BGH: Private Versicherer müssen Behandlung für das zweite Kind bezahlen
Bisher stellten sich die privaten Krankenkassen ausnahmslos auf den Standpunkt, dass die Kosten einer Kinderwunschbehandlung durch sie nicht zu übernehmen sind, wenn das Paar bereits ein gemeinsames Kind hatte. Dies wurde semantisch spitzfindig damit begründet, dass eine Kinderlosigkeit nicht bestehe und daher auch nicht behandelt werden müsse. Dass trotz eines Kindes durchaus weiterhin ein Kinderwunsch bestehen kann, wurde bei dieser Argumentation wohlweislich ignoriert.
Ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom heutigen Tage schafft nun endlich die Rechtssicherheit, die aufgrund widersprüchlicher vorinstanzlicher Urteile nicht vorhanden war. Mehr dazu in einem Artikel, der diese Urteile zusammenfasst. Im vorliegenden Fall ging es um ein Paar, welches eine *icsi*-Behandlung zur Erfüllung ihres Kinderwunsches durchführen lassen musste und bereits durch eine erfolgreiche Behandlung ein Kind hatten.
Analog zu seiner Auffassung in vorhergehenden Urteilen Urteil betonte der Senat,
dass die Krankheit eines zeugungsunfähigen Versicherungsnehmers allein seine auf körperlichen Ursachen beruhende Unfähigkeit sei, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen. Demgegenüber stelle seine Kinderlosigkeit keine Krankheit und auch keine die Erkrankung derart kennzeichnende Krankheitsfolge dar, dass davon gesprochen werden könnte, mit dem Ende der Kinderlosigkeit sei auch eine endgültige Linderung der Krankheit eingetreten. Der Wunsch von Eheleuten nach einem zweiten Kind, der als solcher jeder rechtlichen Nachprüfung entzogen sei, könne daher erneut den Bedarf auslösen, die gestörte Körperfunktion durch medizinische Maßnahmen zu ersetzen.
Interessant ist auch, dass der Begriff „ausreichende Erfolgswahrscheinlichkeit“, die bei einer geplanten Behandlung vorhanden sein muss damit die Kasse die Kosten übernimmt, genauer definiert wird:
Von einer nicht mehr ausreichenden Erfolgsaussicht – und damit von einer nicht mehr gegebenen bedingungsgemäßen medizinischen Notwendigkeit der IVF/ICSI-Behandlung – ist dann auszugehen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Embryotransfer (Punktion) zur gewünschten Schwangerschaft führt, signifikant absinkt und eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 15 % nicht mehr erreicht wird. Das ist im Durchschnitt bei Frauen nach Vollendung des 40. Lebensjahrs der Fall, kann aber aufgrund der vorgenannten individuellen Faktoren im Einzelfall früher oder später eintreten.
Die Angabe von 15% ist für ein solches Urteil eine sehr exakte Angabe, die jedoch in der weiteren Begründung (berechtigt) eingeschränkt wird:
Bedeutsam für diese Beurteilung kann unter anderem sein, ob eine IVF/ICSI-Behandlung bei denselben beteiligten Personen bereits früher einmal erfolgreich war, ob dafür viele oder nur wenige Behandlungszyklen benötigt wurden, ferner die Zahl und Qualität der beim zuletzt vorgenommenen Behandlungsversuch gefundenen Spermien, Eizellen und übertragenen Embryonen. Eine Vielzahl vergeblicher Behandlungsversuche in der Vergangenheit kann die individuelle Erfolgsaussicht verringern. Für die Prognose von Bedeutung ist weiter die Stimulationssituation beim letzten Behandlungszyklus (Stimulationsprotokoll und Gonadotropinart), schließlich auch die Frage, inwieweit der allgemeine Gesundheitszustand der beteiligten Frau vom Durchschnitt ihrer Altersgruppe abweicht.
Urteil vom 21. September 2005 – IV ZR 113/04
Landgericht München I – 25 O 7593/02 ./. Oberlandesgericht München – 25 U 4788/03
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Dr. med. Elmar Breitbach ist Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Er ist als Reproduktionsmediziner seit mehr als 30 Jahren in der Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit tätig. Dr. Elmar Breitbach ist Gründer und Betreiber von wunschkinder.de.
Ein Kommentar dazu aus dem Forum und offenbar aus juristisch geschultem Munde:
" inwieweit der allgemeine Gesundheitszustand der beteiligten Frau vom Durchschnitt ihrer Altersgruppe abweicht." finde ich bedenklich, weil:
EU-Charta:
„Artikel 21 Nichtdiskriminierung :
(1) Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer BEHINDERUNG, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, sind verboten.“
"sozialen Herkunft,des Vermögens"
…alleine daß die adäquate Verfolgung des individuellen KiWus schon daran scheitert finde ich ist ein deftiger Verstoß gegen die Menschenrechte…etwa 90% aller Menschen in D sind NICHT privat versichert und haben wegen der Hürde der Beitragsbemessungsgrenze auch keine Chance darauf. Für micht ist nicht einzusehen, warum deren Kinderwunsch nicht entsprechend ähnlich gut von den Kassen unterstützt wird wie der Kinderwunsch von privat versicherten Menschen (GKV: 3 anteilig finanzierte Versuche/ PKV: je nach Kasse bis zu 4 vollbezahlte Versuche).
KiWu ist KiWu ist KiWu…meine Meinung.
Das die PKVen jetzt aber auch die Kosten für weitere Kinder übernehmen sollen ist richtig und zu begrüßen, weil es zu mehr Kindern führt bei Menschen, die sie sich wirklich wünschen!
Die Auseinandersetzung mit diesem Thema geht aber längst nicht weit genug und wird immer noch politisch abgeblockt…aus unterschiedlichsten Interessenslagen :-(.
LG Reaba
Nunja, die PKVS kosten auch meist mehr Beitraegen als eine GKV und koennen Leute wieder "rausschmeissen" oder nein danke sagen beim Eintritt, was die GKV nicht kann.
Aber gut, dass die pkvs auch fuer Kind nr 2 oder mehr zahlen muessen