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Bei Krebserkrankung: Transplantation von Eierstocksgewebe

Die Behandlung einer bösartigen Erkrankung muss nicht mit dem Verlust der Fruchtbarkeit einhergehen

Rückblick 2004: Eine junge Frau erhielt nach einer Chemotherapie eigenes Eierstocksgewebe transplantiert. Der Vorgang wird eigentlich als „Retransplantation“ bezeichnet, weil das Gewebe zurücktransplantiert wird.

Unsere Nachricht aus dem Jahre 2004 berichtete damals über eine Sensation:

Das Team um Jacques Donnez von der Katholischen Universität in Brüssel berichtet von einer erfolgreichen Transplantation von Eierstocksgewebe und einer anschließend auf normalem Wege eingetretenen Schwangerschaft. 1987 führte man bei der damals 25jährigen Patientin wegen eines Lymphkrebs eine Chemotherapie durch. Vor dieser Behandlung eine Gewebsprobe aus dem Eierstock entnommen und eingefroren.

Nach der Chemotherapie kam es leider nicht zu einer Erholung der Eierstocksfunktion, weshalb das zuvor entnommene Gewebe aufgetaut wurde und der Frau wieder implantiert wurde. Dies erfolgt an der Stelle, an der die Eierstöcke typischerweise liegen. Es kam im weiteren Verlauf nach der Operation zu einem regelmäßigen Zyklus und schließlich zu einer Schwangerschaft. Ähnliches wurde bereits in Großbritannien probiert, jedoch kam hier eine reproduktionsmedizinische Unterstützung zum Einsatz. Dieses Vorgehen bietet eine große Chance für junge Frauen mit ähnlichen Erkrankungen, welche eine gute Prognose nach Chemotherapie bieten.

Was hat sich inzwischen getan?

Viele bösartige Erkrankungen können heutzutage gut behandelt werden. Allerdings sind dazu oft Chemotherapien notwendig, die die Funktion der Eierstöcke schädigen können. Dies kann durchaus von Dauer sein, so dass Maßnahmen zum Erhalt der Fruchtbarkeit notwendig werden.

Das Einfrieren und später die Transplantation von Eierstocksgewebe hat sich als Maßnahme zum Erhalt der Fruchtbarkeit von jungen Frauen, die sich einer Krebstherapie unterziehen müssen, etabliert. Kliniken und Arztpraxen, die eine solche Therapie anbieten, sind im Netzwerk Fertiprotekt zusammengeschlossen. Jungen Frauen kann jetzt oft vor einer Chemotherapie ein Angebot zum Erhalt der Fruchtbarkeit gemacht werden. Zum Thema des Einfrierens von Eierstocksgewebe informiert Fertiprotekt auf seiner Homepage:

Eierstockgewebe kann vor einer Chemo- oder Strahlentherapie entnommen, kryokonserviert (eingefroren) und im Falle eines Funktionsverlustes der Eierstöcke später transplantiert werden, um die Fruchtbarkeit wieder herzustellen.

Da die kryokonservierte Gewebemenge nicht groß ist, sind die Transplantate bisher oft nur einige Jahre aktiv. Deswegen dient die Transplantation auch nicht der Wiederherstellung einer langjährigen Eierstockfunktion, die eine ggf. erforderliche Hormonersatztherapie ersetzen würde, sondern nur der zeitlich begrenzten Wiederaufnahme einer Eibläschenbildung, um eine Schwangerschaft zu erzielen.

Grundsätzlich gilt, dass die Chancen für eine Schwangerschaft steigen, desto höher die Eierstockreserve, d.h. die Eibläschendichte im eingefrorenen und transplantierten Eierstockgewebe, ist. Deswegen eignet sich die Kryokonservierung von Eierstockgewebe ideal für jüngere Frauen oder sogar für Kinder. Als Altersobergrenze empfiehlt FertiPROTEKT 35 Jahre, wobei diese Grenze im Einzelfall in Abhängigkeit von der Eierstockreserve auch bei ca. 38 Jahren liegen kann.

Erfolge der Transplantation von Eierstockgewebe

In Deutschland wurde nach der Retransplantation von Eierstocksgewebe erstmals im Jahr 2012 über eine Schwangerschaft berichtet1.

