Lesbische Paare können IVF nicht steuerlich absetzen
Die Kosten einer künstlichen Befruchtung sind steuerlich absetzbar, was vor allem für Selbstzahler von Bedeutung ist. Wenn man dann auch die Fahrtkosten und andere Aufwendungen belegen kann, kommt schnell eine erkleckliche Summe zusammen, die einem das Finanzamt vom zu versteuernden Einkommen abzieht.
Umstritten war lange, ob dies auch für eine Behandlung mit Spenderspermien gilt, wurde aber im Jahre 2011 höchstrichterlich bestätigt. Nun stellte ein lesbisches Paar die gleiche Forderung nach steuerlicher Berücksichtigung der Behandlung mit Spenderspermien., wie das Finanzgericht Münster heute heute mitteilte. Der Anspruch auf Absetzbarkeit von der Steuer wurde abgewiesen, da die Behandlung nicht ausschließlich aufgrund einer Unfruchtbarkeit erfolgte, sondern weil eine Zeugung auf normalem Wege auch aus nichtmedizinischen Gründen ausgeschlossen war.
FG Münster, Mitteilung vom 15.10.2015 zum Urteil 6 K 93/13 E vom 23.07.2015 (nrkr – BFH-Az.: VI R 47/15)
Quelle: Newsletter 10/2015Mit Urteil vom 23. Juli 2015 (Az. 6 K 93/13 E) hat der 6. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass Kosten für die künstliche Befruchtung einer unfruchtbaren Frau, die in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebt, keine außergewöhnlichen Belastungen darstellen.
Die Klägerin, die mit einer anderen Frau in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebte, konnte aufgrund einer Unfruchtbarkeit ohne medizinischen Eingriff nicht schwanger werden. Sie ließ daraufhin in Dänemark eine In-vitro-Fertilisation unter Verwendung von Samenzellen eines Spenders durchführen. Die hierfür entstandenen Kosten machte sie in ihrer Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastungen geltend, was das Finanzamt ablehnte.
Der Senat wies die hiergegen erhobene Klage ab. Zwar stelle die Unfruchtbarkeit der Klägerin eine Krankheit dar, die grundsätzlich zu außergewöhnlichen Belastungen führen könne. Die Aufwendungen für die künstliche Befruchtung seien jedoch – anders als bei verschiedengeschlechtlichen Paaren – nicht zwangsläufig entstanden. Dies folge daraus, dass die Kinderlosigkeit der Klägerin nicht ausschließlich Folge ihrer Unfruchtbarkeit war. Vielmehr sei auch aufgrund ihrer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft die Zeugung eines Kindes auf natürlichem Wege ausgeschlossen gewesen. Einer solchen Kinderlosigkeit komme kein Krankheitswert zu.
Dieses Ergebnis verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Die Ungleichbehandlung der Klägerin im Verhältnis zu verschiedengeschlechtlichen Paaren sei vielmehr aufgrund der unterschiedlichen biologischen Ausgangslage gerechtfertigt. Auch verpflichte Art. 6 Abs. 1 GG den Staat nicht, das Entstehen von Familien durch Förderung der künstlichen Befruchtung zu unterstützen. Die Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VI R 47/15 anhängig.
Quelle: FG Münster
An der Behandlung mit Spenderspermien arbeitet sich Justitia wirklich ab.
Mir stellen sich zwei Fragen (und falls jemand ein Urteil kennt, dann bitte in die Kommentare oder per Mail)
Was wäre, wenn:
- die behandelte Frau verschlossene Eileiter gehabt hätte (also eine eindeutig ausschließlich organische Ursache für die Kinderlosigkeit)?
- eine nennenswerte Anzahl an Inseminationen per Bechermethode im Vorfeld erfolgt wäre (also analog zu einem Heteropaar, welches es über ein Jahr lang auf normalem Wege versucht hat)?
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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
Ich kenne kein Urteil, sondern beziehe mich nur auf Ihre zitierte Urteilsbegründung. Danach spielen die Spenderspermien an sich eigentlich m.E. keine Rolle:
Zu Ihrer Frage unter 1.: auch bei verschlossenen EL wäre die Kinderlosigkeit ja nicht AUSSCHLIEßLICH auf diese zurückzuführen. Vielmehr wäre die Frau kinderlos, weil sie mit ihrer Partnerin kein Kind zeugen kann. Frau + Frau = kein Kind, rein biologisch. Daher kommt es auf den sonstigen Zustand ihres Körpers nicht an.
Dabei bleibt es auch bei 2.: Mit ihrer gleichgeschlechtlichen Partnerin kann sie nun einmal kein Kind zeugen. Auch nicht per IUI.
