Die Wiedergeburt der intrauterinen Insemination – besser als ihr Ruf?

Eigentlich war die Insemination schon aus der Mode gekommen. Nun erlebt sie eine Renaissance.

Aufgrund vermeintlich niedriger Erfolgsraten wurde die Insemination (IUI) zugunsten der künstlichen Befruchtung immer seltener durchgeführt. In aktuellen Studien zeigt die Inseminationstherapie zunehmend bessere Ergebnisse. Die Auswahl der geeigneten Patienten ist dabei von großer Bedeutung.

Was spricht gegen die Insemination?

Bei Diskussionen zur Inseminationtherapie wurden in den letzten Jahren vor allem die Nachteile aufgeführt

  • schlechte Schwangerschaftsraten (im einstelligen Bereich pro Zyklus)
  • Häufiger höhergradige Mehrlinge
  • In Deutschland aufgrund fehlender Länderzuschüsse vergleichsweise teuer
  • Die IUI bringt nur eine Verbesserung bei eingeschränktem Spermiogramm – wenn überhaupt, denn zu schlecht darf es allerdings auch nicht sein
  • Bessere Verträglichkeit der IVF als noch vor Jahren

Stimmt das alles? und vor allem: Stimmt es bei allen Patienten? Offenbar nicht ganz, wenn man aktuelle Studien berücksichtigt.

Wem hilft die Inseminationen? Überhaupt jemandem?

Natürlich sind die Erfolgsraten deutlich niedriger als bei der IVF, jedoch ist der Aufwand der Behandlung auch um Einiges niedriger. Wenn man die Paare für die Insemination richtig auswählt, sind die Erfolgsraten ausreichend, um es vor der IVF-Behandlung erst einmal auszuprobieren. Eine ausreichende Spermienqualität ist erforderlich, daher wird die Therapie weiterhin nur bei einer moderaten Verminderung der männlichen Fruchtbarkeit empfohlen.

Werden nach Aufbereitung des Ejakulats mehr als 5 Millionen Samenfäden inseminiert, dann können die Schwangerschaftsraten durchaus bis zu 20% erreichen. Je nach Studie wird man mit einer guten Auswahl der Paare in bis zu einem Drittel der Fälle eine Schwangerschaft innerhalb von drei Behandlungen erwarten können. Denen erspart man die IVF oder ICSI.

Und bei idiopathischer Sterilität?

Wenn eine Schwangerschaft aus ungeklärten Gründen ausbleibt, dann spricht man von einer „idiopathischen Sterilität“, deren Therapieoptionen ich noch vor einem Jahr hier vorstellte. In diesem Artikel wurde der damals – jetzt ist der Artikel überarbeitet – gültige Stand der Wissenschaft zu Grunde gelegt. Demzufolge waren die Erfolgsraten bei idiopathischer Sterilität bei einer Insemination nur geringfügig höher als bei einer einfschen hormonellen Stimulation1. Im Laufe des Jahres kamen jedoch weitere Studien dazu, die belegten, dass die IUI auch bei einer idiopathischen Sterilität hilfreich sein kann und der einfachen hormonellen Stimulation deutlich überlegen ist2.

Werden IVF und ICSI zu vorschnell angewendet?

Nein, so pauschal kann man das nicht sagen. Aber die Insemination ist – nach wie vor – eine sinnvolle Therapie bei mäßig eingeschränkter männlicher Fruchtbarkeit. Und wenn man einem Viertel bis einem Drittel der davon betroffenen Patientinnen eine ICSI oder IVF ersparen kann, dann ist der Versuch in jedem Fall zu rechtfertigen.

Bei der idiopathischen Sterilität wurde nach Ablauf eines längeren Zeitraums oft direkt von einer einfachen hormonellen Stimulation zur IVF gewechselt, weil man der Insemination keine weitere Verbesserung der Schwangerschaftswahrscheinlichkeit zutraute. Die Studienlage hat sich jedoch inzwischen geändert und die NICE-Guidelines in Großbritannien – an denen sich auch deutsche Reproduktionsmediziner vielfach orientierten – sind nicht uneingeschränkt aufrecht zu erhalten.

