Mutterschutz bereits ab Embryotransfer

Wann eigentlich greift der Mutterschutz, wenn man sich einer künstlichen Befruchtung unterzieht? Ist man als Arbeitnehmerin erst schwanger im Sinne des Mutterschutzrechts, wenn der Test positiv ist? Bei einer Reagenzglasbefruchtung gilt der Kündigungsschutz bereits ab dem Embryotransfer, entschied das Bundesarbeitsgericht diese Frage in der letzten Woche.

Demzufolge gilt das mutterschutzrechtliche Kündigungsverbot, wenn einer Frau ein Embryo nach der Befruchtung im Reagenzglas eingesetzt wurde. Relevant ist damit der Zeitpunkt des Embryonentransfers und nicht erst der Einnistung.
Damit wurde ein vorinstanzliches Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts bestätigt.

Die Klägerin berichtete ihrem Arbeitgeber ihren Arbeitgeber Mitte Januar 2013 von der geplanten künstlichen Befruchtung. Dieser hatte daraufhin nichts Besseres zu tun, als ihr am 31. Januar zu kündigen. Ganz offenbar war er da ein klein wenig zu spät dran, denn der Embryontransfer war bereits am 24. Januar 2013 erfolgt, die Schwangerschaft der Klägerin wurde am 07. Februar 2013 festgestellt. Hierüber informierte sie ihren Arbeitgeber am 13. Februar 2013.

Schwanger ist man ab Transfer, sagt das BAG
Schwanger ist man ab Transfer, sagt das BAG.

Das Bundesarbeitsgericht hatte eigentlich auch wenig Handlungsspielraum, da 2008 bereits durch den Europäischen Gerichtshof ein Urteil für einen ähnlich gelagerten Fall aus Österreich gefällt wurde. Damals wurde dies jedoch vor allem mit dem Schutz vor geschlechtsbedingter Diskriminierung begründet:

Eine Arbeitnehmerin, die sich einer Behandlung zur In-vitro-Fertilisation unterzieht, kann sich jedoch nach Auffassung des EuGH auf den mit der Richtlinie zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen gewährten Schutz vor geschlechtsbedingter Diskriminierung berufen. Maßnahmen wie die, denen sich die Arbeitnehmerin unterzogen habe, würden unmittelbar nur Frauen betreffen. Die Kündigung einer Arbeitnehmerin, die hauptsächlich aus dem Grund erfolge, dass sich diese einer Follikelpunktion unterziehe und die befruchteten Eizellen in ihre Gebärmutter einsetzen lasse, stelle daher eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar. Die Kündigung einer Arbeitnehmerin in einer solchen Lage widerspreche im Übrigen dem mit der Richtlinie zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen verfolgten Schutzzweck.

In der Urteilsbegründung des aktuellen Urteils wurde daher auch auf diesen Aspekt verwiesen.

Man möge mir verzeihen, wenn ich nun darüber ins Grübeln gerate, ob man nun generell alle Frauen in der zweiten Zyklushälfte mit einem Kündigungsschutz bedenken muss, da ja auch hier eine Einnistung eingetreten sein könnte.

Wie auch immer, hier das Aktenzeichen des Urteils: Urt. v. 26.03.2015, Az. 2 AZR 237/14

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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
 

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Kommentar

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8 Kommentare
  1. Rebella schreibt

    Ein wichtiges Urteil, wie ich meine. Ich habe das vor längerer Zeit auch schon mal thematisiert. Nicht nur vor dem Hintergrund einer möglichen Kündigung, sondern auch vor dem Hintergrund von Tätigkeiten, die für die Schwangerschaft gefährlich sein können. (Krankenschwester auf einer Intensivstation mit gefährlichen ansteckenden Krankheiten.)

  2. Frau1967 schreibt

    Lieber Herr Breitbach,

    da es hier weniger um die Schwangerschaft als solche als vielmehr um die Diskriminierung geht (Kündigung, um die Schwangere schnell noch los zu werden), finde ich Ihren letzten Kommentar zwar witzig, aber nicht passend. 😉

    Denn negative Reaktionen durch Arbeitgeber gibt es leider sehr häufig beim Thema KB wie man den Foren entnehmen kann.

    Ich finde das Urteil gut und gerechtfertigt.

  3. Sternchen1981 schreibt

    Interessant dieses Urteil, dachte ehrlicherweise zuerst das es ein Aprilscherz sei, aber das Urteil existiert wirklich.
    Finde es sehr gut, problematisch wird es aus meiner Sicht nur wenn man nach dem Transfer als "Schwanger" gilt und der Test negativ ausfällt.
    Natürlich kann dann der Anwalt gemäß EuGH argumentieren, aber ein Arbeitgeber findet immer einen (dann anderen)Grund wenn er eine Angestellt los werden will – traurig aber wahr…

  4. Elmar Breitbach schreibt

    Auf dieser Seite werden keine Scherze gemacht. Schon gar keine Aprilscherze 😉

  5. Bettina Hollwitz schreibt

    April April

  6. Elmar Breitbach schreibt

    Hätte sein können 😉 Ist aber wirklich so.

  7. Schokopudding schreibt

    Hallo Doc, da hier die ernste Seite inkl. Rüge Ihres Kommentars schon zur Sprache gekommen ist… hier noch eine Verbesserung Ihres Gedankens: Um das Wirtschaftswachstum innerhalb Deutschlands nicht durch eine Übergeneralisierung an potentiellen Schwangeren zu schwächen, würde ich anraten, nur Frauen mit nachgewiesenem Attest, in dem ihnen die Möglichkeit der Schwangerschaft bescheinigt wird, krank zu schreiben. Um hierfür nicht unnötigerweise wieder zu viel Behördenkram ins Leben zu rufen, dürfte dieses dann m.M.n. von dem potentiellen Papa in spe ausgestellt werden. Bei One-Night-Stands müsste frau sich da allerdings recht schnell um das Ausfüllen des Formulars bemühen. Auf diese Weise würden Single-Frauen -wie ich- als feste verlässliche Größe weiter gewissen- und dauerhaft für unseren Staat eintreten! 😉

  8. Schokopudding schreibt

    Ah sorry… sollte besser lesen… ging ja nicht um die Krankschreibung ab Transfer, sondern nur um den Kündigungsschutz! Lässt sich darauf aber auch übertragen.