Warum mag niemand mein 20.000-Dollar-Baby?
Ganz einfach: Weil niemand IVF-Kinder mag
Die gesellschaftliche Akzeptanz der IVF ist merkwürdig schlecht. Auch in den USA, wie Autor Daniel Nester in seinem Beitrag schildert. Ich habe mal einiges seines lesenswerten Beitrags ins Deutsche übersetzt. Denn New York ist überall. Aber nicht jeder kann englisch. Wer es kann und den vollständigen Artikel lesen möchte, darf gleich hier klicken
Da jeder New Yorker ausführlich Art und Dosierung seiner Antidepressiva der Öffentlichkeit preisgibt, sollte man davon ausgehen, dass die gleiche Offenheit bei der Schilderung der Entstehung seines IVF-Kindes kein Problem sein sollte.
Ich hatte mich dabei jedoch extrem getäuscht. Noch zwei Jahre nachdem unser IVF-Abenteuer endete, versuchen wir immer noch herauszufinden, wieviel Offenheit möglich ist bei der Schilderung unserer eierstockstimulierenden und palmwedelnden Reise. Es ist vielmehr so, dass dich niemand mehr mag, wenn du einer ganzen Armee von Mitgliedern der medizinischen Heilberufe 20.000 Dollar zahlst, um eine Schwangerschaft zu erreichen, die von alleine nicht eintreten wollte.
Von Adoptions-Aktivisten wurden meine Frau und ich als selbstsüchtig und narzistisch gebrandmarkt. Religiöse Eiferer verdammten uns als unmoralische Manipulatoren des göttlichen Willens. Und die Prüden wollen schon mal gar nicht darüber diskutieren, woher die Babies kommen.
Immer, wenn ich unseren Kampf um eine Kind in einer New Yorker Petrischale erwähne, wandere ich durch ein Minenfeld von Verlegenheit, Unbehagen und Wut. Man lässt mich schnell fühlen, dass ich mehr Informationen von mir gebe, als sozial akzeptabel ist.
Was ist der richtige Weg, um über IVF zu sprechen?
Dreißig Jahre nach Geburt des ersten IVF-Kinds spricht man bereitwilliger über Potenzpillen und Abtreibungen als über die künstliche Befruchtung.
„Also, man nimmt ein Ei und dann die Spermien und dann … BLANKES ENTSETZEN,“ so schildert ein Kommentator im Forum ivfconnections.com seine Erfahrungen im Umgang mit seinen IVF-Erfahrungen in der Öffentlichkeit. „Ja, mit dieser Art Entsetzen werde ich häufig konfrontiert„.
Teil des Problems ist, dass wir in einer Kultur des IVF-Verschweigens leben. Klatschmagazine bringen regelmäßig Artikel über Zwillingsgeburten von Stars und Sternchen und fragen dabei selten, ob das auf einen Transfer von mehreren Embryonen zurückzuführen ist. Man kann nur vermuten, dass Jennifer Lopez (39, Zwillinge), Julia Roberts (36, Zwillinge), Angelina Jolie (33, Zwillinge), und CNN-Sprecherin Nancy Grace (47, Zwillinge, „Folge von Gottes mysteriösen Plänen”), mehr darüber wissen, als sie zugeben [Sarah Connors Mutter Soraya (Zwillinge,50), Susanne Holst (Zwillinge, 43) als bekannteste Deutsche Beispiele sind noch hinzuzufügen]
Geständnisse und Bekehrungen
Erwähnt man die IVF in gläubigen oder aus anderen Gründen rechtschaffenen Kreisen, dann läuft man Gefahr, missioniert zu werden: „Vielleicht ist dies Gottes Art Euch zu sagen, dass Ihr kein Kind bekommen sollt?“
Die ganze Geschichte einem guten Freund bei einem oder mehreren Drinks zu erzählen war jedoch eine ungeheuer befreiende Erfahrung. Keine Geheimnisse mehr. Rückblickend sind die Belastungen noch weniger vorstellbar, die Frauen sich unterziehen müssen, wenn sie die Behandlung vor ihrem sozialen Umfeld verschweigen.