Das soll alles keine ethische Wertung sein, sondern, so, wie ich reinformaljuristisch die obige Urteilsbegründung verstehe.
"…die Kinderlosigkeit der Klägerin nicht ausschließlich Folge ihrer Unfruchtbarkeit war. Vielmehr sei auch aufgrund ihrer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft die Zeugung eines Kindes auf natürlichem Wege ausgeschlossen gewesen."
Rein theoretisch: würde sich die Frau morgen mit einem Mann liieren und aufgrund verschlossener EL unfruchtbar sein – wäre steuerliche Absetzbarkeit sofort gegeben, egal, ob eigene Spermien oder die eines Spenders zum Einsatz kämen.
Ich verstehe die Urteilsbegründung ebenfalls wie folgt: auf die "Qualität" der Unfruchtbarkeit bzw. eingeschränkten Fruchtbarkeit kommt es letztlich überhaupt nicht an, da ein Kind mit der gleichgeschlechtlichen Partner auf "natürlichem" Weg "aus Gründen der biologischen Beschaffenheit" nicht gezeugt werden kann. Die Ungleichbehandlung gegenüber verschiedengeschlechtlichen Paaren dann aber lapidar mit der unterschiedlichen biologischen Ausgangslage zu rechtfertigen, finde ich allerdings (ohne das ganze Urteil zu kennen) ziemlich knapp – und hoffe einfach mal, dass die Revisionsinstanz da etwas genauer hinschaut.
Was ist denn das für eine merkwürdige Begründung? Ich hoffe auch, dass es nun in die nächste Instanz geht. Es wird Zeit, dass das endlich mal per Gesetz geregelt wird und Richtiger nicht mehr solche willkürlichen Entscheidungen treffen können. Ich bin mir sicher, nicht jeder Richter hätte so geurteilt.
Auch bei allen heterosexuellen Paaren, wo es an beiden liegt, ist es nicht ausschließlich die Unfruchtbarkeit der Frau.
Und woher will der Richter wissen, ob aufgrund einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft die Zeugung auf natürlichem Wege ausgeschlossen wäre? Sehr viele lesbische Frauen lassen ihr Kind per Bechermethode "ganz natürlich" entstehen. Und wer will wissen, vielleicht ist sie ja auch bisexuell und hat nebenher noch einen Freund. … Die Verpartnerung mit einer Frau schließt doch nicht aus, auch noch einen Freund zu haben. Darüber ist sie niemandem Rechenschaft schuldig. Es reicht ganz allein IHRE Unfruchtbarkeit.
@maiglöckchen. Ich sehe es genau anders herum: Wenn die Eileiter verschlossen sind, dann sind die persönlichen sexuellen Präferenzen unerheblich. Und wenn man dann gegen die steuerliche Absetzbarkeit der Kosten urteilt, dann ist es ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.
Und wenn man argumentativ des Pferd von hinten aufzäumt (Also erst: "mit wem lebt die Frau zusammen" und erst dann "was sind ihre medizinischen Probleme", dann klingt dennoch eine Wertung durch, ob nun ethisch oder nicht. Das kann man aus meiner Sicht auch nicht hinter formaljuristischen Sichtweisen verstecken. Genau Ihr letzter Satz fasst eigentlich gut zusammen, worum es bei der Urteilsbegründung eigentlich geht: Ist die Frau mit einem Mann zusamen, dann ist alles prima. Andere Lebensentwürfe werden bestraft.
"Zusamen" ist ja nun mal wirklich ein super Rechtschreibfehler in diesem Kontext…
@ Dr. Breitbach:
Das ist spannend, dass Sie das als "Pferd von hinten aufzäumen" ansehen. Mein Gedankenexperiment: Wenn man 100 beliebigen Personen folgende Frage stellen würde: "2 Frauen leben zusammen, wollen ein Kind zusammen, die, die ss werden will hat verschlossene EL – warum kann sie kein Kind bekommen?" würden dann die meisten nicht spontan auf die Gleichgeschlechtlichkeit verweisen, nicht auf die organischen Ursachen? So stelle ich mir es jedenfalls vor, kann mich natürlich täuschen. Ein Umfrage unter Gynäkologen brächte sicherlich ein anderes Ergebnis.
Die Klägerin war (habe nachgelesen) übrigens unstreitig primär steril.
Und: ja, natürlich steht eine Wertung dahinter. Der Senat stellt, wie ich das lese, rein auf die Biologie (für Fortplanzung braucht es Mann + Frau) ab. Bei verschiedengeschlechtl. Paaren ginge es danach es um eine Krankheitsbehandlung, bei gleichgeschlechtl. Paaren aber vorrangig um die Realisierung des KiWu – dieser aber werde (wie z. B. auch im Falle der Adoption) nicht begünstigt.
