Laptop, WLAN, Handys und Spermien

Es ist mal wieder soweit. Eine neue Studie zum Thema Laptop und ihre Wirkung auf die Spermien geht um die Welt. Der negative Einfluss von Handys auf die Spermienbeweglichkeit ist ja ein immer wieder gern zitiertes Dauerthema, wenn es um die männliche Fruchtbarkeit geht. Ob es durchaus ordentlich gemacht Studien sind, die beharrlich in den Medien fehlinterpretiert werden, oder Studien deren Ergebnisse schlicht gefälscht wurden, es bleibt beim wissenschaftlich nicht vorgebildeten Laien eine große Verunsicherung, die für Scharlatanerie anfällig macht. Eine Zusammenfassung der „Handy-Spermien-Artikel in diesem Blogs gibt es hier.

Spermien unterm Mikroskop
Spermien unterm Mikroskop.

Auch der „Spermienkiller Laptop“ ist schon länger Objekt von Studien. Bei manchen Studien fragt man sich, ob sie überhaupt existieren, werden sie doch in der nichtwissenschaftlichen Presse lediglich mit dem Hinweis auf „amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden…“ zitiert. Ich hatte ja anderenorts bereits die Vermutung geäußert, dass diese Studie überhaupt nicht existiert, sondern der Glaube daran lediglich durch Wissenschaftsjournalisten und regelmäßiges Abschreiben voneinander am Leben erhalten wird.

Aber nun ist es nicht nur das Laptop, sondern auch das WLAN, welches die reproduktive Integrität des Mannes beinträchtigen soll. Und keine amerikanische, sondern eine argentinische Studie. In dieser wurden Spermienproben von 29 fruchtbaren Männern in jeweils zwei Portionen geteilt und anschließend entweder unter einen Laptop gestellt, der mit einem WLAN verbunden war oder als Kontrolle lediglich mit einer Temperaturmessung über 4 Stunden aufbewahrt. Das Ergebnis: Mit WLAN und Laptop reduzierte sich die Menge beweglicher Spermien um 25% und 9% wiesen eine DNA-Fragmentierung auf (Brüche im Erbmaterial). Bei der Kontrolle waren es 14% bzw. 3%.

Die Schlussfolgerung: WLAN ist schädlich für Spermien. So werden die Ergebnisse dieser Studie zumindest von der Presse interpretiert. Philipp Bayer moniert in seinem Artikel zu dieser Studie, dass man in den Ergebnissen die Wirkung von Laptop und WLAN nicht trennen kann, die Schuld an der Spermienschädigung nicht zwanglos der drahtlosen Datenübertragung zuzuordnen ist.

In den Kommentaren zu seinem Artikel wird darauf hingewiesen, dass die Zahl der Probanden mit 29 zwar gering ist, bei einem ausreichend großen Effekt der Studienanordung jedoch trotzdem statistisch signifikant. Aus andrologischer Sicht ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Geschwindigkeitsverlust der Spermien (90-Minuten-Motilität) bei manchen Männern auf natürliche Art sehr viel höher ist als bei anderen. Dies bei der Auswahl der Probanden nicht zu berücksichtigen, könnte durchaus problematisch sein, wenngleich dies durch die Aufteilung der jeweiligen Spermienproben zum Teil kompensiert werden kann.

Robert Oates (Nein, er hat nicht das OAT-Syndrom erfunden), der Präsident der Gesellschaft für männliche Fruchtbarkeit und Urologie teilte der Agentur Reuters mit, dass er nicht glaubt, dass Laptops eine signifikante Gefahr für die Spermienqualität darstellen: „Die Versuchsanordnung hat nichts mit dem wirklichen Leben zu tun. Es ist ein komplett künstliches Setting. Wissenschaftlich sicherlich interessant, aber ohne relevante Aussage zur menschlichen Biologie.“ Er fügt hinzu, dass noch keine Studie existiert, die den Zusammenhang zwischen Laptopgebrauch und männlicher Zeugungsfähigkeit ausreichend dokumentiert.