Ich wünschte mir, dass unsere glücklich endende Geschichte (Miriam Lee, 15 Monate) anderen Paaren in Therapie Hoffnung und und einen Sinn für gegenseitige Unterstützung geben könnte. Aber es ist schwer zu ermessen wie schwer der Kinderwunsch auf Frauen lastet, denen noch keinen Erfolg durch eine Behandlung beschieden wurde. Nicht wenige erfahren, was in einer Story der Times of London als „Babyneid“ tituliert wurde. Viele Kinderwunschkliniken empfehlen, keine kleinen Kinder ins Wartezimmer mitzubringen und Kinderwunsch-Foren haben ebenfalls einen erschwerten Umgang mit der Erwähnung von Kindern oder einer Schwangerschaft. [Letzteres insbesondere, wenn es als „Mutmachposting“ formuliert wird]
Wie ist Ihr Umgang mit Ihrem eigenen Umfeld? Sehen Sie eine realistische Möglichkeit auf Verständnis zu stoßen, wenn man sich als Paar einer künstlichen Befruchtung unterzieht?
Noch Fragen?
Dann haben Sie in unserem Kinderwunschforum die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen oder Fragen an unsere Experten zu richten. Und hier finden Sie die Übersicht über die andere Foren von wunschkinder.de. Die am häufigsten gestellten Fragen haben wir nach Themen geordnet in unseren FAQ gesammelt.
Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
Wir gehen ja seit Jahren offen damit um, da sowieso die meisten wissen, dass G. zweimal Krebs hatte. Gewöhnlich stoßen wir erstmal aus Mitgefühl gepaart mit verstohlener Neugier und dann aber schon auch öfter auf "und das tut ihr euch alles an". Sein Bruder, der nach dem letzten Versuch als Trost meinte sagen zu müssen "dann versucht es doch noch ein paar Jahre" oder die Tante, die es als "Gott gegeben" sieht… Also leid tut man allen, wirklich verstehn, dass eben NIX auf natürlichem weg geht, bzw. wie stark der Wunsch trotzdem sein kann, das verstehen nur wenige wirklich, wenn überhaupt jemand, der nicht selst mit im großen Mühlenrad der Infertilität steckt… Unsere Erfahrung.
@nadja: Du sprichst mir aus dem Herzen. Für mich und meine Frau spielt unser Glaube auch eine sehr große Rolle. Aber nie käm ich auf die Idee den derzeitigen schwer erträglichen Zustand meiner Infertilität als "gottgegeben" zu betrachten. Ja, ich leide unter hypogonadotropen Hypogonadismus! Aber warum "gottgegeben"? Es ist "nur" eine Hormonstörung, für die es durchaus eine Therapie gibt. Beten ist zwar schön und gut 8und mir auch wichtig) aber das alleine bringt mich sicher nicht zum Ziel! Warum sollte ich die medizinischen Möglichkeiten die dem Menschen mit seinem Verstand an die Hand gegeben wurden nicht nutzen?
Mir fällt im Zusammenhang mit dem angeblich durch den Glauben motivierten Ablehnen medizinischer Behandlungen immer wieder ein Witz ein…
Ein Mann erleidet Schiffbruch und das Schiff beginnt ganz langsam zu sinken. Da kommt ein Hubschrauber vorbei und will ihn retten. Er lehnt ab: "Ich vertraue auf Gott, er wird mir schon helfen." Ein Kreuzfahrtschiff kommt vorbei, er lehnt wieder ab: "Ich vertraue auf Gott, er wird mir schon helfen." Eine Delphinschule kommt vorbei, als er schon längst im Wasser ist, aber auch diese Möglichkeit schlägt er aus. Schließlich im Himmel angekommen beschwert er sich bei Gott, warum er ihn nicht gerettet hätte. Gott antwortet ihm: "Ich habe dir einen Hubschrauber geschickt, ein Kreuzfahrtschiff und einen Delphinschule. Du hast keine der Möglichkeiten genutzt."
