Calcium Ionophor zur Verbesserung der Befruchtung bei ICSI
Verbesserte Befruchtung der Eizellen mit Kalzium Ionophor
Die Bedeutung von Kalzium oder Calcium Ionophor für die Befruchtung der Eizelle ist schon lange bekannt. Erste Publikationen zu diesem Thema erschienen bereits, als es die künstliche Befruchtung beim Menschen noch gar kein Thema war1. Hilft Calcium Ionophor, die Befruchtung bei der ICSI zu verbessern?
Es gibt eine unübersichtliche Zahl von Zusatzmaßnahmen, von denen man sich eine Verbesserung der Schwangerschaftsraten bei einer ICSI erhofft. Im Rahmen einer Serie haben wir hier die verschiedenen Möglichkeiten zusammengefasst. In dieser Liste erscheint auch die Aktivierung der Eizelle mit Hilfe von Kalzium Ionophor zur Verbesserung der Befruchtungsrate. Mit diesem Addon für die künstliche Befruchtung wollen wir uns in diesem Artikel beschäftigen.
Normale Befruchtungsrate bei IVF und ICSI
Es ist völlig normal, dass sich nicht alle Eizellen im Rahmen einer IVF oder ICSI befruchten lassen. Normalerweise liegt die Quote bei 60-80% der reifen Eizellen. Erst wenn weniger als ein Drittel der Eizellen befruchtet werden, ist das ein auffälliger Befund. Tritt dies mach einer IVF auf, dann wechselt man zunächst einmal auf die ICSI. Dabei injiziert man ja einzelne Spermien direkt in die Eizelle und erleichtert dadurch die Befruchtung. Calcium Ionophor wendet man nur bei der ICSI an, wenn eine Befruchtungsrate von weniger als 30% erreicht wurde.
Wann verwendet man Calcium Ionophor?
Kalzium Ionophor (so kann man es nämlich auch schreiben) wird also ausschließlich bei der ICSI eingesetzt. Man rät dazu, wenn die Befruchtungsrate bei der ICSI 30% unterschreitet1. Nur diese Paare profitieren dann auch von einer Behandlung mit Calcium Ionophor. Denn aufgrund durchaus positiver Studienergebnisse2 könnte man ja auch versucht sein, Kalzium immer anzuwenden. Das scheint aber nicht sinnvoll zu sein.
Wie funktioniert das Calcium-Ionophor?
Um befruchtet zu werden, muss die Eizelle „aktiviert werden. Das passiert meist zeitgleich mit dem Eindringen eines Spermiums. Und offenbar funktioniert das auch bei der ICSI, obwohl hierbei die Spermien ja in die Eizelle eingespritzt werden. Bei der ungestörten Befruchtung wird Phospholipase Cζ (PLCζ, PLC zeta) aus dem Spermienkopf freigesetzt. Das widerum bewirkt einen Einstrom von Kalzium in die Eizelle.
Das einströmende Kalzium ist dann das Startsignal für die Eizelle – sie wird dadurch aktiviert. Bleibt dieser Effekt aus, dann findet auch keine Befruchtung statt, obwohl das Spermium sich direkt in der Eizelle befindet. Und da setzt das Calcium Ionophor an: Indem man in der direkten Umgebung der Eizelle die Kalzium-Konzentration erhöht, also Calcium Ionophor in die Nährflüssigkeit (Medium) gibt, in der die Eizelle sich befindet („herumschwimmt“), gelangt auch mehr davon in die Eizelle. Somit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Eizelle aktiviert und befruchtet wird, obwohl Spermium und/oder Eizelle den aktivierenden Einstrom des Kalziums ohne Hilfe nicht zustande bringen.
Calzium Ionophor aktiviert die Eizelle also von außen.
Wie sind die Ergebnisse dieser Behandlung?
Wählt man die Paare richtig aus, dann ist die Antwort: GUT! Tatsächlich. Denn wir haben ja über die Jahre (ich über die Jahrzehnte) die Erfahrung machen müssen, dass gute Ideen in der Praxis dann leider nicht immer zu guten Ergebnissen führen. Eine recht aktuelle Studie mit einer hohen Fallzahl3 zeigte
- Eine verbesserte Befruchtungsrate: 51 statt 13,1%
- Fortlaufende Schwangerschaften 47 statt 21,7%
Weitere aktuelle Einzelstudien berichteten über ähnliche Ergebnisse4. In sogenannten Metaanalysen (hier werden die Ergebnisse mehrerer Studien zusammengeführt) konnten die Einzelergebnisse ebenfalls bestätigt werden. Hier wurde auch die Zahl der geborenen Kinder als deutlich erhöht angegeben und das ist es ja letztlich auch, worum es geht.
Ist die Verwendung von Calcium-Ionophor sicher?
