Falsche Argumente im Protest gegen Selbsbeteiligung?

Nicola Siegmund-Schultze von der Ärztezeitung musste einen Artikel schreiben. Sie berichtet von einer Festveranstaltung des Zentrums für Gynäkologie und Fortpflanzungsmedizin in Saarbrücken. Und soll dies offenbar objektiv tun und erfüllt diese Pflicht in ihrem ersten Artikel.

Dort ist auch die Selbstbeteilung der Patienten an den Kosten einer Kinderwunschbehandlung ein zentrales Thema:

Der Gynäkologe Andreas Giebel vom Zentrum für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin in Saarbrücken rechnete vor, was dies für die Geburtenraten konkret bedeutet: Im Jahre 2003 waren noch 16 961 Kinder durch extrakorporale Befruchtung auf die Welt gekommen, im Jahr darauf waren es dagegen nur noch 5260, also mehr als 11 000 Kinder weniger. „Die Differenz entspricht der jährlichen Geburtenrate einer Großstadt wie Köln“, sagte Giebel. Dazu komme noch ein Rückgang der Inseminationen, wodurch weitere 3500 Kinder weniger gezeugt worden seien.

Die üblichen Zahlen und demographischen Argumente gegen die Gesundheitsreform. Betroffene kennen sie und leiden darunter. Damit sind nicht die Rentner gemeint, denen die Beitragszahler ausgehen, sondern die Paare, die sich eine Behandlung nicht leisten können.

In dem Bemühen, politische Meinung zu beeinflussen, fokussieren sich Reproduktionsmediziner in der Diskussion um das GMG jedoch auf die Berechnung fehlender Kinder. Verständlich, denn man muss die Politiker da packen, wo es ihnen weh tut und man kann nicht den Eindruck gewinnen, dass sie das Schicksal der Paare, welche die Kinder aus finanziellen Gründen nicht bekommen können auch nur im geringsten interessiert.

Nicola Siegmund-Schultze ist genervt
Sie findet diese Argumentation falsch. Die Argumentation kollidiert mit Ihrem Ärztebild und deswegen macht sie ihrem Ärger in einem Kommentar Luft:

Unverständlich ist, dass die Ärzte sich dafür Argumentationshilfe aus der Wirtschafts- und Sozialpolitik holen, wie jetzt bei einer Veranstaltung in Saarbrücken deutlich wurde. Die demographische Entwicklung ins Feld dafür zu führen, dass der Staat die künstliche Befruchtung finanziell stärker zu fördern habe, ist verfehlt. Das ärztliche Handeln kann moralisch nicht darauf ausgerichtet sein, künftige Versicherungsbeitragszahler zu erzeugen.

Bedeutet das auch, dass man deswegen nicht damit gegenüber den politischen Entscheidungsträgern argumentieren darf? Wäre es vielleicht wirklich „ärztlicher“ und überzeugender, die Demographie nicht zu sehr in den Vordergrund zu rücken und statt dessen die (Einzel-)Schicksale betroffener Paare?

Kommentare dazu?

Noch Fragen?

Dann haben Sie in unserem Kinderwunschforum die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen oder Fragen an unsere Experten zu richten. Und hier finden Sie die Übersicht über die andere Foren von wunschkinder.de. Die am häufigsten gestellten Fragen haben wir nach Themen geordnet in unseren FAQ gesammelt.

Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.

 

Das könnte Sie auch interessieren
Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

42 Kommentare
  1. Anonymous schreibt

    Ich glaube nicht, dass die Argumentation mit Einzelschicksalen überzeugender wäre. Dann läge ganz schnell das Gegenargument auf dem Tisch, warum denn die Gesellschaft für das Glück Einzelner verantwortlich sein soll. Und dass Menschen, die sich so eine Behandlung nicht leisten können, auch keine Kinder groß ziehen können, weil sie ja (angeblich) nicht mal für sich selbst sorgen könnten. Das Solidarprinzip ist ja mittlerweile recht umstritten. Ich finde es gerechtfertigt zu argumentieren, dass es bei dieser Frage nicht nur um individuelle Probleme geht, sondern auch um größere gesellschaftliche Zusammenhänge, die sich auch auf diejenigen auswirken, die nicht direkt von (unerwünschter) Kinderlosigkeit betroffen sind.

  2. fassi schreibt

    Ich meine, dass der Staat und die Solidargemeinschaft nicht für irgendwelche Privatschicksale zuständig ist sondern nur für ganz bestimmte
    Diese sollen dann auch solidarisch von der Gemeinschaft Unterstützung erfahren.

    Dazu gehören für mich ganz sicher Krankheit/Krankheitsfolgen und auch Behinderung, zu denen ich die Unfähigkeit sich fortzupflanzen auch zähle.

    Der Kernpunkt ist hier in D immer noch der, aus ideologischen und monetären Gründen soll die Unfruchtbarkeit und die Behandlungswürdigkeit in Frage gestellt werden.
    Es fielen dann tatsächlich so Sätze von poltischen Entscheiderinnen, eine solche Behandlung sei nur eine Stilisierung als Krankheit. Sie fördere die Frauenrolle in einer patriarchalen Gesellschaft weil dadurch die Auffassung zementiert würde, die Mutterschaft als alleinerfüllenden Lebensweg zu definieren.

    Die ganze Debatte hier ist geprägt von solchen fragwürdigen und vor allem zynischen Statements, wie ezwa es gäbe kein Recht auf ein Kind ( ein übler poltischer Trick sich gegen etwas zu wehren, was jemand mit gesundem Menschenverstand nirgends fordern wird..da uneinlösbar )
    Wenn die Gesellschaft Leute an Bildschirmarbeitsplätzen benötigt die ja nicht unbedingt gehfähig müssen, würde dennoch niemand eine die Behandlungwürdigkeit von Menschen mit Gehbehinderung in Frage anzweifeln, oder ob eine Behandlung nur natürlich und nicht mit medizinischer , also künstlicher Prothese zu erfolgen zu habe.

    1.Ob eine körperliche Störung als Krankheit zu definieren ist, hängt sicher nicht von gesellschaftlich erwünschter Gender-Symbolwirkung ab, ich verweise nüchtern auf die möglichst weltanschauungsneutralen ICD oder ICF ( international gültige angwandte Kataloge mit Definitionen zu Krankheiten u. Behinderungen)
    2. Wenn im Grundgesetz von Ehe, Familie die Rede ist, kann man die Fortpflanzung u. Familienbildung auch politisch nicht allein als Frauen-sache oder -problem sehen, es werden ja immer Paare, auch Männer (!)behandelt.