*g* ja, so in etwa… Naja, letztlich teilt es sich wohl in "gottgegeben" oder "wenn das Schicksal euch das so auferlegt hat". Also ich finde einfach, auch Reproduktionsmediziner sollten für ihr hartes Studium bezahlt werden *ichwarsnicht*. Nein im Ernst, wenn ich stark Neurodermitis habe, sag ich doch auch nicht "das Schicksal wollte, dass ich mich pelle", son quatsch, aber das sehen eben die wenigsten, die versuchen zu verstehen, wieso man sich "trotzdem" das alles antun kann und sich immernoch ein Kind wünscht… Warte noch auf die Erkenntnis, was Gott oder wer auch immer mir damit zeigen wollte und wofür es gut ist. *g* (war der krasseste Satz, den wir nach der zweiten Erkrankung und der Icsi danach gehört haben "wer weiß, wofür es gut ist" tzz!)
das hat daniel nester nett geschrieben, sehr zutreffend.
und der doc hat es nett übersetzt, wenn auch vielleicht etwas großzügig "geschnitten" (Am I shooting blanks? I am not, but my sperm count is considerably lower than Superman’s…. 😀 ).
das phänomen an sich, dass daniel nester beschreibt kennt man wohl hier ausreichend aus eigener erfahrung 🙁
mich interessiert schon seit langem nicht die erklärung, warum wir (ex)kiwu-paare da so angefressen drauf reagieren, denn das finde ich sehr normal und erklärbar. nein, mich interessiert, warum eine gesellschaft, die sexuelle techniken im nachmittagsTV präsentiert bekommt und das eigentlich nicht mehr "schilmm" findet, so verstockt, verschlossen und moralisierend auf IVF etc reagiert ?
vielleicht bin ich ja die einzige, die sich dazu einen kopf macht, aber ich erkläre es mir so (neben offensichtlichen dingen wie religiösen argumenten usw): jeder der sich auf das thema wirklich einläßt, muss zwangsläufig zu dem punkt kommen seine eigene biographie in bezug auf sexualität, zeugung, kinderwunsch zu reflektieren……und das scheint mir bei den meisten menschen sehr schwierig zu sein, zumal bei der auseinandersetzung mit dann erstmal oberflächlich gesehen vermeindlich "dysfunktionaler sexualität".
zum trost für alle kiwu-leute, die das frustriert: wie viele "normalreproduzierer" kennt ihr, die offen mit erektiler dysfunktion, multipler fehlgeburt oder nicht normativem sexuellen andersein (pädophillie, sodomie etc) umgehen? oder darüber beim bierchen reden würden?
"wir" rangieren in den augen der breiten öffentlichkeit auf einer ähnlichen ebene, freaks eben, die sich mit ihrem "gebrechen" nicht mal abfinden wollen. reden wir darüber, verletzen wir schamgrenzen…wie farbig-weiße USamerikanische paare in den 30ern und schwule paare in den 50ern.
ist an uns selbst aus der nummer rauszukommen, jammern allein hilft nicht, sondern beharrlich und präzise mit persönlichem engagement im eigenen umfeld aufklären…um unserer kinder willen 😉
@reaba: sehr gut! Ich weiß, meine Mama hat mich immer unterstützt, musste aber irgendwann gestehen, dass sie das nur weil ich ihr Kind bin tat und sie habe lange drüber nachgedacht, warum das so ist. Die Gesellschafft sieht einige Dinge einfach als "normal" und gottgegeben an, z.B. nämlich ein festes Dach überm Kopf, einen Job,… und eben auch Kinder bekommen wann man will. Wenn man also nun an einem dieser festen Bestandteile rüttelt, kommt einem evtl. automatisch der Gedanke, dass auch an den anderen Teilen gerüttelt werden könnte und das löst logischerweiß Angst in jedem aus. Das eben nicht immer alles selbstverständlich ist, was wir als solches glaubten. Nur das die eigene Angst einen hemmt, mit Paaren wie uns oder dem Landstreicher um die Ecke (etc.) ein Gespräch zu suchen und mehr drüber erfahren zu wollen, das erkennen eben nur wenige. Mütter zum Beispiel 😉
@nadja…ja, obwohl ich es besser weiß (leider!) gehe ich trotzdem immer noch davon aus, dass eigentlich jedes paar "familie" werden kann 🙂
ist sicher keine logische herangehensweise, aber für mich bei dem thema die einzig machbare…vielleicht auch ein kleiner schutzmechanismus ?
was ich mit meinem letzten satz sagen wollte und daniel nester letztlich wohl auch mit seiner gewählten überschrift(Nobody Loves My $20,000 Baby): die betroffenheit die uns als kiwu-mensch erfasst, wenn die umwelt so schräg reagiert, könnte ja im unreflektierten fall potentiell nachteilig für tatsächlich entstandene kinder sein…von seiten der umwelt, der familie, der großeltern, ja vielleicht sogar der eltern, die sich aus was für gründen auch immer "rest-schuldig" fühlen, dass sie diesen weg gehen mussten.