Mal sehen, was die Revision sagt, denke schon, dass sie das Urteil kippen könnte – oder eben nicht.
Lesenswert das Urteil in Gänze:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/fgs/muenster/j2015/6_K_93_13_E_Urteil_20150723.html
P.S.: "Zusamen" ist gut.
Das finde ich nicht "spannend", sondern aus Sicht des Reproduktionsmediziners völlig normal. Und das ist ja nun (erfreulicherweise) eine Grundlage des Rechts: Das es nicht Resultat von Straßenumfragen ist. Zumindest ist es mein Eindruck, das der sogenannte "gesunde Menschenverstand" nicht immer Grundlage der Rechtssprechung ist. Im Guten wie im Schlechten.
Rechtsprechung fusst natürlich nicht auf Straßenumfragen. Aber eben auch nicht auf der Sicht von Reproduktionsmedizinern. Wo die Sichtweise eines BFH-Richters anzusiedeln ist?
Vielmehr wurde das Urteil mit Grundsätzen bisheriger einschlägiger Rspr. begründet. (Nur die Kosten für die Behandlung der Krankheit, nicht des Kinderwunsches an sich sind absetzbar). Das entspricht dem Prinzip der Einheitlichkeit der Rechtsprechung.
Ich würde mir einen mutigen BFH wünschen, der sich von den bisherigen Urteilen abkehrt und die unfreiwillige Kinderlosigkeit einer Krankheit zumindest gleichstellt. Dann müssten reproduktionsmed. Maßnahmen (egal, ob das Paar homo- oder heterosexuell wäre) aber auch z.B. Adoptionskosten absetzbar sein.
Da sind wir uns ja einig. Und verschlossene Eileiter sind eine Krankheit. Unabhängig von der Verpartnerung.
Ich bin keine Medizinerin und auch nicht aus der Branche. Trotzdem sehe ich es wie Dr. Breitbach. Das hat nicht unbedingt etwas damit zu tun, dass er Reproduktionsmediziner ist, sondern dass er das wesen des Gleichheitsgrundsatzes verstanden hat.
Straßenumfragen sind auch immer ein Spiegel, der durch die Medien und durch Historisches geprägten allgemeinen Meinungsbildung. In diesem Fall sind konservative Wertvorstellungen mit im Spiel, die es sowohl im Volk als leider auch in der Regierung und selbst sogar noch in der Justiz gibt (wie man an diesem Beispiel leider wieder sehen muss.)
Ich bin lesbisch und ich habe bereits 10 IUIs hinter mir und nun wird eine IVF gemacht. Das ganze kostete mich bereits mehrere zehntausende.
Meine Meinung als Betroffene: In nordeuropäischen Lädnern wird lesbischen Frauen von Anfang an die künstliche Befruchtung genauso finanziert wie bei Heteropaaren.
Im Gegensatz zu einigen Meinungen hier ist Homosexualität kein Lebensstil, den man sich einmal aussucht. Stellt euch mal vor euer Mann hat ein schlechtes Spermiogramm und die Krankenkasse sagt euch: na, dann schlaf doch eben mit einem anderen Mann. Ich liebe meine meine Frau genauso wie andere ihre Männer lieben und es ist daher eben genauso viel und wenig möglich hier zu argumentieren, dass man doch "einfach" sich mal einen neuen zeugungsfähigen Partner suchen könnte.
Und es stimmt auch nicht, dass alles was im Bereich der Krankenkasse liegt, dem System nach immer gleich etwas mit "Krankheit" zu tun haben muss. Alle Schwangerschaftsleistungen werden über die Kasse abgerechnet und Schwanger-sein ist keine Krankheit. Dafür gibt es noch unzählige Beispiele. Daher will ich gar nicht darüber reden, was hier Krankehitswert hat oder nicht. Wir können auf natürlichem Wege nicht schwanger werden (genauso wenig wie Ehepaare mit einem sterilen Mann, die ja auch einfach einen dritten dazuholen könnten). Und mein Kinderwunsch ist nicht einen millimeter kleiner als der von einer anderen Frau.
Wir geben Unmengen für das absolutes Wunschkind aus, leiden mit jedem erfolglosen Zyklus genauso wie andere Paare, haben uns unseren Lebensstil NICHT ausgesucht (genausowenig wie Heteros) und vor dem Gesetz soll das ganze noch nicht mal steuerlich gewürdigt werden. Das ist für mich sehr verletzend und es ist ungerecht.
[…] Frage der Definition (s. weiter unten). Dieses Urteil steht nur im scheinbaren Widerspruch zu einem Urteil des Landgerichts Münster aus dem Jahre 2015, demzufolge lesbische Paare eine IVF steuerlich nicht geltend machen dürfen. Die Begründung […]