  3. fassi schreibt

    3. Geburten-Familienpolitik sollte man klar von Therapien krankheitsbedingter Zustände trennen.
    Vielmehr sollte man die grundsätzliche Therapiebedürftigkeit im Krankheitszusammenhang endlich wirksam klären, es gibt da ja schon so viele eindeutige . leider auch bizarre Einzel-Urteile !

    4. Der deutsche Juristinnenbund DJB hat in einem Sonderheft zur PID dargelegt, dass bei der Fortpflanzungsabsicht elementare Grundrechte betroffen sind .Auch hier zeigt sich klar dass die Fortpflanzung nicht gesellschaftlich INSTRUMENTALISIERT werden darf. Kinder zeugen , eine Familie gründen ist keine X-beliebige Handlung oder recht banaler Wunsch, wie etwa umweltschädliche Autos fahren, da darf der Staat weitreichend steuern, aber sicher nicht bei der Fortpflanzung, das betrifft Grund und Menschenrechte. Das erläutern auch die aufschlussreiche Doktoarbeit und das PID-Heft Nr.2 /2004 des DJB
    – Susanne Knoop : Recht auf Fortpflanzung und medizinischer Fortschritt
    http://www.ub.uni-konstanz.de/kops/volltexte/2005/1489/

    http://www.djb.de/publikationen/aktuelle-informationen/ai_2004-2/

    5. Das eindrucksvolle staatliche Abschalten der Geburtenraten nach IVF,..( nahezu Halbierung) bei unfruchtbaren Menschen durch die Gesetzesänderung für die sog. Solidargemeinschaft, Zahlen zum IVF-Tourismus sollte man aber ruhig nüchtern zitieren – diese Zahlen sprechen doch für sich selbst, dahinte stecken viele krankheitsbedingte Einzelschicksale !
    6. die Argumenation mit der Erhöhung der Geburtenrate läuft auf das gleiche hinaus, wie die Sache, ob die Gesellschaft alten Menschen noch neue Hüftgelenke gönnt, wenn es sich denn für die Gesellschaft nicht mehr lohnt – da wird (nicht nur mir) leider schlecht .
    7. Der nationale Ethikrat hat die Problematik d. Gerechtigkeit u. medizin. Ressourcenverteilung jüngst thematisiert. – neue Grundsätze müssen womöglich erstellt werden ?

  4. Ute schreibt

    Ich schließe mich meinem Vorschreiber an. Wenn ich will, daß die Gesellschaft (=Krankenkassen) zahlt, dann muß ich ihr darlegen, was sie selber davon hat. Auf Altruismus zu hoffen, ist illusorisch und naiv.

    Zudem: Warum sollten Ärzte, die sich die demographischen Argumente zunutze machen, deshalb unmoralisch handeln? Sachlichkeit schließt doch weitere Beweggründe für das "ärztliche Handeln" nicht aus.

  5. fassi schreibt

    […]Es geht zuallerst um Krankheit und nicht um irgendwelche gesamtgesellschaftlichen Ziele wie Humankapital, Leistungsträger…oder will man etwa (ich spitze absichtlich einer neuen Spielart des Sozialdarwinismus. ?
    Nat. Ethikrat 11/2006 : “ Gesundheit für alle – wie lange noch ?“ http://www.ethikrat.org/publikationen/pdf/Infobrief_2006-03_Website.pdf

    8. Der gesellschaftspolitisch erfeuliche Förderungswille für verschiedene Familienmodelle , bezieht sich auf geborene Kinder oder darauf, soziale und wirtschaftliche Hindernisse abzumildern, um Paaren ( nicht nur Frauen !) die möglichst freie Entscheidung pro Kind zu geben. Es geht aber sicher nicht um eine konzertierte staatliche Aktion zur "Herbei-Züchtung" von Humankapital !
    Die Unfruchtbarkeitsproblematik der Paare erfolgt ja erst NACH der evtl. auch staatlich geförderten Entscheidung PRO Familiengründung – das Problem danach ist dann aber überwiegend Krankheitsbedingt (eine Mitverantwortung Betroffener gibt es auch sonst, Aids, Lungenkrebs, Diabetes) !

    9. die gesellschaftspolitische Diffamierung kinderloser Menschen ( ausgenommen zölibatäre Priester, Nonnen, selbst kinderloser oder “nur“- ein-kind-habender Politiker, Journalisten) finde ich grundsätzlich unverschämt, Grund egal ! Gesamtgesellschaftliche gerechte Förderung der Familien, o.k. – aber ohne das Feindbild des „ parasitären“ Kinderlosen..
    Ein feministischer Lebenschutz, unbelegte Symbolbefürchtungen seitens Behindeter und Kirchen, demographische Sorgen können nicht elementare Grundrechte praktisch ungültig machen .

    Über die Eigenbeteiligung sollte man nur in dem Sinne reden, wie das auch sonst bei medizinschen Therapien, Zahnersatz, Zuzahlungen usw erfolgt – aber nicht demographisch.

  6. Anonymous schreibt

    Ich kann die Argumentation von fassi durchaus nachvollziehen, halte sie aber nicht für erfolgversprechend, wenn man Öffentlichkeit will. Auf einer theoreitschen Ebene kann man so diskutieren, aber Politik funktioniert leider nicht immer so rational.

  7. Lectorix schreibt

    Ich bin Demographie-Fan. Einfach auch deshalb, weil ich persönlich nicht bereit bin, aufgrund von persönlichen Einzelschicksalen zu zahlen, die interessieren mich ’nen Keks… Sondern ich bin dann bereit zu zahlen, wenn ich und meine Kinder selbst was davon haben, wenn es wieder mehr Kinder in Deutschland gibt.

  8. Andra n.e schreibt

    Erst mal muß ich sagen ich habe den Kommentar von Frau Schulte nicht verstanden. Sehr unklar geschrieben.
    Ich bin auch gegen Demographie im Vordergrund. Kinder werden nicht so für eine Statistik geboren, sondern weil Paare sich wünschen.
    Es gibt nun zwei verschiedene Probleme hier: der Staat und die Ärzte.
    Der Staat sieht das Problem grundsätzlich aus der finanzielle Seite: Kinder machen Rente, pflegen Alte Eltern usw. Ich verstehe auch nicht warum die KB so teuer ist und nicht von der KK übernommen, aber Abtreibungen sind günstig und von der KK bezahlt.
    Wie kann der Staat zwei gegenseitige Sachen unterstützen?