ich bewundere z.b. dr wischmann sehr, dass er das versucht zu therapieren, weil aus meiner sicht die therapie nur an einem ende ansetzt…die ganzen komplex- und angstbehafteten "normalzeuger", die uns das "freak-bewußtsein" ja mehr oder weniger unterschieben, bleiben ja da aussen vor. von deren institutionalisierter form in der gesellschaft mal ganz zu schweigen 😉
@reaba: Der text war ein wenig zu lang und es war schon spät, so dass ich die Konversation mit dem Freund weggelassen habe. Und manches an seiner Schreibweise ist schwer übersetzbar: Wie übersetzt man "sperm-whipping? Eben, mir fiel auch nichts Besseres ein.
Spannend fand ich auch, das er sich ebenso wie ich über die IVF-Negierung der Promies ärgert. Haufenweise Zwillinge mit Müttern Ende dreißig und alles Fügungen Gottes…
So ist es.
Ich würde mal EINEN Buchstaben streichen bei den stets spöttelnden Anmerkungen:
“Vielleicht ist dies Gottes Art Euch zu sagen, dass Ihr EIN Kind bekommen sollt?”
Wenn, nach deren Ansicht, Gott alles vorherbestimmt, dann hat Gott auch den IVF-Doc gemacht, die Petrischale und den Erfolg dessen. Ist nur folgerichtig, oder?
Normalreproduzierer 🙂 das freut mich – das werde ich auch im Forum anwenden, wenn mal wieder einer der Normalreproduzierer einen zu dummen Ton anschlägt 🙂
Wer will schon NORMAL(reproduzierer, intelligenzler, sexstellungsmensch) sein??? Durchschnitt eben….
Da lobe ich mir doch eine steinige Geschichte beim Kiwu und viel Spass an anderen Sachen, die ebensowenig normal sind wie die Kiwugeschichte 🙂
Ich glaube, dass die IVF– und ICSI-Behandlungen unter anderem (nicht nur) deshalb negativ besetzt sind, weil in den ganzen Diskussionen um embryonale Stammzellforschung immer der Vorgang der ICSI gezeigt wird. Da fühlen sich die Menschen, die nicht tiefergehend informiert sind unwohl. Und oft schicke ich genau diesen Punkt in einem Gespräch voraus und erkläre, dass dieses Bild "fremdverwendet" wird und deshalb ein ungutes Gefühl bestehen kann. Oft kommt dann ein wesentlich positiverse Feedback.
LG, Annette
Ich denke auch, dass die mangelnde Information der Leute das größte Problem ist. Wir sind eigentlich immer recht offen damit umgegangen, jedenfalls was Freunde und Bekannte betrifft. Wie nadja schon sagte, bekommt man von den meisten ein Bedauern, aber so richtiges Verständnis nicht. Meine Schwiegereltern (beide so an die 70) verdrängen die Art der Entstehung bis heute und reden da auch nicht drüber. Manchmal frage ich mich nur, ob durch meine Offenheit nicht irgendwann mal mein Kind leiden muss und vielleicht von Mitschülern gehänselt wird. Das würde ich dann natürlich auch nicht wollen.
Habt Ihr mal die Kommentare auf der Seite gelesen?
Ich denke auch, KB wird "abgelehnt", weil viel Quatsch damit assoziiert wird, Geschlechtsauswahl, Genmanipulation, das übliche eben.
So, und nun bin ich auf mein Avatar-Monster gespannt! 😀
Jetzt muss ich aber weinen, dass mein Kommentar negativ bevoted wurde… 🙁
Liebe Donza,
ich bin überzeugt, der Daumen gilt deinem Schaf-Fledermaus-Monster, das ist das abgrundtief Häßlichste von allen. Negativ-Rekordhalterin sozusagen, ich gratuliere 😉 !
Dafür habe ich AnnetteEllen jetzt mal negativ bevotet, das war nicht nett 😀
So, lieber Doc, da gucken Sie aber –
ich kann mich wehren :-).
Aua
Jaa, so weh tut das, mir auch, autsch.
Für primitive Schlägereien habe ich ja einen viel zu edlen Charakter und reiche also erhaben die Friedenspfeife 😉 .
So, dann halt ein eigener Avatar…
Geht nicht, trotz Gravatar…
Die richtige Email-Adresse eingegeben?
