentnahme bei der künstlichen Befruchtung.
Das Schwangerschaftshormon (hCG) bewirkt, dass die Gelbkörper an den Eierstöcken zur vermehrten Produktion von Progesteron (Gelbkörperhormon) angeregt werden. Bei einer normal entstandenen Schwangerschaft führt das vom sich einnistenden Embryo produzierte hCG zur Erhöhung der Gelbkörperhormonspiegel. Der Embryo sorgt dadurch selbst für optimale Hormonspiegel zum Erhalt der Schwangerschaft.
Gibt man nun das hCG als Spritze (z. B. Brevactid), dann wird das Gleiche bewirkt und die Eierstöcke produzieren verstärkt Gelbkörperhormon.
Wie lange sollte man das Gelbkörperhormon geben?
Auch in unserem Forum wird diese Frage häufig gestellt. Insbesondere, wenn eine Schwangerschaft eingetreten ist und der behandelnde Arzt sagt, dass die zusätzliche Gabe des Progesterons nicht mehr notwendig ist, befürchten die Schwangeren eine Fehlgeburt aufgrund eines Progesteronmangels. Biologisch gesehen ist dies eher unwahrscheinlich, da das Schwangerschaftshormon (hCG) den Gelbkörper dazu anregt, verstärkt Progesteron zu bilden. Die Frage ist jedoch, ob diese Mechanismen auch ausreichend funktionieren, wenn im langen Protokoll vorher eine Downregulation erfolgte.
Im Wesentlichen gibt es drei verschiedene Zeitpunkte, bis zu denen das Gelbkörperhormon gegeben wird: Bis zum positiven Schwangerschaftstest, bis zum ersten Ultraschall (ca. 6.-7. Schwangerschaftswoche) oder bis zur 12. Woche der Schwangerschaft. Die meisten Frauen fühlen sich mit einer längeren Hormonunterstützung sicherer.
Das ist nachvollziehbar, aber ist der Vorteil einer längeren Progesterongabe auch wissenschaftlich belegbar? Treten – und darum geht es ja – weniger Fehlgeburten auf, wenn man das Gelbkörperhormon bis zur 12. Schwangerschaftswoche weiter nimmt?
Übersichtsarbeit: Gabe über den positiven Schwangerschaftstest hinaus nicht notwendig
Eine Analyse der Daten aus mehreren Studien zu diesem Thema3 ergibt keinen Vorteil für die Gabe über den positiven Schwangerschaftstest hinaus.
Wird der Eisprung jedoch nicht klassisch, sondern mit GnRH-Analoga (wird hier erklärt) ausgelöst, dann kann eine längere Therapie mit Progesteron sinnvoll sein.
Wann sollte man mit der Progesteron-Gabe beginnen?
Folgende Optionen bestehen:
1. Vor der Punktion beginnend
2. Ab dem Tag der Punktion
3. Ab dem Tag des Transfers
Eine holländische Arbeitsgruppe4 hat diese eingangs erwähnten unterschiedlichen Zeitpunkte untersucht und 385 Patientinnen den drei Gruppen zugeordnet. Bei gleichem Verlauf der Behandlung (Eizellzahl etc. identisch) wurden folgende Zahlen für fortlaufende Schwangerschaften erzielt:
1. 20,8%
2. 22,7%
3. 23,6%
Wer jetzt also daraus schließt, dass die dritte Methode die beste sei, ist leider auf dem Holzweg. Um einen signifikanten Effekt einer der Methoden mit der untersuchten Patientenzahl nachweisen, hätte ein Unterschied von 18% zugunsten einer der Verfahrensweisen festgestellt werden müssen. Mit anderen Worten: Die Unterschiede sind nicht signifikant und der Zeitpunkt des Beginns der Progesteron-Gabe scheint keinen großen Einfluss auf den Erfolg einer künstlichen Befruchtung zu haben.
Was sollte man geben?
Die Gabe von Progesteron erfolgt entweder oral als Tablette und Kapsel oder vaginal. Unterschiede hinsichtlich der Schwangerschaftsraten finden sich zwischen diesen beiden Vorgehensweisen nicht. Jahrelang galt die vaginale Gabe als effektiver und sicherer. Die Idee war hier vor allem, dass das Progesteron weniger effektiv wirkt, wenn man es als Tablette einnimmt, weil der Wirkstoff schneller in der Leber abgebaut wird („first pass effect“).
Jedoch auch in älteren Studien konnte bereits der Nachweis erbracht werden, dass dies nicht zutrifft6[/efn_note]. Eine große randomisierte Studie aus dem Jahr 20177 konnte zeigen, dass die Gabe von Dydrogesteron als Tablette (Duphaston) ebenso gut als Lutealphasenunterstützung wirkt wie Vaginalzäpfchen oder -gele, evtl. sogar besser.
Man wird nicht umhinkommen, diese Studienergebnisse in den Behandlungen zu berücksichtigen. Die Autoren der Studie sehen in ihr sogar den neuen Standard8. Letztlich muss das Duphaston dafür nicht besser wirken als die bislang vaginal verabreichten Medikamente, sondern nur gleich gut. Denn dass die Einnahme des Progesterons als Tablette für die Frauen angenehmer ist, war ein weiteres Ergebnis der Studie.
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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
Literatur
- Nosarka S, Kruger T, Siebert I, Grove D
Luteal phase support in in vitro fertilization: meta-analysis of randomized trials
Gynecol Obstet Invest. 2005;60(2):67-74 - van der Linden M, Buckingham K, Farquhar C, Kremer JA, Metwally M
Luteal phase support for assisted reproduction cycles.
Cochrane Database Syst Rev. 2015 Jul 7;(7):CD009154. - Watters, M., Noble, M., Child, T., Nelson, S. M. (2019). Short Versus Extended Progesterone Supplementation for Luteal Phase Support in fresh IVF cycles: a systematic review and meta-analysis. Reproductive BioMedicine Online (2019), doi: https://doi.org/10.1016/j.rbmo.2019.10.009
- Mochtar MH, Van Wely M, Van der Veen F
Timing luteal phase support in GnRH agonist down-regulated IVF/embryo transfer cycles
Hum Reprod. 2006 Apr;21(4):905-8. - 5Chakravarty BN, Shirazee HH, Dam P, Goswami SK, Chatterjee R, Ghosh S
Oral dydrogesterone versus intravaginal micronised progesterone as luteal phase support in assisted reproductive technology (ART) cycles: results of a randomised study.
J Steroid Biochem Mol Biol. 2005 Dec;97(5):416-20 - Tournaye H, Sukhikh GT, Kahler E, Griesinger G
A Phase III randomized controlled trial comparing the efficacy, safety and tolerability of oral dydrogesterone versus micronized vaginal progesterone for luteal support in in vitro fertilization.
Hum Reprod. 2017 May 1;32(5):1019-1027 - Griesinger G, Blockeel C, Tournaye H
Oral dydrogesterone for luteal phase support in fresh in vitro fertilization cycles: a new standard?
Fertil Steril. 2018 May;109(5):756-762