  9. Andra n.e schreibt

    Die Ärzte sind müßen auf die Gesetze achten, aber gleichzeitig auch Geld machen, ob von der KK oder von Patienten schein ihnen es völlig egal zu sein.
    Die Ärzte haben, so viel ich weiß, den Eid von Hippocrates, der sagt dass sie immer den Patienten helfen und dienen müßen und sogar ohne Geld.
    Früher war es so, das Ärzte tatsächlich nur ein Lohn hatten (vom Staat) und die Patienten mußten nichts bezahlen. Nun hat sich alles gändert, der Eid nützt niemandem mehr, Patienten haben keinen Zugang zur Behandlung wenn sie kein Geld haben.
    Die Ärzten müßten aber wenigstens noch menschlich sein und dem Patienten dienen und helfen.

  10. fassi schreibt

    Ich bin Grundrechte- und Freiheitsfan, und bin ganz sicher, dass Politik doch noch ein wenig so funktioniert, dass es nicht nur um gesellschaftliche Begehrlichkeiten und Ziele geht, denen der Einzelne bis in die Fortpflanzung hinein Folge zu leisten hat 🙂

    Sehr beruhigend finde ich die Meiung, dass Einzelschicksale die anderen nichts angehen, aber nur solang es nix mit unseren solidarischen Sicherungssystemen wie Arbeitslosen/Renten/Krankenversicherung zu tun hat.

    Demographiefans wissen sicher auch, dass der Zineszinseffekt der seit dem Pillenknick http://www.bpb.de/wissen/0OBM9A,0,Entwicklung_der_Geburtenziffer.html
    gleichbleibend niedrigen Geburtenrate, dem Selbstbedienungs-umveerteilungs-system versicherungsfremder Leistungen usw.. nicht allein nur den heutigen Sündenböcken, den "Kinderverweigernden" Yuppie-Frauen ( Paaren) angelastet werden kann.. 😉
    und wenn ich schon mal dabei bin, gesamtgesellschaftliche Demographieprobleme sollten dann schon auch gesamtgesellschatflich gelöst werden und nicht nur gesetzlich versicherte Angestellte dafür verantwortlich gemacht werden. ?

    Ausserdem bezweifle nicht nur ich, warum die Erhaltungnorm von 2,1 Kids /Frau DIE Norm sein soll, wie wäre es mit Gesundschrumpfen als Option bei gleichzeitiger Beendigung >49jährige auszusortieren vom Arbeitsmarkt und Verkürzung der Schul-Studienzeiten ( siehe Ausland) und möglichst gerechte Anpassung des Systems an die Realität und nicht umgekehrt.

  11. Andra n.e schreibt

    Das heisst:
    1. Sie müßen sich um jeden Fall und seine Einzelheiten kümmern, ohne Theorien, ohne den Patient raus zu schicken, weil kein Geld hat, oder einer Theorie nicht gemäß ist.
    Er muß alles versuchen um zu helfen, muß menschlich sein und auch andere Möglichleiten finden.
    2. Sie haben eigentlich den großen Schuld den Politikern Theorien zur Verfügung zu stellen die immer nur einer Gruppe von Patienten helfen/dienen (so Z.B ist auch dieses Gesetz für die KB).
    Statistiken und Gesetze sind gut, sie können einen Überblick geben, aber der Individuum/Patient geht dabei verloren.

  12. Andra n.e schreibt

    Einzelschicksale sollten alle angehen, weil wir in eine Gesellschaft leben. Jede Gesellschaft und jeder Staat ist aus einzelne Teile gebaut, nämlich Paare, Familien, Menschen, einzelne Schicksale.
    Es sind 1, 2, 3 …n Zellen des Staates die keine Kinder haben wollen oder können und das sollte man verstehen und forschen, weil es insgesamt zu diese immer kleinere Geburtszahl führt.
    Und es geht uns alle an wenn wir irgendwann keine Rente mehr haben, oder den Licht aus machen müßen, in einem Land (egal welches).
    Jeder kann etwas dagegen tun, Staat, Paare, Ärzte.
    Ärzte müßten mehr tun als Zahlen zu berichten und die Demographie zu gucken.

  13. Andra n.e schreibt

    Schließlich leben alle, inklusive Ärzte von Menschen, die auch geboren werden müßen.
    Es ist ein Schock für mich zu sehen wie sehr sich die Menschen geändert haben: Geld, Geld, Geld, Ich, Ich, Ich. Der andere, die Natur, alles sonst ist wurscht.
    Wir zerstören uns dauernd selber.
    Das es auch zu der Lage gekommen ist das ein Arzt sagt: "Ich behandele dich nicht wegen Theorien, Gesetze, Geld", dass viele arme Menschen nicht mehr zum Arzt gehen können, ist schlecht genug.
    Und noch etwas: ein Arzt arbeitet nicht mit Fälle, Zahlen, Theorien, oder Gesetze, sondern mit Menschen und Schicksalen.

  14. conja schreibt

    Mir als Betroffene ist es völlig gleichgültig, mit welchen Argumenten KIWU-Paaren und Repro-Medizinern eine Lobby geschaffen wird. Entscheidend ist, dass sie geschaffen wird, mit dem Ziel der vollständigen Kostenübernahme durch die KK. Dabei spielen selbstverständlich demographische Gesichtspunkte für die politischen Entscheidungsträger eine erhebliche Rolle; Einzelschicksale dürften hier eher irrelevant sein, sollten zur Verdeutlichung des Krankheitsbildes aber sicherlich ebenfalls argumentativ genutzt werden. Ärztliches Handeln auf eine moralische Ausrichtung zu reduzieren, mag zwar idiologisch löblich sein, ist mE jedoch weder zeitgemäß noch realistisch, denn selbstverständlich unterliegt auch ärztliches Handel wirtschaftlichen Zwängen.

  15. Rebella schreibt

    Ich meine, einem Staat, der sich Sozialstaat nennt, sollten zuerst mal die Schicksale der Betroffenen wichtig sein. Das ist ja auch der vordergründige Grund, warum assistierte Befruchtung wichtig ist. Ohne die Betroffenen bräuchten wir sie nicht und nur zur Erhöhung der Geburtenrate brauchen wir selbstverständlich auch keine assistierte Befruchtung.

    Allerdings meine ich schon, dass wir das Recht haben, auch auf den Demografieaspekt hinzuweisen. Denn immerhin werden auch unsere Kinder später mal die Leute pflegen, die sich jetzt so beharrlich weigern, etwas zu ihrer Entstehung beizutragen. Kostenübernahme für Kinderwunschbehandlungen ist eben nicht nur ein Almosen für die Betroffenen, sondern auch eine Investition der Nichtbetroffenen in die Zukunft.

  16. fassi schreibt

    Das Argument mit der Pflege finde ich nicht stichhaltig.

    Früher wurde die Pflege der alten Eltern hauptsächlich von weiblichen Verwandten übernommen heut nicht, aber sicher zunehmend auch ganz oft von den Ehepartnern solang es geht gegenseitig geht.

