Ist der Blastozystentransfer wirklich besser?

Ist der Transfer von Embryonen 5 Tage nach der Eizellentnahme erfolgreicher?

Die richtige Auswahl der Embryonen ist für den Erfolg einer künstlichen Befruchtung von großer Bedeutung. Gelingt dies besser 5 Tage nach der Punktion (Blastozystentransfer) als nach 3 Tagen?

Die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft im Rahmen einer künstlichen Befruchtung hängt davon ab, welchen Embryo man für den Transfer, also das Einsetzen in die Gebärmutter auswählt. Oft wird behauptet, dass ein längerer Beobachtungszeitraum über 5 Tage – ein Blastozystentransfer – die Chancen für die richtige Auswahl und somit für den Eintritt einer Schwangerschaft erhöht.

Wie erfolgt eigentlich die Beurteilung von Embryonen?

Im Wesentlichen wird die Embryonenqualität anhand des äußeren Erscheinungsbilds (Morphologie) festgelegt. Dazu gibt es klar definiert Kriterien bei Blastozysten und bei Embryonen 2-3 Tage nach der Punktion. Wie man in den verlinkten Artikel sehen kann, gibt es an dem fortgeschritteneren Embryo im Blastozystenstadium deutlich mehr erkennbare Qualitätskriterien als bei den jüngeren Embryonen. Hier noch einmal ein Bild einer Blastozyste, damit man sich darunter auch richtig etwas vorstellen kann:

Blastozyste Trophoblast Embryoblast

Es liegt nahe, dass man hier mehr erkennt als am Tag 2 oder 3 nach der Punktion. Dennoch ist dies erst einmal nur eine Idee. Keine schlechte, aber eben auch nur eine, deren Inhalt erst einmal bewiesen werden muss. Und solche Studien, die dies mit Kontrollen gegen die Erfolge der Tag 2-3 Transfers und in ausreichender Zahl von Patienten untersuchten, gab es lange Zeit nur wenige.

Studien zum Blastozystentransfer

Will man die Überlegenheit einer Methode untersuchen, dann muss man sie dem vergleichen, was aktuell der Standard ist, also dem Einsetzen der Embryonen während der ersten Teilungen zwei oder drei Tage nach der Eizellentnahme. Während sich früher nur wenige gute Studien finden ließen, in denen dies untersucht wurde, lassen sich nun mehr als 27 Studien finden, in denen  die Ergebnisse von mehr als 4.000 Paaren Eingang fanden1. Eine solide Grundlage. Was also kommt dabei heraus, wenn man die Daten zu einer Übersicht zusammenfasst?

Vorteile für den Blastozystentransfer

  • Liegt die Chance für eine Lebendgeburt nach einem Transfer an Tag 2/3 bei 29%, dann liegt diese Zahl für den Blastozystentransfer statistisch zwischen 32 und 42%. Der Unterschied erscheint klarer, als er wirklich ist, denn trotz der hohen Zahl an Patienten ist der Unterschied nur mäßig signifikant („low quality evidence“).
  • Die „kumulative Schwangerschaftsrate“ nach einer Punktion, gefolgt vom Einfrieren überschüssiger Eizellen und/oder Embryonen und Transfer all dieser Zellen bis zur Schwangerschaft, zeigte keinen Unterschied zwischen frühem und späten Transfer.
  • Die Rate an Mehrlingsschwangerschaften unterschied sich nicht
  • Die Zahl an Embryonen oder Eizellen, die zur Kryokonservierung zur Verfügung standen, war nach frühem Transfer höher als nach einem Blastozystentransfer.
  • Die Zahl der Zyklen ohne Transfer lag bei geplanten Blastozystentransfer mehr als doppelt so hoch.

Fazit

Je mehr gute Studien (also guter Aussagekraft) es gibt, desto mehr Vorteile ergeben sich für den Blastozystentransfer. Die Unterschiede sind immer noch nicht signifikant, jedoch zeichnet sich ein Trend zum Vorteil des späten Transfer ab. Möglicherweise wird man erst durch weitere größere Studien zu einer endgültigen Beurteilung kommen können – so sagen es zumindest die Autoren dieser Übersichtsarbeit. Möglicherweise wird man dann auch feststellen, für welche Patientengruppe der Blastozystentransfer wirklich einen Nutzen bringt und bei welchen die althergebrachte Methode die bessere sein könnte.

Ist die Rückgabe von nur einem Embryo geplant (Single Embryo Transfer), dann allerdings hat sich die Kultur über 5 Tage als Methode der Wahl durchgesetzt.

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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
 

Literatur

  1. Glujovsky D, Farquhar C, Quinteiro Retamar AM, Alvarez Sedo CR, Blake D
    Cleavage stage versus blastocyst stage embryo transfer in assisted reproductive technology.
    Cochrane Database Syst Rev. 2016 Jun 30;(6):CD002118
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Kommentar

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2 Kommentare
  1. Rebella schreibt

    Hinsichtlich der Mehrlinge gibt es hier aber einen Widerspruch zu diesem Artikel aus Ihrem Blog: https://wunschkinder.de/wissenschaft/ivf-und-icsi/haeufiger-eineiige-zwillinge-nach-blastozystentransfer-8336/ , in dem zu lesen ist, dass nach dem Blastozystentransfer die Zahl der eineiigen Mehrlinge doppelt so hoch ist (im Vergleich zum Transfer am Tag 2).

    Wenn die "kumulative Schwangerschaftsrate" und am Besten auch gleich noch die "kumulative Geburtenrate" gleich hoch ist, spricht das eindeutig für den Blastotransfer, da man sich Zeit und Nerven für zusätzliche Versuche und für das Einfrieren spart.

    Allerdings liegt der Embryo 3 Tage länger im Kulturmedium. Deshalb würde ich zumindest dann, wenn nur 1 – 3 Embryonen am Tag 2, 3 oder 4 da sind, den früheren Transfer bevorzugen.

  2. […] Teil 4: Ist der Blastozystentransfer wirklich besser? […]