Künstliche Befruchtung: Heiratszwang bleibt bestehen

„Die Begrenzung auf miteinander verheiratete Eheleute und eine homologe Insemination prägt den gesetzlichen Anspruch auf künstliche Befruchtung. Ihm liegt verfassungskonform die Ehe als rechtlich verfasste Paarbeziehung von Mann und Frau zugrunde, in der gegenseitige Solidarität nicht nur faktisch gelebt wird, solange es gefällt, sondern rechtlich eingefordert werden kann“.

So begründete das Bundessozialgericht heute die Abweisung der Klage einer Krankenkasse, die ihren unverheirateten Mitgliedern die Kosten für eine künstliche Befruchtung erstatten will. Die BKK VBU hatte vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg gegen den Beschluss des Bundesversicherungsamts geklagt, ihren unverheirateten Versicherten die Kosten für eine künstliche Befruchtung nicht erstatten zu dürfen, wie wir bereits hier berichteten.

Letzte Instanz

Es gibt weiterhin gute Gründe für eine Heirat. Zum Beispiel eine künstliche Befruchtung.
Es gibt weiterhin gute Gründe für eine Heirat. Zum Beispiel eine künstliche Befruchtung.
Das Bundessozialgericht ist die letzte Instanz zu diesem strittigen Sachverhalt. Eine Revision ist in Deutschland nicht möglich. Das Urteil spiegelt die Anpassungen des Familienrechts der letzten Jahre nicht wider, nach denen selbstverständlich auch bei unverheirateten Eltern alles ebenso „rechtlich eingefordert“ werden kann wie bei Verheirateten, ob es nun „gefällt“ oder nicht.

Nichteheliche Lebensgemeinschaften als eine Solidargemeinschaft zu beschreiben, die nur faktisch gelebt wird, solange es gefällt, zeugt von einer gestrigen Sichtweise. Sie verschließt auch die Augen vor der Unbeständigkeit der Institution Ehe in Anbetracht der heutigen Scheidungsraten. Denn auch eine Ehe dauert nur so solange es gefällt. Und sie ignoriert, dass in nichtehelichen Lebensgemeinschaften praktisch immer beide Partner die Versicherungsbeiträge bezahlen im Gegensatz zu den kostenlos mitversicherten verheirateten Hausmännern und -frauen. Die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten hört hier zumindest auf, den so „gefällt“ es dem Gesetzgeber. Selbstverständlich dürfen sich auch Paare ohne Trauschein weiterhin einer künstlichen Befruchtung unterziehen, jedoch nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft der Krankenkassen.

Es gäbe zahlreiche gute Gründe für eine andere Entscheidung des Gerichts. Letztlich kommen sie alle nicht an gegen die auch politisch gewollte Unantastbarkeit der Ehe, gegen die jede Logik schließlich versagen muss.

BKK-Sprecher versteht es auch nicht

Helge Neuwerk vom Vorstand der BKK VBU zeigt sich entsprechend enttäuscht: „Wir haben das ganze Sozialgesetzbuch durchforstet und können keine Leistung finden, bei der der Trauschein Bedingung ist.“ Im Übrigen laute auch die Überschrift des § 27a „Künstliche Befruchtung“ und nicht „Leistungen für Ehepaare“. Jede 40. Geburt in Deutschland entsteht aktuell aus einer künstlichen Befruchtung. Laut Statistischem Bundesamt stieg der Anteil der nichtehelich geborenen Kinder von 7,2 Prozent im Jahr 1970 auf 34,5 Prozent im Jahre 2012. „Jetzt ist unbedingt eine Gesetzesänderung nötig“, betont Neuwerk.

Foto von Abhishek Jacob

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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
 

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Kommentar

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10 Kommentare
  1. Rebella schreibt

    Wie ärgerlich – und wie zynisch!

    Denn in dieses Urteil eingebunden ist auch die Familiengründung mittels einer Samenspende. Sie waren sogar noch so frech, das ausdrücklich zu betonen, indem sie das Wort "homologe" einbezogen. Und in dem sie "Mann und Frau" schreiben, schlagen sie gleich noch wieder allen lesbischen verheirateten Paaren ins Gesicht.

    Der Begrenzung auf eine homologe Insemination liegt also verfassungskonform die Ehe als rechtlich verfasste Paarbeziehung zugrunde, in der gegenseitige Solidarität nicht nur faktisch gelebt wird, solange es gefällt, sondern rechtlich eingefordert werden kann? – Hallo??? Ich bin so wütend! Woher wollen die wissen, wie groß die gegenseitige Solidarität in meiner Ehe ist? Was war das für ein getriger Richter?

  2. tantemartha schreibt

    Ich habe es befürchtet, aber anderes erhofft.

    Liebe Güte, es geht mit rasender Geschwindigkeit in die Vergangenheit. Die Ehe als Maß aller Dinge und der Kalte Krieg wird auch wieder heraufbeschworen.

  3. Greta schreibt

    es ist zum weglaufen – aus deutschland!

    das sind wieder die typischen vertreter der alte-herren-generation, die diese urteile fällen. unvorstellbar – kinder ohne ehe, oder bei gleichgeschlechtlichen beziehungen!

    das einzig gute an dieser grauköppe-generation ist, dass sie abtritt!

    bedauerlicherweise ist es dann aber zu spät für so viele paare, die auf KB angewiesen sind.

    es ist echt zum heulen.

  4. kekskeks schreibt

    Es ist doch schon die Festlegung der Erstattung von nur 50% (und nicht 100%) der Kosten einer KB willkürlich & unlogisch, oder?

    Unfruchtbarkeit ist für mich eine Krankheit/krankhafte Störung – wie kommt eine Krankenkasse darauf, dabei nur 50% der Kosten zu leisten?

    Daß hier so vehement auf eine Eheschließung gepocht wird, ist für mich unverständlich, da dies klar eine Benachteiligung zu Paaren ist, die nicht auf KB angewiesen sind – die müssen zum Schwangerwerden ja auch nicht verheiratet sein.

  5. gruenegurke schreibt

    einfach nur 🙁

    Ich hoffe sie wachen auf, bevor sie keine Steuerzahler mehr haben!

  6. Peter schreibt

    Ist doch klar : Der Staat will einen, der zahlt. Ein Ehemann ist ja auch immer rechtlich der Vater des Kindes, das seine Frau zur Welt bringt. So ist das nun mal. Auch für Verheiratete ist das Leben nicht immer gerecht…

  7. Anna schreibt

    Die Begründung liest sich wie aus der Zeit des Mittelalters !

  8. Rebella schreibt

    @Peter: Daran kann es nicht liegen. Die nicht verheirateten Väter werden auch rechtliche Väter. – Und um ganz sicher zu gehen, könnte der Staat eine vorherige Vaterschaftsanerkennung verlangen.

  9. Elisa schreibt

    Ist es denn so eine unüberwindbare Hürde, einfach mal zu heiraten, wenn beide sich ein Kind wünschen. Früher haben wir geheiratet, um eine Wohnung zu bekommen.

  10. Elmar Breitbach schreibt

    Stimmt, früher war alles besser 😉