    Gerade in der Kriegsgeneration waren das häufig auch weibliche kinderlose Verwandte, die ihre eigenen Partner ( Verlobten, Ehemann) verloren hatten und dann auch oft wegen des Männermangels keinen Mann zur Familiengründung mehr fanden, ihre alten Verwandten aber aufopfernd pflegten.

    Durch die Berufstätigkeit pflegen viele ihre Eltern nicht mehr, oft geht das Vermögen der Eltern erst mal für die Pflege drauf, zudem zahlen ja kinderlose mittlerweile höhere Pflegeversicherungsbeiträge.
    Die alten Leute sind übrigens heut viel länger fit und helfen sich noch lang selbst und auch gegenseitig.
    Pflege ist heute nicht nur eine Frage der Kinder sondern auch des Geldes, da gibt es die spannweite von der illegal arbeitenden Polin bis hin zur luxuriösen Seniorenresidenz und viel düsteres aus diesen Pflegeheimen.
    Gemeint ist doch gar nicht die tatsächliche eigenhändige Pflege der Eltern sondern die Finanzierung der Pflege auch durch die Kinder.
    Kinder , selbst Kinderlose oder Kinder mit Enkelkindern bekommen übrigens ziemlich viel vererbt..Wer pflegt kann ja schon zusätzliche Lesitungsansprüche geltend machen.
    Die Pflegefrage zur Fortpflanzungfrage zu machen entspricht nicht der Realität.
    Dann müssten eher Töchter, weibliche Verwandte weniger Beiträge zahlen weil sie auch heute noch wen überhaupt häufiger pflegen als Söhne..usw..
    Ich sehe da einen Unterschied zwischen Ehepaaren und Alleinstehenden bei der Pflege, Verheiratete bekennen sich zu einer verbindlichen Verantwortungsgemeinschaft und helfen sich bis in hohe Alter, Alleinstehende oder Geschiedene können das nicht – das sollte man nun also auch zynisch bestrafen ebenso wie die Kinderlosen ?

    Die Behandlung des Themas per Pflegeversicherungsbeitrag reicht völlig aus – wir (kinderlos) zahlen mehr und werden uns gegenseitig trotzdem so lang wie möglich pflegen, das Ersparte und Eigenvorsorge im Schicksalfall draufgehen, bei Kiderlosen und Kinderhabenden.
    Nicht jedes Kind ist heute überhaupt bereit oder fähig die Eltern finanziell oder praktisch zu unterstützen.

  17. fassi schreibt

    @ Rebella,
    DAS und hier Dein Argument " die sich jetzt so beharrlich weigern " provoziert mich immer wieder.

    Meines Wissens gibt es keinerlei Möglichkeit diese Weigerung näher zu beweisen, wer warum keinen Partner auf Dauer fand, welcher Teil eines Paares denn keine Kinder wollte – und warum soll die biologische Unfähigkeit von Homosexuellen oder Unfruchtbaren moralisch höher ins Gewicht fallen.

    Ausserdem leitet sich daruas ja schon fast eine Pflicht für jeden ab alles mögliche zu tun damit das nicht Kinderzeugen nicht als Verweigerung diffamiert wird.

    Wenn Unfruchtbare ihre Grenze bei Stimu, bei Insemination, bei IVF ziehen obwohl eine ICSI die einzige Chance wäre, oder keiner HI, Eizell oder Embryonenspende , auch keine Adoption wollte ( Gilt auch für Homosexuelle) sind das dann auch " Verweigerer" ?

    oder gibt es da eine Trennung akzeptabler Behandlungsverweigerer und unakzeptbaler Verweigerer denen man ohne Beweis eben Verweigerung unterstellt.
    Demnächst bitte Fruchtbarkeitstests für alle, wer dann kein Deckelchen fürs Töpchen findet, ist ein Verweigerer, mal abgesehen von der stark unterschiedlichen langen fertilen Phase von Männlein und Weiblein … 🙂

    .. ansonsten muss sollte man dann eine Variante des " minority reports" einführen mit dem man die Fortpflanzungs"verweigerer" erkennt , bevor sie´s selber überhaupt wissen, falls nicht vorher der " freie Wille" per Hirnscan abgeschafft wird , denn auch daran arbeiten DIE. 😉

    http://de.wikipedia.org/wiki/Minority_Report

  18. fassi schreibt

    Ergänzung: wir könnten auch wieder in alte Zeiten zurückfallen und die Trennung von unfruchtbaren oder unwilligen Partnern fordern, aus demographischer Verantwortung ! Ich glaube Prinzessin Diana musste vor der Ehe einen Fruchtbarkeits-Jungfrauentest absolvieren…und der Schah v. Persien musste sich statt der unfruchtbaren armen Sorayah leider wieder ´ne Neue suchen..

  19. zarahle schreibt

    Vielleicht sollte man in der Argumentation einfach mal ein bißchen mehr provozieren und härtere Vergleiche herbeiziehen!?

    Wie wär´s damit: Warum findet man zig Politiker, die sich stark für die Krebshilfe engagieren , aber in Sachen Kinderwunschpolitik findet man nur mit Mühe mal jemand, der dazu unangehme Fragen stellt….
    Wieso wird bei Krebskranken nicht gesagt, wenn die 3 Chemotheraphie nicht anschlägt müssen sie entweder selber weiterzahlen oder die Behandlung einstellen…

    Ich habe selber erfahren wie überheblich Ärzte auf diesem med. Fachgebiet mit Geldern und Patienten umgehen, nur weil sie zu feige sind zu sagen: "sorry, wir haben keine Ahnung was hilft und können ihnen nicht helfen. Gehen sie heim und nutzen sie die Zeit die sie noch haben".
    Lieber werden Therapien angewendet, wo es längst Studien gibt, daß diese völlig nutzlos sind und gegebenenfals die Zeit sogar noch verkürzen können…. Auf KK-Kosten, wohlgemerkt!

    Aber wer traut sich schon an solche Argumentationen ran, denn Krebskranke sehen wenigstens krank aus, wir haben leider das Pech, daß man uns nicht ansieht, was uns fehlt.
    Da ist nicht so viel Publicity zu holen…

  20. Rebella schreibt

    Huhu fassi,

    du hast mich etwas fehlinterpretiert. "Beharrlich weigern" – ich meinte nicht die kinderlosen Paare, die sich weigern, Kinder in die Welt zu setzen, sondern ich meinte all die Menschen, die sich weigern, die jährlich 2 Euro und paar Zerquetschten pro Versichertem in die GKV einzuzahlen, damit daraus Kinderwunschbehandlungen finanziert werden können. 🙂

    Und Pflege: Klar haben insbesondere viele Kinderlose im Rentenalter (zumindest im Schnitt) viel Geld angespart, um Leistungen zu bezahlen. Aber was nützt das Geld, wenn keiner da ist (oder zu Wenige da sind), der die Leistung auch erbringt? Und es ist ja nicht nur die Pflegeleistung, sondern die Summe aller Leistungen, die ein Mensch so braucht. Eben alles von Ernährung über Wohnen und Krankenleistungen bis hin zu Freizeitvergnügungen.