*räusper* wir sollten langsam mal wieder zum Thema zurückkommen.
hallo donza,
also gäbs ein smily für rotwerden im blog…ich würde es jetzt anwenden.
mein zwerg hatte 3 unbeaufsichtigte minuten am pc und ich glaube, da ist das passiert…
ein glück war ich da gerade nicht in ebay oder im banking :-D…überlege wirklich den PC auf ein stehpult zu stellen…
Als ich gerade diesen Beitrag las, fiel mir sofort wieder die Diskussion vor ein paar Jahren auf http://www.1000fragen.de, Internetseite der christlich determinierten "Aktion Mensch" ein. Da wurde ich auch unterste Schublade abgekanzelt. Ich hab´s mir teilweise aufgehoben. Bitteschön:
Mein Mann und ich wurden von Fremden, die keinen Einblick in unser Familienleben haben, beschimpft als „unreif“, „egoistisch“, „als Eltern ungeeignet“, wir hätten uns „als Mütter komplett disqualifiziert“. Wir hätten „Kuckuckskinder“ und die „Würde unserer Kinder verletzt“. Es wurde auch völlig ungeprüft behauptet, wir würden unsere Kinder verhätscheln und nicht zu lebenstüchtigen Menschen erziehen können. Wenn sie aus dem Babyalter heraus wären, würden wir uns nicht mehr für die Probleme unserer Kinder interessieren und sie allein lassen, stand sogar in einem Beitrag.
„Darauf pochen zu wollen, man habe "zur freien Entfaltung der Persönlichkeit ein Recht auf ein Kind", spricht nur von immenser Unreife und fehlender Eignung als Eltern. …. Das perfekte Kind aus dem Katalog wäre doch auch nicht schlecht!“
„… stärker ist ein starkes Gefühl von MORAL, gegen das ich nicht ankomme, das mir sagt, dass es einfach nicht in Ordnung ist, wenn Frauen unbekannte Männer zu bloßen Samenspendern degradieren. Ich habe einfach gelernt, dass man andere Menschen nicht egoistisch benutzen soll zur eigenen Bedürfnisbefriedigung. Genauso wie ich in dem Bewusstsein aufgewachsen bin, dass ein Kind Anspruch darauf hat, dass seine Eltern sich geliebt haben oder wenigstens sich persönlich und körperlich begegnet sind. Ich halte diese Einstellung für ganz vernünftig und auch menschlich, werde sie also nicht ablegen. Ich verdanke sie ebenfalls einer „maßvollen christlichen Erziehung“, für die ich meinen Eltern dankbar bin.“
Ich kann mir gut vorstellen, dass man im christlich-religiösen Amerika auch in dieser Weise sein reales Gegenüber beschimpft. In Deutschland kommt dies wahrscheinlich seltener vor. Eine Umfrage im HI-Forum zeigte, dass die, die ihrer Umwelt davon erzählt haben, meistens ganz gute Reaktionen bekamen. Allerdings gab es auch negative Reaktionen. Wir sind immer noch auf dem Geheimtrip, so dass ich hier keine eigenen Erfahrungen aufschreiben kann.
Wir gehen in unserem Umfeld offen mit dem Thema um, auch um im Falle eines zeitweiligen Rückzugs Verständnis zu bekommen, auch, um hinsichtlich unserer Werte und Lebensplanung nicht den falschen Eindruck zu erwecken. Dabei stoßen wir zwar oft auf Unkenntnis, vorallem aber meistens auf Mitgefühl.
Vielfach wird uns prophezeit, dass das Kind dann eine völlig andere (beziehungsstabilisierende) Funktion erfüllt, als bei "Normalreproduzierern" (das gefällt mir! :-)), weil die Behandlungen und das Hoffen soviel Raum einnahmen. Es wird vermutet, dass wir mit den Behandlungen unsere Beziehung gefährden, weil wir schließlich so kämpfen müssen. Es werden unnütze Ratschläge erteilt, die ungewollt verletzend wirken. Es wird davon ausgegangen, dass wir Kinder nun völlig meiden, weil wir selbst keine haben (was ja immerhin lieb gemeint ist). Der Umfang der Behandlungen ist den Wenigsten bekannt, die Erfolgsaussichten schon gar nicht. Das verwundert mich immer wieder, weil das Thema doch so viele Paare betrifft.