Das ist übrigens ein Problem fast aller andrologischen Studien: Sie untersuchen einige Parameter der Spermien und stellen fest, dass diese hoch- oder runtergehen. Was jedoch keine Aussage zur Zeugungsfähigkeit zulässt. Endpunkt einer solchen Untersuchung muss es immer sein, ob die Partnerin (idealerweise mit unbeeinträchtigter Fruchtbarkeit) schwanger wird oder nicht. Das ist in diesem Zusammenhang der einzig interessante Parameter. Das gilt übrigens auch für die DNA-Fragmentierungen. Hier wird ein 14%iger Anteil an Spermien mit nicht intaktem Erbgut als pathologisch gewertet. Mag sein, dass dies ein statistisch signifikanter Anstieg ist. Sucht man jedoch nach Werten, deren Überschreiten mit einer deutlichen Verminderung der Schwangerschaftswahrscheinlichkeit einhergeht, dann liegen diese für die ICSI bei knapp 20% und für die normale Befruchtung bei der IVF offenbar sogar deutlich höher.

Der Shift in der DNA-Fragmentierung erfolgt also durch die WLAN-Behandlung vom normalen Bereich in den normalen Bereich. Zumindest wenn der Mann an sich fruchtbar ist. Besteht bereits eine geringe Fruchtbarkeit könnte dies evtl. anders ausehen. Aber das ist reine Spekulation. Ebenso wie die Spekulation um die Übertragbarkeit dieser WLAN-Studie auf den Menschen. Bei dem der Laptop normalerweise nicht direkt wenige Zentimeter über den Hoden positioniert wird und sich die Spermien nicht exponiert an der Oberfläche befinden, sondern deutlich geschützter im Hodengewebe.

Um zum Abschluss noch einmal Robert Oates zu Wort kommen zu lassen:
„Und plötzlich entsteht da aus einem völlig künstlichen Versuchsaufbau eine Sorge für reale Menschen in normalen Lebenssituationen, wo dies überhaupt nicht notwendig ist“.

Conrado Avendaño , Ariela Mata, César A. Sanchez Sarmiento, Gustavo F. Doncel
Use of laptop computers connected to internet through Wi-Fi decreases human sperm motility and increases sperm DNA fragmentation
Fertility and Sterility DOI: 10.1016/j.fertnstert.2011.10.012, 23 November 2011

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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
 

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Kommentar

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8 Kommentare
  1. hallihallo schreibt

    "Robert Oates, der Präsident der Gesellschaft für männliche Fruchtbarkeit und Urologie teilte der Agentur Reuters mit, dass er nicht glaubt, dass Laptops eine signifikante Gefahr für die Spermienqualität darstellen: “Die Versuchsanordnung hat nichts mit dem wirklichen Leben zu tun. Es ist ein komplett künstliches Setting. Wissenschaftlich sicherlich interessant, aber ohne relevante Aussage zur menschlichen Biologie.”

    Das finde ich jetzt doch recht irritierend. Medizinische Forschung ist naturwissenschaftliche Forschung und die findet meines Wissens nun mal weitgehend im Labor statt. Wievielen medizinischen Studien, die unter genau so künstlichen Bedingungen gemacht wurden, hat Herr Oates schon geglaubt? Seine Profession, der er vorsitzt, beruht auf solchen Forschungen. Nun nimmt er sich heraus, das ganz einfach "nicht zu glauben". Dann gibt er an, dass es noch "keine Studie" gäbe die den Zusammenhang beweist – obwohl im ja gerade eine solche vorgelegt wurde!
    Die Details der Versuchsanordnung sind bestimmt differenziert zu kritisieren, was Hr. Dr. Breitbach hier zu tun versucht – aber gerade darum bleibt der schale Nachgeschmack dass Hr. Dr. Oates das ganze undifferenziert abtut und einfach nichts davon hören will.
    Und wie hier dargelegt wird, ist offenbar die ganze Andrologie von dem Problem betroffen, dass die VErsuchsanordnung nicht stichfest ist, wenn es um Zeugungsfähigkeit geht.
    Jetzt mal ganz böse: Vielleicht wäre es Dr. Oates als Mann ganz einfach lieber, die Gründe für Unfruchtbarkeit lägen immer noch weitgehend bei den Frauen.