  21. fassi schreibt

    Sorry Rebella,
    für meine Fehldeutung 😉

    ..da habe ich doch tatsächlich Deinen folgenden Satz nahezu überlesen –
    und lieber wie der Pawlowsche Hund reflexartig aufs rote Lämpchen auf die zwei mir sehr bekannten Stichworte :

    "Entstehung" (von Kindern) + "Verweigern" …reagiert.

  22. Ute schreibt

    Zitat: "Wieso wird bei Krebskranken nicht gesagt, wenn die 3 Chemotheraphie nicht anschlägt müssen sie entweder selber weiterzahlen oder die Behandlung einstellen…"

    Naja, der Vergleich hinkt ja nun doch stark. Immerhin ist hier ein bereits lebender Mensch in Lebensgefahr. Bei Kinderwunsch kann davon ja nun wirklich keine Rede sein. Bei Krebskranken geht es um eine buchstäbliche Lebensnotwendigkeit. Bei Kinderwunschpatienten – wie die Bezeichnung schon nahelegt – um einen Wunsch, dessen Nichterfüllung allerdings wohl kaum als gesundheitsgefährdend oder lebensverkürzend einzustufen ist. (So traurig ein solcher unerfüllter Wunsch auch ist. Will ich ja gar nicht leugnen.)

  23. reaba schreibt

    also, sieht man mal von der schwindenden gruppe der ideopathisch sterilen menschen ab, dann ist nahezu jeder unerfüllte kinderwunsch bedingt durch eine krankhafte störung – hat für mich den charakter der fertilitätsbehinderung und wäre damit in jedem fall sozial-solidarische aufgabe.

    die gesellschaftliche tragweite unerfüllten kinderwunsches setzt sich aus der summe der einzelschicksale zusammen – fürchterlich egal von welchem ende aus man den gaul nun aufzäumen möchte.
    für politiker sind statistiken und demographische entwicklungen sicher sehr aussagekräftig als handlungsgrundlage; persönlich beeindruckender sind einzelschicksale.

    was von medizinern nun in der vordergrund zu stellen ist? total egal! solange das argument beim jeweiligen gegenüber greift und ggfs nachdenken über die derzeitige situation erzeugt.

  24. zarahle schreibt

    Zitat Ute:" Naja, der Vergleich hinkt ja nun doch stark. Immerhin ist hier ein bereits lebender Mensch in Lebensgefahr. Bei Kinderwunsch kann davon ja nun wirklich keine Rede sein."

    Genauso argumentiert eigentlich jeder der mit der Problematik nur ansatzweise konfrontiert wird…!
    Erstmal ist bei den Krebspatienten, von denen ich rede kein Mensch in Lebensgefahr, sondern dem Tod geweiht.
    Aber es gibt "Götter in Weiss", die nicht den Mumm haben das auch so deutlich zu sagen und dem Patienten die Chance der Selbstbestimmung zu geben….
    Da wird lieber die Chemo bis zum bitteren Ende durchgezogen, obwohl alle Zwischenwerte dagegen spechen!!!
    Und ob bei Kinderwunsch nicht die Rede von Lebensgefahr sein kann will ich lieber dahingestellt sein lassen… Es will vielleicht auch gar keiner wissen, wieviel Kinderwunschpatienten immer wieder Suizidgedanken haben, weil ihnen die Sache psychisch über den Kopf wächst…

    Nichtsdestotrotz möchte ich betonen, daß ich nicht für die Abschaffung der Chemotherapien bin, denn es gibt durchaus Krebsarten, wo sie hilft bzw. auch heilen kann.
    Aber sie ist nicht das Allheilmittel und das geben divese Ärzte nicht gerne zu!

  25. Ute schreibt

    Zitat: "Aber es gibt “Götter in Weiss”, die nicht den Mumm haben das auch so deutlich zu sagen und dem Patienten die Chance der Selbstbestimmung zu geben….
    Da wird lieber die Chemo bis zum bitteren Ende durchgezogen, obwohl alle Zwischenwerte dagegen spechen!!!"

    Keine Angst, ich hatte das schon richtig verstanden und kenne das aus eigener Erfahrung. Meine leibliche Mutter ist vor 25 Jahren an Krebs gestorben, steckte schon voller Metastasen. An ihr wollten sie zum Schluß noch eine damals ganz neue Therapie ausprobieren, die eigentlich noch gar nicht zugelassen war. Mein Vater hat dann mal Tacheles geredet und den Ärzten gesagt, daß sie sich mit ihrer Experimentierwut zum Teufel scheren und meine Mutter in Würde sterben lassen sollen.

    Kinderwunsch und Suizidgefahr – da sehe ich sicherlich auch Zusammenhänge. Aber ist in einem solchen Fall wirklich die einzige Lösung ein Kind um jeden Preis, oder nicht vielleicht auch Psychotherapie eine Möglichkeit, da wieder herauszukommen? Es ist ja nun außerdem auch nicht so, daß die Krankenkassen zur Sterilitätsbehandlung gar nichts mehr zuzahlen, sondern die Zahlungen "lediglich" eingeschränkt wurden.

    Allerdings gebe auch ich zu, daß ich mich über die Prioritäten der Krankenkassen manchmal doch etwas wundere. Ich lag gestern für eine ambulante Sterilisation im Krankenhaus, denn eine weitere Schwangerschaft wäre für mich gesundheitlich inzwischen ein ziemliches Risiko. Im Bett neben mir eine Patientin, die eine Abtreibung vornehmen ließ – ebenfalls deshalb, weil ein Austragen des Kindes für sie zu gefährlich gewesen wäre. Meine Steri habe ich selbst bezahlt. Ihre Abtreibung übernahm die Kasse. Nicht, daß ich der Dame das mißgönnen würde, aber so ganz begreife ich solche Richtlinien dann auch nicht.

  26. fassi schreibt

    Mein "2. rotes Lämpchen" blinkt..

    ..wenn es denn keine Unwissenheit ist, dann bleibt doch mir sunbjektiv hier doch nur die philosophische Erkenntnis darüber, dass der Mensch des Menschen Wolf sei, oder das Böse letzlich nur banal..

    Leiden lindern heisst bei der Unfruchtbarkeitsbehandlung Kind gebären versus kein Kind.