Inzwischen (Stand 2020) wurden weltweit nach Transplantation von Ovargewebe wurden weltweit über 170 Kinder geboren. Auch wenn diese Zahl noch gering ist, hat sich die Methode dennoch als Teil der Routine zum Erhalt der Fruchtbarkeit von jungen Frauen etabliert. Sie wird auch in entsprechenden Richtlinien empfohlen2

Zahlen aus Dänemark (2015)

Dänen neigen dazu, irgendwie alles akribisch statistisch aufzubereiten. Zahllose empirische Studien mit zum Teil verstörenden Ergebnissen und überschaubarem wissenschaftlichen Wert sind dabei herausgekommen, aber auch manch interessantes Zahlenwerk. Wie zum Beispiel die vorliegende Nachuntersuchung von Frauen, die sich Eierstockgewebe haben entnehmen und später wieder reimplatieren lassen.

Die Studie wurde im Jahre 2015 in Human Reproduction veröffentlicht3 und zeigt, dass das reimplantierte Gewebe mindestens 10 Jahre im Körper ungestört arbeitet und das Verfahren kein erhöhtes Risiko für das Wiederauftreten der Krebserkrankung nach sich zog.  Zuvor bestand bei diesem Verfahren die Sorge, man könne möglicherweise am Eierstock befindliche Krebszellen unentdeckt mitkonservieren und dann später die nunmehr gesunde Patientin durch die Wiedereinsetzung des Gewebes unwissentlich erneut erkranken lassen.

Dr. Annette Jensen und ihre Kollegen vom Rigshospitalet des Universitätsklinikums Odense und des Aarhus University Hospital in Dänemark überprüfte die Verläufe von 41 dänischen Frauen, die insgesamt 53 Transplantationen von aufgetautem Eierstockgewebe haben durchführen lassen über einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren.

Jensen zu den Ergebnissen der Nachuntersuchungen: „Viele Mädchen und jungen Frauen, die mit einer Krankheit wie Krebs konfrontiert wurden, haben nun eine realistische Hoffnung auf Genesung und ein normales Leben. Jedoch kann die Behandlung ihrer Krankheit zur Unfruchtbarkeit durch eine Beschädigung der der Eierstöcke führen. Das Bewusstsein für die Lebensqualität nach einer Krebsbehandlung hat sich erhöht und Techniken zur Entnahme, Einfrieren, Lagern und Reimplantation von Eierstockgewebe haben sich weiterentwickelt. Der Erhalt der Fruchtbarkeit wird immer mehr zu einem integralen Bestandteil der Behandlung. Die Methode ist jedoch noch in seinen Anfängen, die Wirksamkeit und Sicherheit muss jedoch noch verifiziert werden.

Ein Drittel der Frauen bekamen ein Kind

Foto von TipsTimesAdmin
Eine Schwangerschaft nach Krebs ist möglich.

Das Programm zum Einfrieren des Ovarialgewebes begann in Dänemark im Jahr 2000. Seitdem haben fast 800 Frauen Gewebe eingefroren. Für diese Studie untersuchten die Forscher die Ergebnisse der Frauen, deren Transplantationen zwischen 2003 und Juni 2014 durchgeführt wurden. Das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt des Einfrierens betrug 29,8 Jahre, das Durchschnittsalter bei der ersten Transplantation lag bei 33 . Von den 41 Frauen wollten  32 schwanger zu werden. Zehn (31%) waren damit erfolgreich und bekamen mindestens ein Kind (14 Kinder) einschließlich einer Frau, die sich aktuell noch im fortgeschrittenen Stadium ihrer Schwangerschaft befindet. Darüber hinaus gab es zwei legale Abtreibungen, eine, weil die Frau sich von ihrem von ihrem Partner trennte, die andere wegen eines erneuten Auftretens von Brustkrebs. Eine dritte Frau erlebt eine Fehlgeburt in ihrer 19. Schwangerschaftswoche.

Acht der Schwangerschaften traten nach Transplantation des Eierstockgewebes auf natürlichem Wege ein und sechs Kinder wurden mit Hilfe einer In-vitro-Fertilisation (IVF) gezeugt.

