Samenspende: Auskunftrecht bereits vor dem 18. Lebensjahr

Menschen, die mit Hilfe einer Samenspende gezeugt wurden, haben das Recht, die Daten des Spenders zu erfahren. Dies wurde bereits vor 2 Jahren in einem vielbeachteten Urteil des Landgerichts Hamm entschieden unter Berufung auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, welche der Kenntnis der eigenen Abstammung höchste Priorität einräumte. Der bisherigen Auffassung zufolge gilt dieses Recht jedoch erst ab Erreichen der Volljährigkeit.

Zwei Schwestern aus Niedersachsen mochten nicht so lange warten. Mit 13 Jahren wurde die älteste der beiden über die Umstände ihrer Zeugung aufgeklärt und verlangte in der Folge Einsicht in die Daten der Reproduktionsklinik, in welcher diese Behandlung damals erfolgte. Es ist nun zwar geregelt, dass dem Kind diese Informationen zustehen, unklar ist jedoch der Zeitpunkt und vor allem die Vorgehensweise.

Es betrifft drei Parteien

Denn ganz so einfach ist es nicht: Nicht nur die Rechte der Kinder, sondern auch die des Samenspenders und der Eltern müssen berücksichtigt werden. Aus Sicht der Klinik ergibt sich somit das Dilemma, einerseits die Akteneinsicht gewähren zu wollen, andererseits jedoch keine klare und rechtlich bindende Vorgehensweise existiert, nach dies erfolgen kann. In diesem speziellen Fall bestand darüber hinaus das Problem der Minderjährigkeit der Kinder, deren Berücksichtigung in dem wegweisenden Urteil von vor zwei Jahren nicht geklärt wurde.

Justitia leistet bei Kinderwunsch-Theman Schwerstarbeit. Unnötigerweise.
Justitia leistet bei Schwerstarbeit. Unnötigerweise.

Allgemeingültige Regelung angestrebt

Um allen Partien gerecht zu werden, sah sich die Klinik daher außerstande, ohne eine richterliche Verfügung dem Wunsch der Kinder Rechnung zu tragen. Im Amtsgericht Hameln wurde zunächst ein für die Kinder positives Urteil gesprochen. Um in dieser Frage nicht nur eine Einzelfallentscheidung zu erreichen, sondern eine grundsätzlich geltende Regelung, wurde das Verfahren in der nächsten Instanz fortgesetzt. Das Landgericht Hannover hob das Urteil dann auch prompt auf.

Nun hob der Bundesgerichtshof widerum dieses Urteil auf. Der BGH urteilte, dass die Kenntnis der eigenen Abstammung ein unabdingbarer Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei. Das vom Grundgesetz geschützte Informationsinteresse habe einen so hohen Rang, dass Altersgrenzen zum Informationsrecht der Kinder unzulässig seien.

Die Folgen?

Aufgrund fehlender Gesetze wurden nun erneut Kinder, Eltern Kliniken und Gerichte gezwungen, entsprechende Regelungen gerichtlich herbeizuführen. Ich frage mich, wie lange die Politik sich noch davor drücken möchte und kann, dies nachzuholen. Seit Jahren bereits wird die rechtliche Regelung der Fortpflanzungsmedizin vor Gericht geklärt. Ein wenig uraltes und völlig überholtes Embryonenschutzgesetz hier, ein wenig Standesgesetz der Ärzte dort, dazu noch ein Prise europäische Gesetzgebung und ganz grundsätzlich die Weigerung der Politik, sich einmal grundsätzlich mit diesem Problem zu beschäftigen und sie dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Stand anzupassen.

Die Legislative unserer Republik wird offenbar nur dann aktiv, wenn die „Gesetzgebung“ durch die Gerichte nicht so funktioniert, wie sie es möchte. So beim Thema Fortpflanzungsmedizin zuletzt und seit langem das erste Mal, als Kollege Bloechle sie mit dem Urteil zur PID vor sich hertrieb.

Man kann nur wiederholen, was ich hier bereits ausführlich erläuterte: Wir benötigen dringend eine rechtliche Regelung der Spermienspende. Aktuell lässt die Politik alle Beteiligten in der Luft hängen. Es fehlt ganz offensichtlich die Bereitschaft, sich an einem solch schwierigen Thema die Finger zu verbrennen. Vielleicht auch, weil es mit den christlichen Grundwerten vieler unserer Politiker kollidiert. Denn nur die Kopulation ist gottgewollt.

