Bluthochdruck bei IVF-Kindern. Eine Relativierung.

Zwei Interviews in der ZEIT relativieren die zuvor beschriebenen Risiken der IVF auf die Blutgefäße der Kinder

Kürzlich haben wir hier über eine Studie berichtet, in der Hinweise auf Schädigungen der Blutgefäße von Kindern nach künstlicher Befruchtung und damit ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck bei IVF-Kindern gefunden wurden.

Dass sich Medien, die der IVF und ICSI aus den verschiedensten Gründen sehr skeptisch oder gar feindlich gegenüberstehen, auf diese Studie stürzen würden, war zu erwarten. Es verwunderte jedoch, dass die ZEIT dazu einen Artikel veröffentlichte, der – vorsichtig formuliert – tendenziöse Ansätze zeigte. Schon die zunächst gewählte Überschrift „Diese Kinder sind doch anders“ war überraschend diskriminierend und wurde dann später nach ersten Protesten in den Kommentaren in „Diese Kinder sind doch nicht so gesund“ geändert.

Der Autor Jan Simmak ignoriert dabei völlig die Datenbasis, auf deren Grundlage diese Aussage getätigt wurde. Selbst die Autoren bewerten aufgrund der niedrigen Fallzahl diese Ergebnisse als vorläufig und als „Hinweis“. Simmak stellt jedoch – wie bereits in meinem vorherigen Artikel ausgeführt – die Sicherheit der gesamten Reproduktionsmedizin in Frage und unternimmt nur halbherzige Versuche, andere Fakten mit einzubeziehen.

Auch alte Kampfbegriffe, die schon vor Jahrzehnten zur Diskreditierung der IVF verwendet wurden, tauchen in diesem Artikel – leicht abgewandelt – wieder auf. Statt „Reagenzglasbaby“ heißt es nun „Petrischalenkinder„. Und die Darstellung der Fakten ist durch keine Selbstzweifel getrübt. Simmak vermeidet durchgehend den Konjunktiv, denn er hat keine Zweifel. „Die neue Studie ist nur die Spitze des Eisbergs“ behauptet er und verweist dazu auf Studien, deren Ergebnisse inzwischen bereits widerlegt oder deutlich relativiert wurden.

Warum ich das alle noch einmal auskrame?

Weil der gleiche Autor nun ein Interview mit dem Autor der Studie und einer Reproduktionsbiologin aus Münster veröffentlichte, in der vieles relativiert wurde. Und diese Interviews hätte ich mir gleich gewünscht.

Viele Leserinnen und Leser sendeten Zuschriften, in denen sie fragten, was die Ergebnisse für ihr Leben oder das ihrer Kinder bedeuten könnten. Darauf gehen an dieser Stelle in Interviews der Kardiologe Urs Scherrer und die Reproduktionsbiologin Verena Nordhoff ein.

Offenbar war niemandem vorher klar, was der Artikel an Ängsten bei Betroffenen hervorrufen würde. Es ist anzuerkennen, dass nun der Versuch unternommen wurde, die Ergebnisse der Studie weniger tendenziös darzustellen. Es werden jetzt sogar Studien zitiert, die eine andere Sicht auf die Thematik vermitteln1. Und selbst für den Fall, dass ein erhöhter Blutdruck festgestellt wird, beruhigt Urs Scherrer:“Jeder gute Hausarzt ist absolut in der Lage, sich um solche Patienten zu kümmern.

Noch Fragen?

Dann haben Sie in unserem Kinderwunschforum die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen oder Fragen an unsere Experten zu richten. Und hier finden Sie die Übersicht über die andere Foren von wunschkinder.de. Die am häufigsten gestellten Fragen haben wir nach Themen geordnet in unseren FAQ gesammelt.

Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
 

Literatur

  1. Guo XY, Liu XM, Jin L, Wang TT, Ullah K, Sheng JZ3 Huang HF
    Cardiovascular and metabolic profiles of offspring conceived by assisted reproductive technologies: a systematic review and meta-analysis.
    Fertil Steril. 2017 Mar;107(3):622-631.e5
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Kommentar

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4 Kommentare
  1. Luzie*** schreibt

    Es bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen, allen voran der Autor Jan Simmak, daraus lernen und zukünftig genauer und unter zu Hilfenahme der Original-Studien Artikel recherchieren.

  2. Elmar Breitbach schreibt

    @ Luzie***
    das ist in der Tat zu hoffen. Und er schreibt ja nicht für ein Blatt, welches für schlechte Recherche steht.

  3. rebella67 schreibt

    Es gibt schon wieder einen neuen tendenziösen Artikel zu dem Thema: http://www.faz.net/aktuell/wissen/kuenstliche-befruchtung-das-risiko-der-retortenkinder-15828193.html

    Er wurde von einer alten Bekannten geschrieben: Martina Lenzen-Schulte. Ich freue mich, wenn dieser Artikel hier auch kommentiert wird. Hilfreich wäre dies vor dem 28.11.18, da der Artikel in der Stellungnahme von Christina Hirthammer-Schmidt-Bleibtreu von der Ärztekammer Nordrhein für die Anhörung im Bundestag zur Erweiterung der Kostenübernahmen bei assistierten Befruchtungen herangezogen wird.

  4. Elmar Breitbach schreibt

    Wenn ich ehrlich bin, habe ich von Lenzen-Schulte bereits genug gelesen. Und mich schon oft genug über ihre grandiose Ignoranz aufgeregt. Und wenn Frau HSB diesen Artikel als Argumentationsgrundlage wählt, dann wird sie ihre Gründe haben. Das ist bedauerlich. Ein Experte vor Ort wäre hilfreich.