Die Lebensdauer der Transplantate muss noch evaluiert werden

Bei drei Frauen lag die Transplantation mehr als 10 Jahre zurück und bei sechs Patienten war es mehr als acht Jahre. Fünfzehn Frauen haben ihre Eierstöcke bereits mehr als acht Jahre wieder im Körper. Die übrigen Patienten hatten ihre Transplantation vor sechs Monaten bis fünf Jahren. „Die volle Lebensdauer der Transplantate wird noch ausgewertet, denn bei vielen Frauen funktioniert das transplantierte Gewebe weiterhin“, sagte Dr. Jensen. Drei der 41 Frauen hatten nach der Eierstock-Transplantation hatte einen Rückfall ihrer ursprünglichen Krebserkrankung: zwei hatten ein Rezidiv eines Brusttumors und eine ein erneutes Auftreten eines Ewing-Sarkoms.

Methode scheint sicher

Die Wissenschaftler geben an, dass keiner dieser Rückfälle auf die Transplantation von Eierstockgewebe zurückzuführen ist. „Soweit wir wissen, ist dies die größte Serie von Eierstockgewebetransplantation weltweit und diese Erkenntnisse zeigen, dass die Methode die Funktion der Eierstöcke ohne wesentliche Gefahren wieder herstellen kann. In der untersuchten Gruppe von Frauen lag die Schwangerschaftsrate bei gut 30%. Die Tatsache, dass Überlebende einer Krebserkrankung sind nun in der Lage sind, ein eigenes Kind haben, bedeutet eine sehr wesentliche Verbesserung ihrer Lebensqualität“, sagt Dr. Jensen.“ Allerdings ist es wichtig, dass Frauen, die transplantierte Eierstockgewebe erhalten haben, weiter nachuntersucht werden. Die Wissenschaftler werden die transplantierten Patientinnen weiterhin nachuntersuchen. „Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse es ermöglichen, die Methode als Routinebehandlung zu etablieren, was nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Kostenübernahme (auch in anderen Ländern) von Bedeutung wäre“.

Kosten

Bis vor Kurzem half die Nachricht, dass die Möglichkeit zum Einfrieren von Ovargewebe besteht, nicht jeder betroffenen Frau, denn die Kosten für die Behandlung sind nicht unerheblich. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) legt fest, welche Behandlungen von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden. Im Jahr 2020 beschloss der G-BA, dass die Kosten für das Einfrieren von Eierstockgewebe und auch Spermien zum Erhalt der Fruchtbarkeit von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.

Noch Fragen?

Dann haben Sie in unserem Kinderwunschforum die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen oder Fragen an unsere Experten zu richten. Und hier finden Sie die Übersicht über die andere Foren von wunschkinder.de. Die am häufigsten gestellten Fragen haben wir nach Themen geordnet in unseren FAQ gesammelt.

Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
 

Literatur

  1. Müller A, Keller K, Wacker J, Dittrich R, Keck G, Montag M,
    van der Ven H, Wachter D, Beckmann MW, Distler W: Retransplantation
    of cryopreserved ovarian tissue: the first live birth in Germany.
    Dtsch Arztebl Int 2012; 109(1–2): 8–13. DOI: 10.3238/arztebl.2012.0008
  2. Dittrich, R., Kliesch, S., Schüring, A., Balcerek, M., Baston-Buest, D. M., Beck, R., … & Lotz, L. (2018). Fertility preservation for patients with malignant disease. Guideline of the DGGG, DGU and DGRM (S2k-Level, AWMF Registry No. 015/082, November 2017)–Recommendations and statements for girls and women. Geburtshilfe und Frauenheilkunde78(06), 567-584.
  3. Jensen, A. K., Kristensen, S. G., Macklon, K. T., Jeppesen, J. V., Fedder, J., Ernst, E., & Andersen, C. Y. (2015). Outcomes of transplantations of cryopreserved ovarian tissue to 41 women in Denmark. Human Reproduction30(12), 2838-2845.
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1 Kommentar
  1. […] auf normalem Weg, also ohne reproduktionsmedizinische Maßnahmen. Hier im Blog hatte ich erstmals im Jahre 2004 darüber berichtet. Mittlerweile gibt es sogar eine mehrfache Mutter nach diesem […]