Und ich gebe Daniel Nester völlig Recht: Wir haben auch das Gefühl, dass das Thema eigentlich gerne ausgespart wird, obwohl es uns natürlich zeitweise immens beschäftigt. Wir klagen wenig, aber selbst wenn, hören wir oft "Das wird schon, das klappt schon.", was wir als eine Art "Ich möchte darüber jetzt nicht reden." interpretieren, aber vielleicht tn wir damit auch Unrecht.
Gleichzeitig beobachte ich dieses Verhalten anderer Menschen aber eigentlich nicht nur im Zusammenhang mit der ungewollten Kinderlosigkeit, sondern ganz oft, wenn es um unangenehme Erfahrungen geht. Vielleicht verschließen Menschen vor soetwas einfach gerne die Augen, aus Angst, Hilflosigkeit, zuviele eigene Probleme, ich hoffe, nicht aus mangelndem Interesse.
@rebella: Beitrag positiv bewertet – aber mir wird bei dem Lesen einfach nur schlecht und ich kann einen Brechreiz schwerlich unterdrücken. Die von dir zitierten Beiträge sind unerträglich anmaßend und zeugen IMHO von absoluter Dummheit, Arroganz und Ignoranz.
@tintenklecks: Ich bin überzeugt, daß kein Kind eine beziehungsstabilisierende Funktion hat. Würde ein Kind der einzige Grund für das Bestehenbleiben einer Partnerschaft sein, würde diese allerspätestens dann zerbrechen wenn das Kind "flügge" wird. Der Sinn der Beziehung wäre dann nicht mehr existent.
Aber sicher ist es beziehungsstabilisierend wenn es einem Paar gelingt stürmische und demoralisierende Zeiten *gemeinsam* durchzustehen. Durch dick und dünn geht. In Guten und schlechten Zeiten füreinander da ist. Diese Menschen haben offensichtlich alle nicht Johannes 8,7 (Als sie aber fortfuhren, ihn zu fragen, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie. ELB)und Römer 2,1 (Deshalb bist du nicht zu entschuldigen, Mensch, jeder, der da richtet; denn worin du den anderen richtest, verdammst du dich selbst; denn du, der du richtest, tust dasselbe. ELB) gelesen und disqualifizieren sich daher selbst!
"Normalreproduzierer" – ein schönes Wort!
"Diese Menschen haben offensichtlich…" und folgende Sätze sollen sich eigentlich noch auf die Rebella-Zitate beziehen – ist mir versehentlich ans Ende des Beitrags gerutscht und der Bezug daher missverständlich…
Hallo,
sehr schöne Diskussion, danke.
Die (negativen) Reaktionen der Umwelt hängen sich meiner (unserer) Erfahrung nach an unterschiedlichen Gründen auf. Der häufigste ist Unwissenheit, ein krankes Halbwissen und schlimmstenfalls der Rückzug auf "Das ist halt meine Meinung." (Eine Meinung kann man sich nur aufgrund von Tatsachen bilden. Wenn man nicht oder schlecht informiert ist, ist es ein Vorurteil und keine Meinung).
Zum einen habe ich die Reaktionen im Umfeld nie als so dramatisch wie hier dargestellt empfunden. Ich weiß nicht exakt, woran das liegt. Vielleicht an unserem eigenen Umgang mit dem Thema. Wir waren nie ganz heimlich damit (die Familie war immer aktuell), die Kreise haben sich im Laufe der Zeit ausgeweitet und heute wissen es quasi fast alle Menschen im Umfeld. Ich hatte nie das Gefühl, angegriffen zu werden.
Warum?
Mein Erklärungsversuch: ich bin mit mir, wir sind mit uns, klar und im Reinen. Meine Vorstellungen zu beispielswese Fremdsamenspende und Fremdeizellenspende sind klar und abgegrenzt. Ich glaube weder an die Allmacht des Docs (sorry, Doc) noch an den Fluch eines Gottes. Ich glaube an meinen gesunden Menschenverstand. Und der setzt Grenzen.
Viele Grüße
RockyRaccoon
Ups – vielleicht sollte ich erwähnen – ich glaube an Gott. "Glauben" aber nicht in der heute allgemein verbreiteten Bedeutung, etwas für wahr zu halten, ohne es genau zu wissen sondern eher in der – biblischen – Bedeutung von "Vertrauen".