    Für Krebstherapie gilt aber nicht nur die Option Heilung oder Tod sondern vor allem Leiden lindern.
    Für zunehmend mehr Leute zwar Heilung , für viele aber auch lebenswürdiges Überleben und mit dem Krebs Weiterleben mit einer gewissen Lebensqualität, individuell abgesehen von der Erkrankung oft sehr unterschiedlich, schicksalhaft.

    Genauso wie beim Krebs gibt es oft eine Mitverantwortung für die Krankheit wie bei der Unfruchtbarkeit, das inhumane Wort Schuld lehne ich hierbei strikt ab.

    Der individuelle Umgang mit Leid kann aber nicht zu einer "Olympyade des Leids" führen, wer nun am meisten leide (Suizididee) das ist sowieso nicht exakt messbar und wertbar.

    Für sinnlose Qäulerei und Abzocke verzweifelter stehen für mich zunehemend dies ESO-Therapeuten, wie zuletzte in der Doku über eine Brustkrebskrank Frau der die Chemo half würdig zu sterben, die anderen die ganzheitlichkeitsPriester die Frau " verarschten" mit Kommentaren es sei gut , die Eltern seine mitschuld..Familensytem usw..wenn der Krebs aufbricht ( diese Wahnsinnigen Heiler kannten nicht mal den Unterschied zu einem Furunkel.. Horror!!)

    Und : Wir alle haben ein ziemliches Krebsrisiko, nicht zuletzt wegen zunehmendem Alter und kulturell bedingtem Lebenstil – nicht vergessen !

  27. fassi schreibt

    @ reaba, deine Deutung von "ideopathisch" ist falsch.

    Das wäre keine Krankhafte Störung, das stimmt nicht.
    " sieht man mal ab ….von, dann.."

    Die Krankhafte Störung verursacht eine Wirkung , hier Unfruchtbarkeit ( = Symptom)

    Zitat ( quelle flexicon.doccheck)
    " Idiopathisch bedeutet "ohne bekannte Ursache" oder "als selbstständiger Krankheitszustand".
    Als idiopathische Erkrankungen werden alle Krankheiten mit nicht bekannter Ursache bezeichnet, bei denen das Symptom selbst die Krankheit darstellt und nicht auf einen bekannten Pathomechanismus zurückgeführt werden kann."

    es gibt idiopathische Diabetes , idiopathische Epilepsie etc..deren Ursachen womöglich irgendwann geklärt werden und dann ursächlich behandelt werden, bisdahin das Symptom= die Krankheit(..sfolge) -falls behandelbar .

    sinngemäss wie "essentiell", z.B "essentielle Hypertonie". etc.

    Ob 10% solcher Paare als "schwindende Gruppe" zutreffend bezeichnet sind zu wenige , oder werden es neuerdings weniger ?

    Beim ICF existiert die Behinderungsdefinition + Anerkennung:
    " Kapitel 6: Funktionen des Urogenital- und reproduktiven Systems" (s.74)
    "b660 Fortpflanzungsfunktionen
    Funktionen, die mit der Fertilität, Schwangerschaft, Geburt und Laktation verbunden sind
    Inkl.: Funktionen der männlichen und weiblichen Fertilität, Schwangerschaft, Geburt und Laktation;
    Funktionsstörungen wie Subfertilität, Sterilität, Azoospermie, Oligozoospermie, Spontanabort,
    ektopische Schwangerschaft, Fehlgeburt, zu kleiner Fetus, Hydramnion und Frühgeburt,
    verzögerte Geburt, Galaktorrhoe, Agalaktorrhoe, Agalaktie"
    b6600 Funktionen im Zusammenhang mit der Fertilität
    Funktionen, die im Zusammenhang mit der Fähigkeit zur Bildung von Keimzellen stehen
    Inkl.: Funktionsstörungen wie Subfertilität, Sterilität" (S. 76)
    Quelle: ICF / Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und
    Gesundheit http://www.dimdi.de/dynamic/de/klassi/downloadcenter/icf/endfassung

  28. reaba schreibt

    @fassi

    danke für den hinweis, so ist es in der tat missverständlich.
    natürlich sind auch ideopathisch sterile menschen fertilitätsbehindert, wenn man es denn so nennen möchte.

    gemeint war folgender zusammenhang: sind zu beginn der ersten fruchtbarkeitsbehandlungen, die sich IVF etc. bedienen konnten, noch eine sehr hohe prozentzahl von männern und frauen als "ideopathisch steril" klassifiziert worden, so ist mit erweiterung des diagnostischen spektrums und immer weiter wachsender kenntnis um die zusammenhänge der einnistungs- und störungen die schwangerschaft glücklich auszutragen, diese zahl der als ideopathisch klassifizierten menschen immer weiter zurückgegangen.
    "ideopathisch" steht für mich dann eigentlich nur noch als platzhalter bis irgendein wissenschaftler auch diesen zusammenhang knackt – mit gleicher existenzberechtigung und behindernden einschränkung wie bei frauen mit endometriose oder männern mit schlechtem spermiogramm nach hodenhochstand im übrigen. der leidensdruck bei unfruchtbarkeit ist wohl immer gleich psychologisch gesehen, egal wo die ursache liegt. ausgenommen vielleicht fertilitätsprobleme, die auf grund eines psychischen traumas (z.b. vergewaltigung) entstehen. da kann ich mir sogar noch einen relativ grösseren leidensdruck vorstellen als bei menschen mit manifest organischer ursache…leiden tun aber alle darunter.

  29. reaba schreibt

    [Teil 2]
    oft (z.b. bei mir selbst) wurden zusammenhänge entdeckt, die die nidation stark behindern, den urogenitaltrakt allerdings nicht in seiner funktionalität beim empfangenden und reproduktiven vorgang prinzipiell eingeschränkt hätten. das sind dysfuntionalitäten zum beispiel aus dem komplex der gerinnung oder immunologie.

    darüberhinaus wird beobachtet, dass es gewisse grundstörungen zu geben scheint, die zu fertilitätsstörungen beitragen können. leider ist, bei dieser komplexen herangehensweise an das thema, die studienlage sehr dünn; evidenzbasierte mediziner (moin doc ;-)) streiten zusammenhänge von z.b. autoimmunen störungen und einnistungsproblematik generell ab und behandeln patientinnen auch nicht dem entsprechend komplex. da ist die klassifizierung in der tat schwierig, weil man mit der zuweisung was henne und was ei ist noch nicht sehr weit vorangekommen ist (beispiel: endometriose und hashimoto thyreoditis sind gerne vergesellschaftet…aber was bedingt die entstehung des jeweilig anderen??)

    in der definition des ICF dürften sich eigentlich alle hier vertretenen problematiken der fertilitätsstörung wiederfinden.

    ich bin in der tat überzeugt, dass es bei fertiler dysfunktionalität genug argumente geben würde, die den behinderungscharakter stützen…und zu einem besseren umgang mit in-/subfertilität im hinblick auf finanzierbarkeit der folgekosten.