  2. Elmar Breitbach schreibt

    Grundsätzlich sind Experimente dazu da, möglichst nah an der Wirklichkeit angelegt zu sein. Daher sind Tierversuche in den meisten Fällen interessant, jedoch können sie nicht mehr als Hinweise auf weitere Forschung am Menschen zu geben. das Gleiche gilt noch mehr für Zellkulturen.

    Und mehr sagt er ja eigentlich auch nicht: Interessant, jedoch zu weit weg von der Wirklichkeit als dass man daraus wirklich Schlüsse für das tägliche Leben ziehen könnte.

    Es gibt z. B. auch Studien, in denen die Temperatur des Hodensacks untersucht wurde. es wurde festgestellt, dass diese deutlich erhöht ist bei körpernahem Gebrauch eines Laptops.

    Aber, und da gebe ich Ihnen recht: Auch hier wurde nicht die Zeugungsfähigkeit untersucht i. S. von Schwangerschaften der Parterin.

    Oates geht es vor allem darum, durch solche Studien keine Ängste zu schüren, wo dies schlicht aufgrund der Studienergebnisse nicht angezeigt ist. Und das finde ich sehr nachvollziehbar.

  3. atonne schreibt

    Ich weiß zwar nicht, von welchen Männern hier ausgegangen wird, aber ich finde es nicht so abwegig, dass man seinen Laptop in der Nähe der Hoden / Eierstöcke positioniert. Warum heißt es denn sonst LAPtop ("auf dem Schoß")? Vermutlich, weil man das Ding doch gerade da hin stellt und dann ist es nicht mehr weit bis zum Hoden oder den Eierstöcken… Ich jedenfalls schalte das WLAN am Laptop aus, wenn ich es nicht brauche und versuche auch, dass Ding nicht gerade während eines Versuchs auf meinem Schoß zu balanzieren – sicher ist sicher…

  4. Elmar Breitbach schreibt

    Man platziert es jedoch üblicherweise nicht über einer offen daliegenden Spermienprobe.

  5. Manulein schreibt

    mein Mann hat so ein Laptopkissen, damit er an bestimmten Stellen nicht zu warm wird *g* ne eigentlich nur weil das besser für den Laptop ist.
    Ich benutze ihn wenn ich gemütlich im Bett liege direkt auf meinen Bauch, hab darüber auch schon mal nachgedacht ob das so gut ist ??? Als ich Schwanger war, hab ich ein dickes Kissen dazwischen gepackt, sicher ist sicher.

  6. […] Der Stromausfall in New York 1965 hatte einen Babyboom 9 Monate später zur Folge. Was aber eine Zeitungsente war/ist. Der Stromausfall im Münsterland 2005 führte laut Ärztezeitung zu einer Erhöhung der Geburtenrate, andere Untersuchungen können das wohl nicht bestätigen, sagt nun die WELT. Nun ja, wie auch immer. Als Konzept zur Behandlung des unerfüllten Kinderwunschs ist Stromabstellen ohnehin nicht zu gebrauchen, wenn man mal von der fraglichen Verbesserung der Spermienqualität absieht, wenn auch das WLAN nicht mehr funktioniert. […]

  7. […] dem Ruf, durch Handy“strahlen“ Schaden zu nehmen, obwohl dies in umfangreichen Studien widerlegt werden konnte. Aber auch für die Zeit der Schwangerschaft besteht die Sorge, dass die schnurlose […]

  8. […] Und da wäre dann noch die Studie zum WLAN und Handy. Die „Bestrahlung“ der Spermien mit WLAN führt zu einer Schädigung der Spermien, wird immer wieder geschrieben. Dabei wird – wenn überhaupt – eine arfgentinische Studie zitiert. Wenn man diese aber genau durchliest, stellt man fest: Das steht da so gar nicht drin. […]