Eine wichtige Frage ist ja auch immer, ob eine Zusatzmaßnahme bei der künstlichen Befruchtung ein zusätzliches Risiko für die Gesundheit der Kinder bedeutet, die mit Hilfe dieser Methode gezeugt werden. Eine Studie aus dem Jahre 20205 untersuchte diesen Aspekt ausführlich. Es zeigte sich kein Einfluss auf die Zahl an Fehlgeburten und Fehlbildungen bei den Kindern. Die im letzten Absatz bereits verlinkte Studie6 kam zu dem gleichen Ergebnis.
Gibt es alternative Methoden zur Aktivierung der Eizellen?
Grundsätzlich gilt alles, was den Eintritt von Kalzium in die Eizelle verbessert, als mögliche Substanz. Zu nennen sind hierbei: Strontiumchlorid (als am besten untersuchte Alternative), Puromycin und Calcimycin. Wenn man nicht die Aktivierung der Eizelle, sondern vor allem eine bessere Befruchtungsrate im Blick hat, dann ist noch die PICSI erwähnenswert und möglicherweise die neue Methode der PIEZO-ICSI eine Option7. Diese setzt aber an der Methode der ICSI an und verspricht dadurch eine bessere Befruchtung. „Die Penetration der Zellmembran wird durch Piezo-Impulse unterstützt“ gibt der Hersteller Eppendorf an. Gegenwärtig ist hier die Studienlage noch etwas dünn, dazu dann später vielleicht etwas mehr. Oder auch nicht, wie z. B. bei der mICSI. Die Wundermittel kommen und gehen. Nur die wenigsten bleiben…
Wird die Anwendung von Calcium Ionophor von der Krankenkasse bezahlt?
Grundsätzlich sollte Geld nur für medizinische Maßnahmen ausgegeben werden, deren Wirksamkeit belegt ist. Das ist jedoch nicht der Fall. Wie auch immer: Obwohl viel für die Anwendung von Calcium Ionophor in bestimmten Fällen spricht, wird die Leistung von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen.
Noch Fragen?
Dann haben Sie in unserem Kinderwunschforum die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen oder Fragen an unsere Experten zu richten. Und hier finden Sie die Übersicht über die andere Foren von wunschkinder.de. Die am häufigsten gestellten Fragen haben wir nach Themen geordnet in unseren FAQ gesammelt.
Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
Literatur
- Ebner, T. (2022). Artificial Oocyte Activation. Advances in Assisted Reproduction Technologies, 5, 143.
- Kashir, J., Ganesh, D., Jones, C., & Coward, K. (2022). Oocyte activation deficiency and assisted oocyte activation: mechanisms, obstacles and prospects for clinical application. Human Reproduction Open, 2022(2), hoac003.
- Tejera, A., Ferri, L. A., Izquierdo, P. G., Torregrosa, D. B., Remohí, J. A., & Escrivá, M. M. (2021). Treatment with Calcium Ionophore Improves The Results in Patients with Previous Unsuccessful Attempts at The Fertilization: A Cohort Study. International Journal of Fertility & Sterility, 15(4), 286.
- Lam, K. K., Wong, J. Y., Cheung, T. M., Li, R. H., Ng, E. H., & Yeung, W. S. (2022). A retrospective analysis of artificial oocyte activation in patients with low or no fertilisation in intracytoplasmic sperm injection cycles. Journal of Obstetrics and Gynaecology, 42(4), 648-653.
- Long, R., Wang, M., Yang, Q. Y., Hu, S. Q., Zhu, L. X., & Jin, L. (2020). Risk of birth defects in children conceived by artificial oocyte activation and intracytoplasmic sperm injection: a meta-analysis. Reproductive Biology and Endocrinology, 18(1), 1-9.
- Shan, Y., Zhao, H., Zhao, D., Wang, J., Cui, Y., & Bao, H. (2022). Assisted oocyte activation with calcium ionophore improves pregnancy outcomes and offspring safety in infertile patients: a systematic review and meta-analysis. Frontiers in physiology, 2513.
- Zander-Fox, D., Lam, K., Pacella-Ince, L., Tully, C., Hamilton, H., Hiraoka, K., … & Tremellen, K. (2021). PIEZO-ICSI increases fertilization rates compared with standard ICSI: a prospective cohort study. Reproductive BioMedicine Online, 43(3), 404-412.
Hallo,
können Sie mir sagen, ob die PICSI von den privaten Krankenkassen bezahlt wird?
Hallo Josh,
in diesem Beitrag geht es um das Calcium-Ionophor und nicht die PICSI. Beides sind keine Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse. Bei den privaten Versicherungen ist das dann meistens auch der Fall. Am besten ist es, direkt bei der jeweiligen Versicherung nachzufragen. Wobei die Kosten für beide Methoden recht übersichtlich sind.