    LG reaba

  30. Ute schreibt

    Zitat: "ch bin in der tat überzeugt, dass es bei fertiler dysfunktionalität genug argumente geben würde, die den behinderungscharakter stützen…und zu einem besseren umgang mit in-/subfertilität im hinblick auf finanzierbarkeit der folgekosten."

    Was mich zu der Frage der Verhältnismäßigkeit führt. Ein Blinder z.B. erhält monatlich sogenanntes Blindengeld. Es soll dazu dienen, Extrakosten für Vorlesedienste, Braillegeräte, Braillebücher und alle Arten von Blindenhilfsmitteln mit abzufangen. Unnötig zu erwähnen, daß die tatsächlichen Kosten damit nicht komplett abgedeckt werden.

    Wenn nun also fertile Dysfunktionalität ebenfalls Behinderungsstatus erhielte – wäre man dann finanziell betrachtet nicht sowieso wieder dort, wo man jetzt auch schon ist? Nämlich bei einer teilweisen Erstattung der Kosten, wie bei anderen Behinderungen auch?

  31. reaba schreibt

    @ute

    faktisch oder real mag sich das so auswirken, aber der status wäre ein anderer. ist schon ein unterschied ob politisch verantwortliche reproduktive behinderung mit lvestyle a la schönheits-op gleichsetzten (ex-kanzler schröder) oder ob man den zustand endlich als wirkliche form der behinderung anerkennt…und aufhört zu "frankensteinisieren".

    wir waren bei 100%iger kostenerstattung…dann kam ulla…und heute sind wir bei 50%, reduzierten versuchen und alterslimits 🙁
    wäre bei "behinderungsstatus" sicher schwerer gefallen, die kürzung. assistierte reproduktion ist heute nur noch was für nicht geharzte oder sehr leidensfähige menschen. finde ich schlecht!

    ich klinge schon selbst wie so ein mieser lobbyist…wie war das gleich mit dem weg durch die instanzen… 🙂 …frau lernt ja dazu…hin und wieder.

    LG reaba

  32. Ute schreibt

    Zitat Reaba: "ist schon ein unterschied ob politisch verantwortliche reproduktive behinderung mit lvestyle a la schönheits-op gleichsetzten

    @Reaba: Ich glaube, der Knackpunkt liegt darin, daß es eben Menschen gibt, die ohne Kinder nicht oder nur schwer leben können/wollen, während andere nicht nur kein Problem damit haben, sondern Kinderlosigkeit sogar vorziehen.

    Aus diesem Grund wird eine Anerkennung von Unfruchtbarkeit / Sterilität als Behinderung wohl lange auf sich warten lassen, denn was für den einen die Lebensqualität beeinträchtigt, ist für den anderen ein höchst willkommener Zustand. Das ist der Unterschied zu sämtlichen mir bekannten und offiziell anerkannten Behinderungen.

  33. Ute schreibt

    (Fortsetzung:)
    Und ich glaube, genau das ist auch der Grund, warum der Kinderwunsch von den verantwortlichen Politikern gerne als "Lifestyleproblem" betrachtet wird. Was wiederum – um aufs Ursprungsthema zurückzukommen – ein guter Grund für Ärzte ist, sich beim Protest gegen die Selbstbeteiligung explizit der Argumente zu bedienen, die auch unseren Politikern legitim und nachvollziehbar erscheinen: Wirtschafts- und Sozialpolitik.

  34. reaba schreibt

    @ute

    ich nehme keine wertung der argumente vor, sollte auch kein mediziner tun finde ich.

    aus vielen diskussionen im persönlichen umfeld, aber auch mit nicht von fertilitätsstörung betroffenen menschen, ist für mich eigentlich rübergekommen, dass viele versuchen das problem auf irgendeine weise zu relativieren, von leid abzulenken oder schnell nach simplen erklärungsversuchen zu greifen.

    geht politikern reflektorisch sicher erstmal nicht anders. habe mich oft gefragt, wie es kommen kann, dass selbst sehr aufgeklärte und sensitive menschen mit dem thema so unsensibel umgehen.

    zum einen ist es sicher die schamhafte hemmschwelle über dinge zu reden, die im genitalbereich liegen und in der sexualität zuzuordnen sind. aber eigentlich geht es noch ein wenig tiefer: ich denke dass für viele menschen allein schon die infragestellung funktionaler reproduktivität persönlich furchterregend ist…man redet einfach nicht gerne darüber und lässt diese erfahrungswelt so wenig wie möglich an sich heran. scheint irgendeine urangst zu berühren, vermute ich. vielleicht weil es der eigentlich simpelste akt ist, der mit zur definition von leben gehört…kann beinahe jeder, unabhängig von einkommen, iq, sozialstaus etc….wenns da hakt, geht schon an die substanz.

  35. Reaba schreibt

    zudem glaube ich nicht, dass jede frau, die die pille nimmt/jeder mann der effektiv verhütet, wirklich keinen kiwu hat…denn die meisten greifen doch bei verhütung zu temporären maßnahmen die leicht reversibel zu machen sind ;-).
    auch glaube ich, dass sehr viele kinderlose paare irgendwo auf dem weg zum wunschkind steckengeblieben sind, denn da gibt es schon mehrere phasen der bewusstwerdung und des umgangs damit…tritt nur in den wenigsten fällen als gescheitert deklariert zum vorschein.

    argumente aus der witschafts- und sozialpolitik finde ich durchaus statthaft, wenn sie gelungen verwendet werden. allerdings kann ich die ergüsse über "humankapital" wirklich langsam nicht mehr ertragen. ist für mich das andere extrem zu "menschenwürde für embryos". finde ich beides daneben, kaum hilfreich für fertilitätsgestörte menschen.

    die letzte veränderung nach GMG war reinste lobbyarbeit von "lebensschützern" und im weitesten sinne öko-lobby…ist nicht von mir, aber wurde mal treffend als ökomenisch bezeichnet 🙂
    und auch die professionellen vertreterinnen von "frauenrechten" sollen die finger im spiel gehabt haben…kuriose, aber effektive lobby-gang eben.