RockyRaccoon
@remis: Es ist wirklich so, dass diese Aussagen dazu beigetragen haben, dass ich mir eine ganz dicke Haut zugelegt habe. Anders hätte ich sowas gar nicht überstehen können. Manch einer geht dabei vor die Hunde, wenn er oder sie sowas immer wieder lesen muss. Ich habe mit den Menschen dort weiter diskutiert, in der Hoffnung, dass sie ein Fünkchen davon verstehen. Wahrscheinlich haben sie das nicht. Aber ich bin heute stolz auf mich, dass ich es mich traue, in einem vollen Saal aufzustehen und ein Thema anzusprechen, wo ich genau weiß, das wird rund um mich herum abgelehnt.
Zu den religiösen Eiferern kann ich nur sagen: ich habe nie ganz verstanden, warum man Kinderlosigkeit als "gottgegeben" betrachten soll und die medizinischen Möglichkeiten nicht nutzen darf, während sicher nur wenige dieser Religiösen etwas dagegen hat wenn ich mich gegen Krebs, Depressionen oder auch nur gegen eine Grippe behandeln lasse. Könnte man ja auch als "von Gott gewollt" ansehen, oder? (ich bin übrigens auch gläubig, hatte aber mit KB noch nie ein moralisches Problem)
Wir sind eine Zeitlang recht offen mit dem Thema umgegangen – das war die Zeit als wir schon ca. ein Jahr in Behandlung waren und es nicht klappen wollte. Wir konnten das Schweigen über ein für uns so wichtiges Thema nicht mehr ertragen. In dieser Zeit haben wir auch viel Mitgefühl geerntet, teilweise auch echtes Verständnis – andererseits auch schon bei harmlosen Untersuchungen wie einer Bauchspiegelung den Kommentar "das hätte ich für meine Kinder nicht gemacht"…
Jetzt wo die Kinder da sind sieht es etwas anders aus. Ich habe den offenen Umgang wieder aufgegeben weil ich spüre dass KB von anderen Eltern doch oft sehr skeptisch und irgendwie "herabschauend" betrachtet wird (eigenartig, denn ich empfinde genau umgekehrt – wir sind die Helden die für ihre Kinder gekämpft haben ohne Ende, während den anderen alles so zugeflogen ist…) 😉 Speziell wenn man Zwillinge hat kann das Staunen über dieses "Wunder der Natur" sehr schnell umschlagen in eine Art "selbst schuld"-Gefühl, wenn KB erwähnt wird.
Ich sehe da auch verschiedene Gründe:
– Unwissen und Vorurteile, die von den Medien gefördert werden (Stammzellenforschung, Klonen, Designerbabies, alternde Karrierefrauen die noch schnell ein Kind wollen bevor es zu spät ist…)
– das fehlende Verständnis dafür wie stark ein unerfüllter Kinderwunsch wirklich sein kann, wenn man es nicht selbst erlebt hat, und daraus folgend Unverständnis darüber dass man "sich das antut"
– merkwürdige selektive und nicht wirklich reflektierte Moralvorstellungen (s.o.)
– ein allgemeines Unwohlsein sich mit so unangenehmen Themen auseinanderzusetzen die die eigene Sicherheit erschüttern könnten dass man sein Leben immer im Griff hat.
"Teil des Problems ist, dass wir in einer Kultur des IVF-Verschweigens leben." – Das ist meiner Ansicht nach das große Problem an der ganzen Sache.
Ich lasse mich nicht beirren, wenn ich über unseren Kinderwunschweg spreche. Ich weiß, dass er richtig war und ist, und lasse anderen Menschen in sofern keinen Raum, mich anzugreifen. Ich bin immer für eine sachliche Diskussion bereit. Aber ich lasse mich nicht beirren. Ich glaube wirklich, dass in der Öffentlichkeit unbedingt mit bestehenden Vorurteilen aufgeräumt werden muss. Denn nur dann ist auch wirklich eine sachliche Auseinandersetzung möglich. Auf alles andere habe ich keine Lust und es führt auch zu nichts. Daher gehe ich sehr offen mit der Thematik um. Vorurteile bemühe ich mich, aus der Welt zu schaffen. In der Hinsicht muss noch viel mehr geschehen. Und wer trotzdem dann noch anderer Meinung ist – bitte, dem lasse ich die Seine. Aber ich muss mich mit diesen Menschen dann nicht abgeben.
Sonja