Muss man den Hormonhaushalt bei Endometriose unterdrücken?

Ist eine Downregulation bei Endometriose immer notwendig?

Die Endometriose ist eine häufige Erkrankung bei Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch. Sie kann auf Östrogene reagieren. Oft empfiehlt man daher, vor einer künstlichen Befruchtung eine „Downregulation“ durchzuführen. Man reguliert den Hormonhaushalt damit über einen längeren Zeitraum herunter. Ist dies tatsächlich notwendig?

Die Endometriose ist eine komplexe Erkrankung, die oft mit unerfülltem Kinderwunsch einhergeht. Da das Endometriosegewebe auf Östrogene reagiert und dadurch wachsen kann, behandelt man sie oft durch den Entzug von Östrogen. Nun ist die IVF oder ICSI so ziemlich das Gegenteil einer Hormonentzugstherapie. Man versucht hier ja durch die Gabe von Hormonen einen ausreichende Zahl an Eizellen zu gewinnen. Um dem ein wenig gegenzusteuern wird oft dazu geraten, diese Stimulation der Eierstöcke mit einer „Downregulation“ zu verbinden.

Mögliche Vorteile der Downregulation bei Endometriose

Die dort eingesetzten Medikamente blockieren die Aktivität der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) und damit auch die Aktivität der Eierstöcke. In der Folge produzieren diese dann weniger Östrogen. Für die künstliche Befruchtung gibt man im Anschluss an diese Downregulation anschließend Hormone, um die Eierstöcke anzuregen. Diese Kombination wird als „langes Protokoll“ bezeichnet und hier beschrieben. Wenn man diese Runteregulierung nicht nur 4 Wochen, sondern über mehrere Monate durchführt, nennt man dies ein „ultralanges Protokoll“. Und diese empfiehlt man oft bei Endometriose.

Mehr Nebenwirkungen ohne Downregulation?

Ein Grund für diese Empfehlung ist die Vermeidung von Nebenwirkungen bei Endometriose. Man geht davon aus, dass ohne diese zusätzliche Therapie diese Erkrankung verschlechtern könnte. Kürzlich hatten wir hier aber schon eine Übersichtsarbeit1 die diese Fragestellung aufgriff. Die Ergebnisse waren beruhigend: Weder die krankheitsbedingten Beschwerden noch die Gefahr eines Wiederauftretens nach Operation wird durch eine IVF oder ICSI verstärkt. Und offenbar ist dies auch unabhängig vom Verwendeten Protokoll.

Bessere Erfolgsraten mit Downregulation bei Endometriose?

Bezüglich der Nebenwirkungen einer Stimulation für IVF und ICSI sind die Ergebnisse also schon ein wenig beruhigender als man dies früher annahm. Dennoch gab es immer wieder Studien, in denen die Vorteile des ultralangen Protokolls bei Endometriose herausgestellt wurden. Auch hier hatten wir dazu eine Studie dazu vorgestellt2.

Nun ist diese Übersichtsarbeit inzwischen aber schon arg in die Jahre gekommen. Und man darf nicht vernachlässigen, dass die Runterregulierung des Hormonhaushalts über einen so langen Zeitraum zahlreiche Nebenwirkungen zur Folge hat. Wird man dann wenigstens besser schwanger? Einer Übersichtsarbeit aus dem Jahre 20193 zu Folge ist dies offenbar nicht der Fall. Zumindest nicht mit der Sicherheit, die notwendig wäre, um die Nebenwirkungen zu rechtfertigen.

Ultralanges Protokoll hat keine Vorteile

Acht Studien erfüllten die strengen Voraussetzungen der Cochrane Database. In diesen wurden die Ergebnisse von 640 Patientinnen dokumentiert. Man verglich dabei jeweils die Ergebnisse des ultralangen Protokolls mit einem „normalen“ langen Protokoll, der Gabe eine Antibabypille vorab oder einer IVF ganz ohne eine solche Vorbehandlung. Die Autoren der Studie fanden keine sicheren Hinweise auf

  • eine höhere Lebendgeburtenrate
  • eine geringere Komplikationsrate
  • eine höhere Rate an im Ultraschall erkennbaren (=klinische) Schwangerschaften
  • einen Unterschied bei den Mehrlingsraten
  • einen Unterschied bei den Fehlgeburten
Man kann es also kurz zusammenfassen: Es fanden sich keine besseren Ergebnisse mit dem ultralangen Protokoll.

Die Autoren wiesen jedoch – zu recht – darauf hin, dass die Zahl der aktuell vorliegenden Studien mit ausreichender Qualität nicht ausreicht, um zu einer sicheren Bewertung zu kommen. Jedoch darf man in Anbetracht dieser – vorläufigen – Ergebnisse die Frage nach dem Sinn des ultralangen Protokolls stellen.

 

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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
 

Literatur

  1. Somigliana, E., Viganò, P., Benaglia, L., Busnelli, A., Paffoni, A., & Vercellini, P. (2019). Ovarian stimulation and endometriosis progression or recurrence: a systematic review. Reproductive biomedicine online38(2), 185-194.
  2. Sallam, H. N., Garcia‐Velasco, J. A., Dias, S., Arici, A., & Abou‐Setta, A. M. (2006). Long‐term pituitary down‐regulation before in vitro fertilization (IVF) for women with endometriosis. Cochrane Database of Systematic Reviews, (1).
  3. Georgiou, E. X., Melo, P., Baker, P. E., Sallam, H. N., Arici, A., Garcia‐Velasco, J. A., … & Granne, I. E. (2019). Long‐term GnRH agonist therapy before in vitro fertilisation (IVF) for improving fertility outcomes in women with endometriosis. Cochrane Database of Systematic Reviews, (11).
Quelle Artikel via Cochrane Database
Über Prof. Frank Nawroth, Hamburg
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Kommentar

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2 Kommentare
  1. Libby schreibt

    Gehört Visanne (Gestagene, wenn ich mich richtig erinnere) zu den Medikamenten, die man bei der Downregulation einsetzen kann?

  2. Elmar Breitbach schreibt

    Nein, das ist ja nur eine Pille. Diese reguliert den Hormonhaushalt zwar auch herunter, es ist also so ähnlich. Aber die sogenannte "Downregulation" unterdrückt die Aktivität der Hirnanhangsdrüse direkt.