    LG reaba

  36. fassi schreibt

    @ reaba, danke dir für die Erläuterungen,verstehe nun besser

    Kürzlich entdeckte ich beim Juristinnenbund die passende Bezeichnung für diese Lobby " feministische Lebenschützerinnen" fand ich klasse 😉

    @ Ute, mir leuchtet nicht ein, warum der eine Lifestyle, nämlich im Lebenslauf den Kinderwunsch zu verlieren ( angeblich wollen ja fast alle jungen Erwachsene Kinder..)oder sich eben abzufinden aus welchen individuellen, gesundheitlichen oder sozialen Gründen auch immer eine höhere Wertigkeit erfahren sollte und daher allein normieren sollte was Behinderung oder von Krankheitswert sei.

    Seltsamerweise ist " Unfruchtbarmachung" wider Willen eine schwere Straftat und seltsamerweise gibt es bei diesen ärztlichen Anhaltspunkten ( wieder eine Liste)
    für männliche/ weibliche Steriiltät trotzdem einen "Grad der Behinderung" : 20% ( – 20-30 bei Eierstock…)hinzu kommen nocht evtl. psychoreaktive evtl. zusätzliche Körperliche Störungen..( ab Seite 101 ff des pdf Dokuments )

    nicht ohne Grund gilt es im Recht als SCHWERE Körperverletzung nach § 226 StGB, wenn jemand als Folge dieser Verletzung die " Fortplanzungsfähigkeit" verliert ( z.B Zwangssterilisation, sicher auch ärztliche Kunstfehler, Gewalt-Verbrechen,…)
    http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6rperverletzung#Schwere_K.C3.B6rperverletzung

  37. Ute schreibt

    Zitat Fassi: "@ Ute, mir leuchtet nicht ein, warum der eine Lifestyle, nämlich im Lebenslauf den Kinderwunsch zu verlieren ( angeblich wollen ja fast alle jungen Erwachsene Kinder..)oder sich eben abzufinden aus welchen individuellen, gesundheitlichen oder sozialen Gründen auch immer eine höhere Wertigkeit erfahren sollte und daher allein normieren sollte was Behinderung oder von Krankheitswert sei.

    Sag das den Politikern, nicht mir… ;o) Ich selbst habe durchaus Verständnis für den Wunsch, Unfruchtbarkeit als uneingeschränkt behandlungswürdige Krankheit/Behinderung/wasauchimmer zu deklarieren. Ich habe nur versucht darzulegen, warum unsere Damen und Herren Abgeordneten dies aber evtl. anders sehen.

  38. fassi schreibt

    Neues von der "feministischen Lebensschützerinnen-Fraktion"
    gleiche Akteurinnen wie reprokult, hier jedoch mit starkem Lobbybackground = IMEW ( bioethische Politberatung )

    die Damen welche die " männliche" Prinzipien- Ethik der Autonomie ( Selbstbestimmung) in eine weibliche Ethik der Fürsorge ( "das gute Matriarchat" ) ummodeln wollen, schlagen nun dies vor 😉

    aus Gender-Mainstreaming wollen die nun ein “Disability Mainstreaming“ machen 😉

    = Gleichstellungs-Leitkultur der Geschlechterrollen (gender) wird durch die Behindertenrollen (disability) ersetzt..
    wobei diese fürsorgenden Damen diese "Rolle" für Unpassende dogmatisch verbieten.
    Denn dies hier ist nämlich ein Fürsorge- Tabu für Kiwupaare die eben "etwas gleicher sind…"

    Zitat: " Bei alldem ist es von besonderer Bedeutung, die Lebensrealität und Identität von Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen wahrzunehmen und anzuerkennen"
    Quelle:

  39. reaba schreibt

    @fassi

    danke für den interessanten link!

    ich bin platt. wenn ich gläubig wäre, dann würd ich jetzt auf die knie sinken und bitten: der himmel verhüts!

    ich will nicht demnächst vom "guten matriarchat" ethisch versorgt werden…heul…eigentlich finde ich den ansatz und die idee solcher beratungsfirmen wie IMEW schon schaurig…hat alptraumpotential.

    da hat man als kiwu-"aktivist" 🙂 wohl keine schnitte bei den damen… 🙁

    und nochwas: demnächst werd ich jeden politiker, den ich treffe mal fragen wo er/sie denn "ethisieren" läßt… unfaßbar, daß es sowas gibt.

    LG reaba (jetzt schlaflos)

  40. fassi schreibt

    @ reaba..
    Tja, mein früheres, zugegeben naiv-idealistisches, Bild über die politische Meinungsbildung der Entscheider und deren Arbeit hat schon einige Kratzer..;)

    Durch diese Lobbypolitik, gerade in so einem Bereich wie Ethik/Bioethik, ergibt sich ein fragwürdiges Bild von Politik. Christliche und eine speziell feministische Ethik ( a la Carol Gilligan) dominieren einfach über ihre Netzwerke die nicht so gut organisierten und finanzkräftigen Minderheiten und stellen dadurch für mich auch grundlegende demokratische Prinzipien und ratifizierter Bioethik-Vereinbarungen ( z.B. Einbeziehung Betroffener)in Frage.
    Irgendwo ist aber auch die Aufgabe der Öffentlichkeit, auch Journalisten solche Strukturen zu beobachten und deren politische Arbeit, stattdessen läufts aber oft so. Beim Thema Repromedizin, werden immer die gleichen Damen befragt. Und von Politikern werden die immergleichen Worthülsen aus vorgedachten " Handreichungen" solcher Berater/Experten nachgeplappert, die dadurch zu mächtig sind.

    Hinzu kommt die mediale Selbstdarstellung mit empörter Betroffenheits- und Beschützerattitude. ( besonders diese Bundestags-enquete-Sprecher)
    die Lobby dahinter/konkret findet man hier ( runterscrollen ): http://www.imew.de/imew.php/cat/1/title/Home

  41. fassi schreibt

    ein Nachtrag, um das Bild zu ergänzen :

    Es sind nicht irgendwelche Politiker oder Krankenkassen die hier solche Themen wie Selbstbeteiligung gestalten sondern besonders auch die Wohlfahrtsverbände, die trotz 90% staatlicher Unterstützung ihre eigenen Weltanschauungen verfolgen (z.B bei der Bioethik.)
    http://de.wikipedia.org/wiki/Freie_Wohlfahrtspflege

    " Wohlfahrtsverbände und ihre Mitgliedsorganisationen verfügen damit in sozialpolitisch wichtigen Domänen über ein interessenpolitisch wichtiges Repräsentationsmonopol und haben aufgrund ihrer dominanten Position als Leistungsanbieter einen nennenswerten Einfluss im Politik- und Gesetzgebungsprozess."
    "…hinzu kommt eine Vielzahl informeller Kooperationen und personeller Verflechtungen zwischen Verbänden und Sozialstaat."
    Quelle: http://www.bpb.de/publikationen/7DOM4R,1,0,Wohlfahrtsverb%E4nde_als_korporative_Akteure.html