Man muss es natürlich immer im Einzelfall entscheiden, aber bei der idiopathischen Sterilität ist die Insemination oft ein sinnvoller Zwischenschritt mit einer ausreichend hohen Erfolgswahrscheinlichkeit, um einige Behandlungszyklen durchzuführen.

Bessere Verträglichkeit der IVF?

Es steht außer Frage, dass die künstliche Befruchtung sehr viel einfacher durchführbar ist als noch vor Jahren. Die einfache Handhabung und Verträglichkeit der Medikamente, die deutlich nebenwirkungsärmeren Narkosen, die geringeren Mehrlingsraten, die Möglichkeit, erfolgreich einzufrieren und weitere Eizellentnahmen zu vermeiden: All das sind große Verbesserungen.

Aber die Insemination bleibt eine einfache, unkomplizierte und für die Patientinnen gut verträgliche Behandlung. Der Wechsel zur IVF fällt mit Sicherheit leichter als noch vor 1-2 Jahrzehnten, aber es gibt nach wie vor keinen guten Grund, die Insemination gleich zu überspringen, wenn sie medizinische gesehen sinnvoll ist. Mal abgesehen vom Geld.

IUI: schlechteres Preis-Leistungs-Verhältnis?

Grundsätzlich spiegelt der Aufwand einer Insemination durchaus in den Kosten wieder, die deutlich unter dem liegen, was man für eine künstliche Befruchtung zahlen muss. Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen bei beiden Behandlungen 50%. Nun ist es aber so, dass in einigen Bundesländern eine zusätzliche Unterstützung vom Staat erfolgt, welcher den Eigenanteil auf 25% reduziert. Und möglicherweise wird dies bald bundesweit einheitlich so sein.

Jedoch wird dieser staatliche Zuschuss nur für die Reagenzglasbefruchtung und nicht für die Insemination gewährt. Während gesetzlich Versicherte in manchen Bundesländern für eine IVF einen Eigenanteil von ca. 800 Euro zahlen müssen, schlagen für die IUI ca. 400 bis 500 Euro zu Buche (abhängig natürlich in beiden Fällen von der Menge der verabreichten Hormone, die einen Großteil der Kosten ausmachen).

Wenn man sich von Seiten der Politik also Gedanken darüber macht, wie man die Paare finanziell unterstützt, dann sollte man ruhig auch noch einen Schritt weiterdenken. Denn aktuell spricht das Preis-Leistungsverhältnis sehr gegen die Insemination und es wird der Ärzteschaft  schwer fallen, manche Paare von der Sinnhaftigkeit einer IUI zu überzeugen, wenn sich die Kosten nur um wenige hundert Euro unterscheiden.

Noch Fragen?

Dann haben Sie in unserem Kinderwunschforum die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen oder Fragen an unsere Experten zu richten. Und hier finden Sie die Übersicht über die andere Foren von wunschkinder.de. Die am häufigsten gestellten Fragen haben wir nach Themen geordnet in unseren FAQ gesammelt.

Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
 

Literatur

  1. Pandian Z, Gibreel A, Bhattacharya S.
    In vitro fertilisation for unexplained subfertility.
    Cochrane Database Syst Rev. 2015 Nov 19;(11):CD003357. doi: 10.1002/14651858.CD003357.pub4
  2. Farquhar CM, Liu E, Armstrong S, Arroll N, Lensen S, Brown J
    Intrauterine insemination with ovarian stimulation versus expectant management for unexplained infertility (TUI): a pragmatic, open-label, randomised, controlled, two-centre trial.
    Lancet. 2018 Feb 3;391(10119):441-450. doi: 10.1016/S0140-6736(17)32406-6. Epub 2017 Nov 23
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