Aber dazu wäre zu sagen: Sogar die Österreicher haben es geschafft und für notwendig befunden, ein Fortpflanzungsmedizingesetz zu erstellen und vor kurzem zu verabschieden.

Wieviele Urteile wird der BGH noch fällen müssen, bevor die Legislative unseres Landes endlich das macht, was ihr Job ist?

Foto von Manu_H

Noch Fragen?

Dann haben Sie in unserem Kinderwunschforum die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen oder Fragen an unsere Experten zu richten. Und hier finden Sie die Übersicht über die andere Foren von wunschkinder.de. Die am häufigsten gestellten Fragen haben wir nach Themen geordnet in unseren FAQ gesammelt.

Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
 

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Kommentar

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12 Kommentare
  1. Käsekückchen schreibt

    Wer ist diesbezüglich denn tatsächlich in der Auskunftspflich? Die ‚ausführende‘ Klinik oder das ‚liefernde‘ Institut? Oder kann der eine es auf den anderen schieben und die Auskunftspflicht wird zum schwierigen Hindernislaufen? Gibt es diesbezüglich schon Regelungen?

  2. Mirabelle schreibt

    Ich stelle mir gerade vor, wie ein Spender von einer ganzen Horde 13jähriger verfolgt wird.
    Es ist mir schon ein Rätsel, wie ein Gericht die Kenntnis von der eigenen Abstammung als oberstes Gebot zur Urteilsbegrüngung heranziehen möchte, wenn es noch nicht einmal Regelungen für die Spende – und somit auch für den Spender – gibt.
    Wenn ich den Artikel richtig lese, wusste der Spender zum damaligen Zeitpunkt ja nicht worauf er sich da einließ, im Nachhinein wird das aber über seinen Kopf hinweg geregelt (und gilt somit auch rückwirkend??).
    Mal sehen, ob irgendjemand nach zig Aufhebungen der Aufhebung von Urteilen doch mal das eigentliche Problem angeht und einfach mal (vorher!)den Spender fragt wie das mit seiner Vaterschaft laufen soll.
    Stellt sich abschließend die Frage, ob es noch so viele Spender gäbe, wenn sie wüssten, was da eventuell in 13 Jahren auf sie zukommt.

  3. Swanni Uszkoreit schreibt

    Hoffentlich kommt die Politik jetzt endlich endlich aus den Puuuschen

  4. Elmar Breitbach schreibt

    Ja, wäre zu hoffen…

  5. Rebella schreibt

    Zitat E. Breitbach: "Wir benötigen dringend eine rechtliche Regelung der Spermienspende. Aktuell lässt die Politik alle Beteiligten in der Luft hängen. Es fehlt ganz offensichtlich die Bereitschaft, sich an einem solch schwierigen Thema die Finger zu verbrennen. Vielleicht auch, weil es mit den christlichen Grundwerten vieler unserer Politiker kollidiert. Denn nur die Kopulation ist gottgewollt."

    Danke für diesen Beitrag. Das haben Sie gut formuliert.

    Es muss ein umfassendes Fortpflanzungsmedizingesetz her, das alle nötigen juristischen Details der Samenspende regelt.

    Angedacht ist im Bundestag bisher nur die Gruppe zur Regelung der Abstammungsfragen. Das jedoch reicht nicht. Wir brauchen insbesondere auch eine Regelung, die den Spender absichert.

  6. Rebella schreibt

    @Mirabelle: Ich kann deine Befürchtungen so nicht teilen.

    "Eine ganze Horde 13-jähriger" – Erst einmal ist die Zahl der Spendernachkommen durch die donogene Insemination begrenzt auf etwa 10. Und dann interessieren sich längst nicht alle dafür, diesen auch kennen zu lernen. Also unsere Jungs (15 und 12) interessieren sich z.B. nicht für ihren unbekannten Erzeuger. Und letztlich wird die Datenherausgabe für so junge Spenderkinder bestimmt eher eine Ausnahme bleiben.

    Und ob nun 13 oder 18 – dass die Daten an das Kind herausgegeben werden können, wissen die Spender schon seit einigen Jahren. Trotzdem ist ihre Zahl wohl kaum zurück gegangen. Ich glaube auch nicht, dass man sich vor so einer Begegnung graulen muss. Wäre ich Spenderin, ich fände es sehr interessant, erleben zu dürfen, was für Nachkommen aus meinen Genen entstanden sind.

    Die Entscheidung des Gerichts begrüße ich.

  7. Rebella schreibt

    Nachtrag: So, wie das jetzt in der FAZ steht: http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/samenspende-urteil-das-geheimnis-der-anderen-haelfte-13395632.html begrüße ich es nicht. Das würde ja bedeuten, dass alle Eltern ein vermeintliches Interesse ihrer Kinder vorschieben könnten, auch, wenn dieses gar nicht besteht oder nur evt. bestehen könnte. Das ist meines Erachtens nicht ausreichend. Das Interesse müsste schon ganz klar und deutlich, sowie mehrfach artikuliert beim Kind liegen.

    Eine Herausgabe an die Eltern aufgrund eines Interesses der Eltern fände ich nun doch dem Spender gegenüber unfair.

  8. Elmar Breitbach schreibt

    @ Käsekückchen: Auskunftspflichtig ist der, der die Samenproben zur Verfügung stellt. Also inzwischen meist einige wenige Samenbanken in Deutschland, bei denen sich das Paar eine Probe bestellt und sie in die Kinderwunsch-Klinik senden lässt.

    @Rebella: In dem FAZ-Artikel – wie auch in anderen – ist die Rede davon, dass sich "die Klinik weigerte". Das stimmt zwar, aber nicht, weil sie keine Lust hatte, sondern weil die Herausgabe der Daten und in diesem Falle die Rechtmäßigkeit der Herausgabe nicht geklärt waren. Oben nicht erwähnt aber nicht unwichtig: Zum dem Zeitpunkt, als die Eltern die Herausgabe der Daten einklagten , hatten sie ihre Kinder über die Art ihrer Zeugung noch nicht infomiert. Das sehe ich auch so: Eine Herausgabe an die Eltern aufgrund eines Interesses der Eltern fände ich nun doch dem Spender gegenüber unfair.

    Deswegen ja auch meine Forderung/Wunsch, diese Abläufe gesetzlich zu regeln und nicht in Einzelfallentscheidungen vor Gericht.

  9. Mirabelle schreibt

    @Rebella: Vielen Dank für den Link zu dem FAZ Artikel! Er enthält sehr interessante Fakten und Zahlen.

    Es ist kaum zu glauben, dass der Bungesgerichtshof tatsächlich eine Klinik zur Herausgabe des Spendernamens zwingen kann, selbst wenn sich diese damals zur Geheimhaltung verpflichtete. Der betreffede Mann wird sich bei seiner damaligen Entscheidung schon was gedacht haben. Ebenso sind die beteiligten Ärzte – verständlicherweise – leicht angesäuert.
    Dass es im beschriebenen Fall nur die Eltern sind, die den Spender finden wollen – nicht jedoch die Kinder – macht das Ganze nicht besser.

  10. Daniel schreibt

    Ich finde, dass eine Volljährigkeit keine Voraussetzung für eine Auskunft sein muss. Wer der leibliche Vater ist, sollte man schon vor dem 18. Lebensjahr erfahren dürfen.
    Liebe Grüße
    Daniel

  11. Rebella schreibt

    Hier findet ihr einen sehr schönen Bericht direkt von der Verhandlung vor dem BVG: http://www.di-netz.de/di-netz-beim-bgh-teil-3/

    Nachdem ich das Verhandlungsprotokoll gelesen habe, ist mir zusätzlich zu Ihrer Erklärung, lieber Dr. Breitbach, einiges besser verständlich geworden. Ich möchte auch gern sagen, dass der Anwalt der Klinik richtig gut argumentiert hat. – Daraus hätte etwas mehr berichtet werden können.

    Es gibt jetzt wieder einige am Thema interessierte Medien. Wir sollten die Chance nutzen und darin immer wieder auf die unzureichende rechtliche Regelung hinweisen.

    Schade eigentlich, dass in der Berichterstattung bisher nur ein Arzt zu sehen war, der nicht gern Spenderdaten herausgibt und der eigentlich mit diesem Urteil gar nichts zu tun hat. … Viel besser wäre es jetzt doch, wenn auch Ärzte auftreten, die sagen, ja, wir möchten gern die Daten herausgeben, wenn das Kind dies für wichtig erachtet. Wir benötigen dafür aber auch eine hinreichende Regelung der Samenspende.

  12. Rebella schreibt

    Heute ist nun das Urteil gefallen, nach dem die betreffende Familie tsatsächlich die Spenderdaten für ihre inzwischen 17 und 12 Jahre alten Töchter erhält: http://www.di-netz.de/endlich-erfolgreich-heute-prozess-beendet-familie-erhalt-spenderdaten-bgh-teil-7-2/ und http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Samenspende-Kinder-haben-Recht-auf-Namen,samenspende114.html